E-Auto auf dem Land: Jungfern-Fahrt – Teil 5

Der Nissan Leaf+ steht vor der Tür und TR-Redakteurin Jo Schilling macht eine erste Probefahrt mit dem E-Auto, das sie für ein Forschungsprojekt nutzt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 23 Kommentare lesen
E-Auto auf dem Land: Jungfern-Fahrt

Der Nissan Leaf rollt an.

(Bild: Jo Schilling)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Idee hinter dem Projekt i-Rezept, das zwei Fraunhofer-Institute, Bosch und Nissan gemeinsam betreiben, ist, auszuloten, ob es sich lohnt, ein E-Auto aus Zwischenspeicher für photovoltaisch erzeugten Strom zu nutzen. Die Idee ist grundsätzlich naheliegend: "Wenn ich einen prall gefüllten Energiespeicher in der Garage stehen habe, weshalb soll ich dann bei Dunkelheit teuren Strom aus dem Netz beziehen?" Ein guter Grund, das nicht zu tun, wäre etwa, dass ich dann leider morgens nicht genügend Akkuladung für die Fahrt zur Arbeit habe.

E-Auto auf dem Land

(Bild: 

Nissan

)

TR-Redakteurin Jo Schilling wohnt auf dem Land – so richtig "Land". Ein E-Auto scheint sich dort nicht so recht anzubieten, dennoch wagt sie das Experiment. Sie nimmt teil am Forschungsprojekt "i-rEzEPT". Zwei Fraunhofer-Institute, Bosch und Nissan wollen dabei untersuchen, wie gut sich ein Elektroauto als Batteriespeicher für die Solaranlage auf dem heimischen Dach eignet. Hier berichtet sie über ihre Erfahrungen – von der Installation der Anlage bis zum bidirektionalen Laden.

Um Sinn oder Unsinn eines solchen Heimenergiekonzeptes erforschen zu können, müssen ein paar Faktoren erfüllt sein: Der teilnehmende Haushalt muss über eine eigene Photovoltaikanlage verfügen. Diese Anlage muss an das Stromnetz angeschlossen sein. Es darf kein Batteriespeicher installiert oder eine Strom-Cloud-Lösung gebucht sein – die Aufgabe soll ja das Auto übernehmen. Das Auto muss als Erstfahrzeug genutzt werden – und es muss natürlich in der Lage sein, seinen Strom wieder zurück speisen zu können.

Bidirektionales Laden können noch nicht viele E-Fahrzeuge, der Nissan Leaf kann es und als „+“ Variante sollen wir ihn als Testfahrzeug für ein Jahr bekommen. Der Projektverlauf ist – wie das bei vielen bunt gewürfelten Projektpartnern und Forschungsprojekten nun einmal so ist – etwas ruckelig und so kommt die Nachricht, dass unser Testfahrzeug anrollt, überraschend. Montags ist eine Email von dem i-Rezept Projektbetreuer bei Nissan im Fach, dass Mittwoch vielleicht schon das Auto kommt. Der Spediteur hat andere Pläne und kommt schon am nächsten Tag.

Ein kleiner Tieflader für ein Auto steht an der Straße. Der Nissan leuchtet blau und dank der gewaltigen Aufkleber auf den Türen, dass dieses Auto 100 Prozent elektrisch fährt, werden wir wohl nicht still und leise unsere Erfahrungen machen können. Ein leises Piepen begleitet den ansonsten lautlosen Abladevorgang und nach einem Kaffee für den aus Köln angereisten Spediteur sind wir mit unserem E-Auto allein. Im wahrsten Sinn des Wortes, denn bis auf die Empfehlung in der Ankündigungs-Mail, uns ein paar Apps auf unsere Smartphones zu laden, wissen wir nichts über dieses Auto. Keine kurze Einweisung, kein Handbuch. Und bisher haben wir E-Autos nur von außen gesehen.

Wenn ich mich bislang ein wenig despektierlich darüber geäußert habe, dass Autohersteller ihre E-Autos genauso aussehen lassen, wie Verbrenner, statt die Chance zu nutzen, das Konzept Auto völlig neu zu denken, bin ich in dieser Situation froh darüber. Der Stromer sieht auch von innen aus, wie ein ganz normales Auto. Der Schlüssel hat vertraute Knöpfe – nur an dem kleinen Zapfsäulen-Icon erkenne ich, dass ich den Schlüssel zu einem E-Auto in der Hand halte.

Der Power-Knopf in der Mittelkonsole ist nicht zu übersehen. Ich fahre eigentlich einen Automatik-Wagen, damit kann ich auch die "Schaltung" intuitiv bedienen. Rückwärts, vorwärts, nichts-tun sind die Einstellungen, die ich auch von meinem Diesel kenne, nur dass hier nichts mechanisch einrastet. Die Einstellung "P" für Parken, die mein Auto noch hat, gibt es hier ebenfalls – einfach auf den Schaltknopf drücken. Also tritt mein Fuß die Bremse – weil er das immer tut und ich nicht darüber nachdenke, meine Hand drückt auf "Power" und der Computer erwacht zum Leben. Die erste Info, die ich bekomme: Der Akku ist glücklicherweise voll geladen. Also rollen wir beherzt für die erste Probefahrt vom Hof. Lautlos und auf den ersten Metern begleitet von einem leisen Piepen.

Da ich viel von der Begeisterung der E-Auto-Fahrer über die enorme Beschleunigung und den ungeheuren Spaßfaktor gehört habe, taste ich mich vorsichtig an das Gaspedal. Das ist allerdings gar nicht nötig. Der Wagen ist flott, aber nicht beängstigend. Ich schiebe das darauf, dass ich im richtigen Leben einen 185 PS Turbo-Diesel fahre, der seine Leistung zwar mit gewaltigem Gebrüll entfaltet, aber sie eben auch sehr energisch auf die Straße bringt. Erst später – nachdem ich das Handbuch, das eine der empfohlenen Apps ist – gelesen haben werde, schalte ich den grünen Eco-Knopf aus und revidiere mit einem leicht irren Lachen meine Meinung, dass ein Stromer auch nicht flotter ist, als mein Verbrenner. Blöd nur, dass ich dann dem Ladezustand beim Fallen zusehen kann.

Aber soweit sind wir noch nicht. Noch rolle ich vorsichtig zum nächsten Dorf und taste mich an die Funktion des "E-Pedal" heran, das die Bremsenergie zurückgewinnt. Das ist der einzige wirkliche Unterschied beim Fahren. An das aktive Bremsen muss ich mich gewöhnen, stehe beim ersten Versuch fast vor der Kurve, weil ich natürlich vor einer Kurve vom Gas gehe… Ich bin froh in einer strukturschwachen Gegend mit wenig anderen Autos unterwegs zu sein, übe ein paar Kurven lang und finde Gefallen an der Funktion.

Ab da ist es einfach Autofahren. Und während ich das denke, fällt mir auf, dass es sich wirklich normal anfühlt – inklusive akustischer Begleitung. Denn auch wenn mir auf den ersten Metern nur das Piepsen verrät, dass wir nicht passiv rollen, sondern fahren, ist der Lautstärkeunterschied auf der Landstraße nur marginal. Zwar brüllt mein Diesel los, wenn ich überhole, aber beim konstanten, ruhigen Fahren sind offenbar die Reifengeräusche die akustische Kulisse, die mich auch im lautlosen E-Auto begleiten wird. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber es unterstützt mein vertrautes Autogefühl und ich beschließe, gleich am nächsten Morgen die 120 Kilometer-Strecke in die Redaktion anzutreten.


Wie es weitergeht, lesen Sie am nächsten Dienstag, 26.5., an dieser Stelle.

(jle)