Online-Register: Bundesrat macht Weg frei für Steuer-ID als Bürgernummer

Die Länderkammer hat den Gesetzentwurf gebilligt, mit dem die Steuer-ID als "Ordnungsmerkmal" und Personenkennziffer etwa für Melderegister verankert wird.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 174 Kommentare lesen

(Bild: Sashko Tkachenko/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Bundesrat hat am Freitag dem umkämpften Gesetzentwurf zugestimmt, mit dem die Steuer-ID als Bürgernummer in die öffentliche Verwaltung eingeführt wird. Die Kennung kann damit künftig als übergreifendes Ordnungsmerkmal und Personenkennzeichen in gut 50 besonders relevanten Datenbanken von Bund und Ländern inklusive der Fahrzeug- und Melderegister genutzt werden. Das Gesetzesvorhaben ist nun so gut wie abgeschlossen.

Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern liefen gegen die Initiative von Anfang an Sturm. Für sie ist eine allgemeine Personenkennziffer im Sinn des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Volkszählungsurteils von 1983 eine Art "Gottseibeiuns" des Schutzes der Privatsphäre der Bürger.

Noch im Laufe der Woche appellierten mehrere Landesdatenschützer an ihre Regierungen, das Vorhaben zu stoppen. "Es gibt Lösungen, die ohne eine übergreifende Personennummer wie die Steuer-ID auskommen und deutlich datenschutzfreundlicher sind", betonte etwa die Leiterin des Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). So würden in Österreich sektorspezifische Personenkennziffern eingesetzt. Nichts spreche gegen eine "Vereinfachung in der Verwaltung" – "aber nicht so".

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags und andere Forscher hatten massive verfassungsrechtliche Einwände gegen die Reform vorgebracht. Der Bundesrat selbst sah damit zunächst die Nutzbarkeit der Steuer-ID insgesamt als gefährdet an, falls das Bundesverfassungsgericht das Gesetz kippen würde. Letzte Korrekturen des Bundestags stimmten die Landespolitiker aber milder.

Die geplante Registermodernisierung soll über eine Art übergreifende Suchmaske erfolgen. Um den gewünschten Datensatz anhand von Basisdaten wie Name und Anschrift in unterschiedlichen staatlichen Verzeichnissen finden zu können, ist eine Personenkennziffer nötig. Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern hatte hier empfohlen, auf der Steuer-ID aufzubauen und diese "um die für ein registerübergreifendes Identitätsmanagement" nötigen Elemente zu ergänzen. Sie erhielt dafür einen Big Brother Award.

Das Vorhaben gilt als wichtiger Schritt, um das auch die Länder in Zugzwang bringende Onlinezugangsgesetz (OZG) umzusetzen und mehr Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren. Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass Daten und Nachweise elektronisch übermittelt werden können. Dies soll nicht immer wieder neu geschehen, sondern nach EU-Vorgaben "once only". Dabei müssen Personenverwechslungen ausgeschlossen und die betroffenen Bürger im E-Government eindeutig identifiziert werden können.

Die Bundesregierung sah schon mit ihrem Entwurf das Selbstbestimmungsrecht gewahrt. Sie verwies auf das "4-Corner-Modell". Demnach sollen Daten nicht zwischen Behörden direkt getauscht, sondern über einen Mittelsmann fließen. Über ein "Datencockpit" werde es für die Bürger nachvollziehbar, welche Behörde wann aus welchem Grund auf welche Informationen zugegriffen habe.

Der Bundestag fügte weitere Schutzvorkehrungen ein. Die Verarbeitung der Identifikationsnummer ist demnach nur "zu Verarbeitungen zur Erbringung von Verwaltungsleistungen" nach dem OZG "aufgrund von Rechtsvorschriften oder mit Einwilligung der betroffenen Person sowie zum Zwecke eines registerbasierten Zensus" zulässig. Ob die ID in weiteren Registern genutzt werden darf, muss das Parlament separat entscheiden.

Aus der Liste der für eine virtuelle Vernetzung bestimmter Datenbanken strich der Bundestag das Schuldnerverzeichnis, das Insolvenzregister, das Rechtsdienstleisterregister, das Liegenschaftskataster sowie Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern. Die Bundesregierung ermächtigte das Parlament, durch eine Verordnung die Anzahl und die Abgrenzung der Sektoren zu bestimmen, in denen Daten zusammengeführt werden dürfen. Dabei solle das Risiko, ein vollständiges Persönlichkeitsprofil durch Datenübermittlungen innerhalb eines Bereichs erstellen zu können, wirksam begrenzt werden.

Einzelne vorgesehene Sektoren sind aber sehr weit gefasst. "Soziales" etwa soll von der Rente über die Krankenversicherung bis zur Jugendhilfe reichen, sodass sehr viele persönliche Daten zusammengeführt werden könnten. Die einmaligen Kosten der betroffenen Behörden für die Registerumstellung gab die Regierung mit "insgesamt bis zu 300 Millionen Euro" an. Dazu kommen sollen weitere Umsetzungskosten in den ersten vier Jahren von rund 108 Millionen Euro.

Viele von den Grünen mitregierte Länder, die jüngst im Bundesrat noch zusammen mit FDP und Linken die geplanten neuen Regeln zur Bestandsdatenauskunft und damit auch das Anti-Hass-Gesetz stoppten, trugen die Registermodernisierung trotz eines ausgemachten schwierigen Balanceaktes mit. Gefragt sei nicht der transparente Bürger, sondern die gläserne Verwaltung.

"Wir müssen beim E-Government endlich vorankommen", unterstrich auch der Grünen-Fraktionsvize im Bundestag, Konstantin von Notz. In der letzten Schlaufe der Wahlperiode habe die Bundesregierung eine Lösung präsentiert, "die auf verfassungsrechtlich extrem dünnen Eis gebaut ist". Die Grünen hätten über die Länderkammer wichtige Verbesserungen durchgesetzt. Dennoch bleibe die Frage der Verfassungskonformität aufgrund der Steuer-ID "das Damoklesschwert" über dem Beschluss.

Die IT-Dienstleisterverbände Databund und Vitako stehen hinter dem Gesetz. Sie machten jüngst aber auch Vorschläge, um seine Handhabe in der Praxis zu verbessern. Dazu könnten etwa Sperrvermerke, der Umgang mit Auskunftsdatenbanken und der Identifikation im Basisregister sowie der Ausbau des Datencockpits gehören. Die genannten Kosten halten sie für deutlich zu niedrig angesetzt.

(olb)