Schutz von Patientendaten: Informatiker befürworten Verfassungsklage

Die Gesellschaft für Informatik befürwortet eine Verfassungsbeschwerde gegen das Digitale-Versorgung-Gesetz, das eine Analyse von Patienteninfos zulässt.

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(Bild: SOMKID THONGDEE/Shutterstock.com)

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Den Ansatz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), bei der Digitalisierung des Gesundheitssektors Bedenken hintanzustellen, will die Gesellschaft für Informatik (GI) nicht mittragen. "Im Zweifel muss zuerst für den Schutz der Patientendaten gesorgt werden, bevor neue Prozesse im Gesundheitswesen digitalisiert werden", betont GI-Präsident Hannes Federrath. Bei allen einschlägigen Gesetzen müssten "strenge Vorgaben für die IT-Sicherheit" gelten.

Der Verein begrüßt daher die Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 2796/20) gegen das 2019 vom Bundestag beschlossene Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), die die Vorsitzende der Interessengemeinschaft Medizin (IG Med), Ilka Enger, und eine medizinische Fachangestellte Ende vorigen Jahres gemeinsam mit dem Anwalt Carlos Gebauer in Karlsruhe eingereicht haben. Das "Spahn-Gesetz" verletzt laut den Klägern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Patienten, deren medizinische Daten ohne Einwilligung an ein zentrales Forschungszentrum weitergeleitet und dort für Big-Data-Analysen zur Verfügung gestellt würden.

Die von ärztlicher Seite vorangetriebene Beschwerde gegen das DVG biete "nun die Gelegenheit, zunächst den aktuellen Zustand der IT-Sicherheit genauer zu ermitteln, bevor weitere Schritte der Digitalisierung des Gesundheitswesens unternommen werden", erklärte Martin Weigele vom Präsidiumsarbeitskreis Datenschutz und -sicherheit der GI. Würden Ärzte auf Basis des Gesetzes gezwungen, mit teilweise unsicheren IT-Systemen des Gesundheitswesens digitalisierte Patientendaten zu übermitteln, drohten schwere, nicht mehr rückgängig zu machende Grundrechtsbeeinträchtigungen für die Betroffenen.

Einen Eilantrag gegen die Auswertung der Krankenversicherungsdaten auf Grundlage des Versorgungsgesetzes hatte das Bundesverfassungsgericht im März "bei offenen Erfolgsaussichten" in einem späteren Verfahren abgelehnt. In dem Beschluss stellten die Karlsruher Richter aber fest, dass "vor allem in Anbetracht des teils sensiblen und in hohem Maße persönlichkeitsrelevanten Charakters der genutzten Daten und der dabei breitflächigen Erhebung ein erheblicher Grundrechtseingriff" vorliege. Verstärkt werde dieser Effekt durch die "beträchtliche Menge" an Informationen, die ausgewertet und anderweitig weiterverarbeitet werden dürften. In der Zusammenschau könne sich dabei ein "intensiver Persönlichkeitsbezug" entfalten.

Silke Lüder von der Freien Ärzteschaft moniert, dass die Fahrt im Gesundheitswesen mit dem DVG und dem weiteren "Gesetzestsunami" von Spahn "rasant in Richtung Plattform-Medizin" gehe. Der Minister treibe umfassende zentrale Datensammlungen, den "Teledoktor und Totalvernetzung" voran. Ein großer Teil der Bevölkerung werde aber durch eine Medizin ausgegrenzt, in der Rezepte, Medikationspläne, Patientenakten und Gesundheitsanwendungen nur noch über Apps auf aktuellen Mobilgeräten liefen. Die als "Selbstverwaltung" konzipierte Gematik werde mittlerweile vom Gesundheitsministerium beherrscht. Herauskomme eine "digitale Ohnmacht, die von Algorithmen gesteuert wird".

(bme)