EU-Kommission will Desinformierer bestrafen

Wer systematisch Falschinformationen etwa über Wahlen oder Covid-19 verbreitet, soll an den Pranger gestellt und mit Sanktionen belegt werden.

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(Bild: dolphfyn/Shutterstock.com)

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Mit einem "europäischen Aktionsplan für Demokratie" will die EU-Kommission den Kampf gegen Desinformation verschärfen. Nicht zuletzt die Coronavirus-Pandemie habe gezeigt, wie stark Falschinformationen die öffentliche Meinung prägen könnten, erklärte Věra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission für Werte und Transparenz, am Mittwoch. Mit einem Aktionsplan will die Kommission nun dagegenhalten.

Soziale Netzwerke und Suchmaschinen wie Facebook, Google oder Twitter hatten sich 2018 gegenüber der Kommission bereiterklärt, einen Verhaltenskodex gegen Desinformation zu unterzeichnen. Nun will die Kommission "zur Ko-Regulierung übergehen", kündigte Jourová an. Dazu sollen bis zum Frühjahr 2021 neue Leitlinien entstehen, die durch nationale Regulierungsbehörden durchgesetzt werden können.

Mit dem geplanten Digital Services Act würden "horizontale Regeln" für die Plattformen geschaffen, erläuterte die Kommissarin. Diese müssten dann konkret das Risiko der Verbreitung von Desinformation verringern. Es gehe dabei nicht darum, umstrittene Inhalte etwa von rechts oder links löschen zu lassen, es müsse aber klare Vorgaben für alle geben.

Jourová plädierte dafür, Akteure über längere Zeit zu beobachten, um Verbreiter systematischer Desinformation ausfindig zu machen. Den Tätern könnten Kosten auferlegt werden, zum Beispiel indem Werbetreibende auf manchen Portalen keine Banner mehr schalteten. Infrage kämen auch Sanktionen gegen "bösartige Akteure" etwa in Russland oder China nach dem Vorbild der "Cyber Diplomacy Toolbox". Auch könnten solche Akteure deutlicher öffentlich an den Pranger gestellt werden.

"Unsere Gesellschaften dürfen nicht durch organisierte Aktivitäten manipuliert werden", meint die Kommissarin. Es müsse etwa möglich sein, effizient mit Impfstoffen gegen die Coronavirus-Pandemie vorzugehen. Sie habe Google und Facebook bereits benachrichtigt, "dass wir Impfstrategien fördern wollen". Die Plattformen müssten auch schärfer gegen Manipulationen durch Social Bots und Fake Accounts vorgehen und ihre Algorithmen vor allem für News Feeds transparenter machen. Wichtig sei auch, besser und systematischer mit Faktenprüfern zu kooperieren und schärfer gegen Hassrede vorzugehen.

Für das kommende Jahr kündigte die Kommission zudem überarbeitete Vorschriften zur Transparenz politischer Werbung und zur Parteienfinanzierung an. Die EU wolle hier keine "schmutzigen Methoden" wie in den Fällen von Cambridge Analytica und dem Brexit-Referendum mehr dulden.

Politisches Marketing dürfe auch einen privilegierten Zugang etwa von Forschern zu privaten Daten nicht länger missbrauchen. Mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) seien die EU-Bürger dafür zwar schon etwas besser geschützt. Die erforderliche Einwilligung sei aber ein vergleichsweise schwaches Instrument.

Als "eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe" bezeichnete Achim Berg, Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom, den Kampf gegen Desinformation im Internet. Bildungseinrichtungen, Medien, Regierungen, Zivilgesellschaft "und natürlich auch Online-Plattformen stehen in der Verantwortung". Die Politik müsse hier aber mit "besonders viel Augenmaß" vorgehen: "In vielen Fällen gibt es kein eindeutiges Richtig oder Falsch, und was heute noch Gültigkeit hat, kann morgen schon unwahr sein". Eingriffe etwa in Social-Media-Posts müssten "auf besonders gravierende Fälle beschränkt bleiben".

(mho)