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Was war. Was wird. Mitten im Leben von Zitaten umgeben.

Digitalisierung ist Digitalisierung ist Digitalisierung ist Digitalisierung. Hal Faber kann's nicht mehr hören. Als ob in Neuland alle glücklich wären.

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Was wabert so schön durch Sinn und Verstand? Es ist die Digitalisierung in ihrem Beritt. Sie hat das Land gar fest im Arm, sie packt es sicher, und wir packen's an.

(Bild: OlViGre / Shutterstock.com; man verzeihe mir das verballhornte Zitat.)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** "Au Widelsehern Amlerika! Habern Sie Guten FrLug runtel! Plinted in China." <-- Das ist ein Zitat. Ich möchte mir nicht diese Form des "deutschen Humors" zu eigen machen, der in diesem T-Shirt-Aufdruck zum Ausdruck kommt. Aber ich möchte es zitieren können, denn wie könnte man so eine Spießigkeit im Konjunktiv übermitteln? Parteivorsitzender Martin Sonneborn ließ ein T-Shirt drucken, mit dem er sich vom abdankenden, abgehalfterten US-Präsident Donald Trump und seiner kongenialen Partnerin Melania verabschiedete. Er wünschte beiden einen guten Flug nach Mar al Lago und wies darauf hin, dass das T-Shirt wie alle MAGA-Rotkäppchen in China hergestellt wurde. Diese Umschreibung könnte kaum deutlich machen, warum der Parteivize Nico Semsrott die Partei Die Partei verlässt und das ganz humorlos erklärt. Das Zitat erklärt in aller Kürze, wie spießig Satire sein kann und ist deshalb nötig. Man kann dazu auch diesen Text der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (für Kenner: FAZ) über Nico Semsrott lesen, in dem 17 Zitate von Semsrott stehen.

*** In dieser Woche hat die FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) einen Kommentar zum Urheberrecht veröffentlicht, der jede Form des Zitierens kostenpflichtig machen will und eine Bagatellschranke von 1000 oder 500 Zeichen ablehnt. In alter Freiheit folgt ein Zitat mit 941 Zeichen über die wertvolle Arbeit von Journalisten, Reda hin, Reda her: "Was aber würde geschehen? Durch das Zusammenspiel der weiten Bagatellschranke mit einem langen Beschwerdeverfahren wird der Wert eines Presseinhalts, gleichgültig, ob Text, Grafik oder Foto, zerstört. Lokal- und Regionalverlage berichten aus Regionen, zu denen keine Nachrichtenagentur Material liefert; zugleich müssen sie das Weltgeschehen abdecken. Das zwingt zur Kürze, in der journalistisches Handwerk steckt. Exakt dieses Handwerk soll der Bagatellschranke unterliegen. Das Beschwerdeverfahren darf dann bis zu einer Woche dauern. Dann aber sind diese Inhalte im Geschäft mit Nachrichten wertlos geworden. Mithin ist es eine Enteignung. Dasselbe gilt für Fotos: Erst nach sieben Tagen und nachdem der Fotograf seine Inhaberschaft nachgewiesen hat, bekäme er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über seine Aufnahme zurück. Die Bagatellschranke ist deshalb nicht nur auf 500 Zeichen abzusenken, sondern möglichst ersatzlos zu streichen." Kein Zitat, nirgends.

*** In den USA ist die ausführliche Aufarbeitung der Capitol-Unruhen in Gang gekommen. Der "Sturm" hat viele Folgen und Facetten, von denen die unsichere Argumentation des obersten Twitterers noch nicht einmal die überraschendste ist. Während der solchermaßen deplatformisierte Präsident Donald Trump seine Golfschläger packt und das Regieren seinem Vizepräsidenten überlässt, macht er sich Gedanken, das Weiße Haus mit einer von ihm gewünschten pompösen Militärparade zu verlassen. Zu allem Überfluss ist einer seiner wichtigsten Geldgeber gestorben. Sheldon Adelson war der Mann, der einstmals die Firma Interface Group gründete und mit ihr die Computermesse Comdex nach Las Vegas holte. Auch an der diesmal nur online ausgetragenen Consumer Electronics Show für Unterhaltungselektronik war der Casino-Milliardär Adelson beteiligt. Zuletzt kam Adelson ins Gerede, als ein Jet seiner Las Vegas Sands Corporation den freigelassenen Spion Jonathan Pollard nach Israel ausflog. Ihm fliegt er nun hinterher, denn Adelson hatte gewünscht, in Israel begraben zu werden. Wenn Adelson in Europa unterwegs war, buchte er die spanische Sicherheitsfirma Undercover Global, die auf seine Yachten und Flugzeuge aufpasste. Zuletzt kam diese Firma ins Gerede, als sie für den Sicherheitsdienst der ecuadorianischen Botschaft gebucht wurde und dort en passant Videokameras und Wanzen installierte, um Julian Assange auszuspionieren. Ob es damit eine Verbindung zu Donald Trump gibt, ist Futter für Verschwörungsspezialisten.

*** Heute vor 30 Jahren begann die Operation Desert Storm gegen den Irak. Sie soll für den jungen Australier Julian Assange den Ausschlag gegeben haben, sein Mathematik-Studium abzubrechen, als er erfuhr, dass seine Fakultät an der Universität Melbourne Berechnungen für ein in diesem Golfkrieg eingesetztes schweres Räumgerät namens Grizzly Plough durchführte. Nach dem Aus erfuhr Assange einige Inspiration auf der Mailingliste der Cypherpunks. Nun sitzt er im Gefängnis, bis der Einspruch der USA in seinem Auslieferungsverfahren verhandelt ist. Wie wird Joe Biden nach seiner Amtseinführung mit der Causa Assange umgehen? Auch andere Whistleblower wie Reality Winner verdienen ein Pardon oder eine Aufhebung der Haftsrafe. In einem offenen Brief über ihren Rauswurf bei der von ihr mitgegründeten Publikationsplattform The Intercept erinnerte die in Berlin lebende Filmemacherin Laura Poitras an das Schicksal von Winner und die unrühmliche Rolle, die Journalisten des Intercepts bei der Enttarnung der Whistleblowerin spielten. Winner hatte der Plattform kopierte Geheimdokumente zur russischen Einflussnahme im Wahlkampf von Donald Trump zugespielt, die Rückschlüsse auf den Kopierer zuließen.

Ein Computerspiel-Süchtiger ist trotz heftiger Hacker-Angriffe Chef der CDU geworden und hat den Frauenversteher und Möchte-Bundeswirtschaftsminister der Partei hinter sich gelassen. Was mit ihm kommen soll, so er unter Kanzler Söder an der Regierung beteiligt wird, ist ein Digitalministerium, das Ernst macht mit dieser ganzen Digitalität. Es soll die besten Noten von ganz Europa bekommen, sagt der Mann, der schon einmal Noten erfunden hat. Man darf gespannt sein, wie das mit dieser Digitalisierung first ausgehen wird. Aber schließlich ist auch ein Faxgerät ein digitaler Apparat, der Graustufen in Zahlenwerte umsetzt oder so. Jedenfalls ist der Grundstein für einen digitalen Aufbruch gelegt, der schneller ist als 14.400 Bits pro Sekunde. Ja, "die Welt ist fragiler geworden als je zuvor" und sie wird von Tag zu Tag immer fragiler. Und die Digitalisierung immer digitaler. Es ist zum Schreien, als sei die Digitalisierung selbst das Ziel. Dabei soll sie doch einfach nur unser Leben leichter machen. Das ist ein Ziel; das manche aber offensichtlich aus den Augen verlieren.

Ganz fragil ist es in den Niederlanden gekommen, wo etwas auf fürchterliche Weise schiefgegangen ist. SyRI, der Algorithmus, der das Erschleichen von Beihilfeleistungen aufdecken sollte, wurde bereits 2019 mit einem Big Brother Award geehrt, weil er besonders in Nachbarschaften mit niederen Einkommen eingesetzt wurde und entsprechend die Ärmeren in finanzielle Nöte stürzte. Nun soll eine neue Regierung ran, doch die Neuwahlen versprechen alte Verhältnisse.

Gespannt wartet die interessierte Netzöffentlichkeit auf die öffentliche Expertenanhörung, die über die geplante "reparierte" gesetzliche Bestandsdatenauskunft stattfinden soll. Angeblich geht es um mikrochirugische Eingriffe, doch gleichzeitig greift man zu ganz groben Klötzen, wenn Sätze wie "Hass und Hetze im Netz produziert Mörder" fallen.

Eine Expertenmeinung kann immerhin schon bei Netzpolitik.org nachgelesen werden. Kleines Zitat gefällig? "Der Gesetzesentwurf krankt an einem terminologischen Fehlschluss. Es ist ein Irrglaube, man könne Bestandsdaten im Bereich der Telekommunikation mit Bestandsdaten im Bereich der Telemedien einfach gleichsetzen. Es bedarf vielmehr einer separaten Bewertung der Grundrechtsrelevanz dieser Daten für die Freiheitsentfaltung des Bürgers." Die Diskussion wird sicher weiter gehen – und schließlich dürfte auch das reparierte Gesetz vom Bundesverfassungsgericht bewertet werden.

(jk)