"Recht auf Vergessen" vor dem Bundesgerichtshof

Vor dem obersten deutschen Zivilgericht klagen zwei Parteien darauf, dass Google bestimmte Suchergebnisse löscht.

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"Recht auf Vergessen" vor dem Bundesgerichtshof
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Unter welchen Umständen besteht ein Anspruch auf Vergessenwerden im Netz – damit befasst sich seit Dienstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Im Mittelpunkt steht Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Demnach haben Betroffene grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass ihre Daten gelöscht werden – allerdings nicht in jedem Fall.

"Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist kein uneingeschränktes Recht", betonte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters laut dpa. Sorgfältig müssten dagegen auch andere Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Informationsfreiheit abgewogen werden.

Verhandelt werden gleich zwei Klagen gegen Google: Zum einen will der Ex-Regionalchef eines Wohlfahrtsverbandes aus Hessen erreichen, dass auf der Suche nach seinem Namen keine negativen Berichte über ihn mehr erscheinen. Die damalige Berichterstattung sei wegen des öffentlichen Interesses unstrittig berechtigt gewesen, sagte Seiters. Eine Rolle könne aber die Zeit spielen. Die Vorfälle – die finanzielle Schieflage des Verbandes und die Rolle des Klägers dabei – sind viele Jahre her. (Az.: VI ZR 405/18).

Das Landgericht Frankfurt am Main urteilte, es seien nicht die Voraussetzungen eines Auslistungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 DS-GVO gegeben. "Zwar enthielten die von der Beklagten verlinkten Presseartikel Gesundheitsdaten des Klägers i.S.v. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Doch sei die Verarbeitung der Daten durch die Beklagte zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO)", heißt es in einer Mitteilung des BGH.

Im zweiten Fall klagt ein für Finanzdienstleister arbeitendes Paar. Es wehrt sich dagegen, dass kritische Artikel sowie Fotos von ihnen auftauchen, sobald ihr Name oder etwa der der Gesellschaften, für die sie arbeiten, bei Google gesucht werden. (Az.: VI ZR 476/18). Das Paar beruft sich darauf, dass die verlinkten Artikel unwahr seien. Google wiederum erklärt, dies nicht überprüfen zu können.

Das Oberlandesgericht Köln erklärte, da ein Suchmaschinenbetreiber in keinem rechtlichen Verhältnis zu den Verfassern der in den Ergebnislisten nachgewiesenen Inhalten stehe, sei ihm die Ermittlung und Bewertung des Sachverhalts nicht möglich. Den Wahrheitsgehalt der behaupteten Tatsache darstellen müsse derjenige, der die Auslistung beansprucht.

Die Anwälte der Kläger regten jeweils an, die Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Eine Entscheidung des BGH wird voraussichtlich in den nächsten Wochen ergehen. Eine Entscheidung des EuGH zu diesem Themenbereich gab es bereits vor sechs Jahren, als sich ein Spanier sich erfolgreich dagegen gewehrt hatte, dass Google bei der Eingabe seines Namens einen Artikel über die Zwangsversteigerung seines Hauses 15 Jahren zuvor angezeigt hatte. Damals galt allerdings noch nicht die DSGVO.

(anw)