Börsenüberflieger und Branchenschreck Tesla

Als wertvollster Autohersteller ist Tesla ein Star der Finanzwelt. Aber auch technisch bekommt das Unternehmen ein immer größeres Gewicht.

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Börsenüberflieger und Branchenschreck Tesla

Autos aus dem Hause Tesla.

(Bild: Tesla)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • dpa
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Der Rummel um den E-Auto-Pionier Tesla war immer schon groß – doch was derzeit mit der Firma geschieht, sucht seinesgleichen. Seit Ende Juni ist der Börsenwert des Unternehmens um mehr als 85 Milliarden auf zuletzt gut 286 Milliarden Dollar nach oben geschossen. Damit ist Tesla mit weitem Abstand der am höchsten gehandelte Autohersteller der Welt. Die drei nach Absatz und Produktion größten US-Rivalen General Motors (GM), Ford und Fiat Chrysler bringen es zusammen auf knapp 80 Milliarden Dollar. Und auch das deutsche Trio Volkswagen, Daimler und BMW ist hierbei meilenweit abgeschlagen.

Vor einem Jahr kämpfte Tesla noch mit tiefroten Zahlen, die Mittel waren knapp, die Zweifel an der Zukunft des Unternehmens groß. Dann erzielte es drei Quartale schwarzer Zahlen in Serie. Plötzlich scheint der bislang chronisch verlustreiche Konzern profitabel und hebt an der Börse ab.

Während der globale Automarkt von der Corona-Krise ausgebremst wird, macht sich Tesla im Massenmarkt breit. Im zweiten Quartal wurde Musks Firma viel mehr Autos los als erwartet. Anders als die Konkurrenz, die mit geschlossenen Autohäusern und zu Hause festsitzenden Kunden zu kämpfen hat, setzt Tesla auf Online-Verkäufe und kommt wegen der zahlreichen Vorbestellungen kaum mit Produktion und Lieferung nach.

Tesla-Gründer Elon Musk genießt den Erfolg seiner Firma in vollen Zügen. Um "Shortseller", die auf Kursverluste wetten, auf die Schippe zu nehmen, brachte er "Tesla Short Shorts" heraus: Die kurzen Satin-Hosen mit goldenem Firmenlogo waren in limitierter Auflage im Onlineshop erhältlich – und trotz eines stolzen Preises von 69,42 Dollar sofort vergriffen. "Verdammt, wir haben die Website kaputtgemacht!", twitterte er angesichts des großen Andrangs.

Warum ist ein Unternehmen, das bisher kaum Geld verdient und relativ kleine Stückzahlen fertigt, mehr wert als alle großen deutschen und US-Autobauer zusammen? Finanzmarkt-Erwartungen sind ein Spiel mit der Zukunft, sie müssen keineswegs die tatsächliche Substanz einer Firma widerspiegeln. Der Hype um Tesla zeigt auch, wie abgekoppelt der Börsenhandel von den realwirtschaftlichen Grundlagen sein kann. Software-Architekturen sind das eigentlich Wertvolle

Doch es mehren sich die Stimmen derer, die glauben, dass Teslas Vorsprung vor allem bei Software und Digitalisierung nur noch schwer einzuholen sein könnte. "Die Kernkompetenz, die Tesla so wertvoll macht, liegt weniger im Feld E-Mobilität", sagte der Vorstandschef des zweitgrößten Autozulieferers Continental, Elmar Degenhart, der dpa. Entscheidend in der Beurteilung sei vielmehr das Know-how in neuen "Elektronik-Architekturen, deren Programmierung, drahtlosen Updates, den damit verbundenen Sicherheitsanforderungen und der Vernetzung des Autos mit der Cloud".

Gerade dort tun sich Volumenanbieter wie VW, wo sowohl der neue Golf als auch der Elektro-Hoffnungsträger ID.3 mit Problemen zu kämpfen haben, schwer. VW-Software-Chef Christian Senger soll die Leitung der gerade ins Tagesgeschäft gestarteten IT-Organisation abgeben, ist aus Firmenkreisen zu hören. Er soll aber möglichst an anderer Stelle im Konzern weitermachen.

Degenhart betonte, es sei zu bedenken, dass Tesla keine annähernd ähnlichen Modellzahlen stemmen muss und "auf der grünen Wiese" gegründet wurde. In der Tat macht Musk bisher kaum nennenswert Masse. Toyota lieferte im jüngsten Quartal mit 398.029 Neuwagen allein in den USA mehr aus als Tesla im gesamten vergangenen Jahr weltweit.