Infineon im Gegenwind
Infineon-Chef Ulrich Schumacher versuchte bei der Vorlage der miserablen Jahreszahlen Optimismus zu verbreiten.
Infineon-Chef Ulrich Schumacher bläst der Wind voll ins Gesicht. Die Halbleiterbranche durchlebt derzeit ihre schlimmste Krise, für das Geschäftsjahr 2000/01 musste die Siemens-Tochter einen Milliardenverlust ausweisen. 5000 Mitarbeiter müssen gehen, viele von ihnen wurden erst vor wenigen Monaten frisch eingestellt. Bis Ende September 2002 soll dadurch und andere Maßnahmen eine Milliarde Euro eingespart werden. Auch wenn Schumacher bei der Vorlage der Jahreszahlen versuchte Optimismus zu verbreiten und auf die solide Finanzausstattung verwies: Wirklich auf die Beine kommen wird der Konzern erst wieder, wenn sich die Preise für Speicherchips spürbar erholen.
Vor eineinhalb Jahren, als der 43-Jährige zum Börsenstart mit dem Porsche an der Wall Street vorfuhr, galt Schumacher als dynamischer Vorzeigemanager und möglicher Nachfolger von Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Die Bilder mit dem Sportwagen, die ihm im Abschwung immer wieder vorgehalten wurden, würde Schumacher im Nachhinein nicht noch einmal machen lassen. Schon weil ihm die IG Metall wegen des drastischen Stellenabbaus ohnehin schwere Vorwürfe macht. "Infineon wird nie wieder die Fachkräfte finden, die es braucht. Infineon ist als Arbeitgeber verbrannt", hieß es vor Bekanntgabe der Zahlen bei der IG Metall.
Doch der rapide Preisverfall bei Speicherchips zwingt Schumacher zum Handeln. "Der Marktzyklus war diesmal heftiger und schneller als alles, was wir bisher erlebt haben", sagte Schumacher. Als Infineon noch voll integriert in den Siemens-Konzern war, sei es leichter gewesen, gelassen zu bleiben und solche zyklischen Schwankungen abzufedern. Seit dem Börsengang aber steht Infineon auf eigenen Beinen. "Wir müssen unser Geld selber zusammenbekommen." Im Geschäftsjahr 2000/01 lag der Verlust vor Steuern und Zinsen bei 1,02 Milliarden Euro; der Nettoverlust betrug 591 Millionen Euro oder 0,92 Euro-Cent pro Aktie. Vor einem Jahr waren es tiefschwarze Zahlen in Höhe von 1,13 Milliarden Euro oder 1,83 Euro pro Aktie
Siemens hatte Infineon zum idealen Zeitpunkt an die Börse geschickt. Die Halbleitersparte verdiente vor allem mit Speicherchips viel Geld. Jetzt sieht das ganz anders aus. Die Preise für einen 128-MB-Speicherchip sanken bis Ende September binnen Jahresfrist von 15 auf unter einen Dollar. Die Herstellungskosten liegen laut Schumacher bei sechs Dollar. Auch in den kommenden Monaten können die anderen Infineon-Bereiche, die ebenfalls unter der Hightech-Krise leiden, die Verluste im Speicherbereich wohl nicht ausgleichen.
Am liebsten wäre dem Konzernchef eine deutliche Konsolidierung der Branche. Teil davon könnte ein Bündnis von Infineon mit dem Konkurrenten Toshiba sein. Bei einem Gemeinschaftsunternehmen hätte Infineon die Mehrheit und würde den Speicherbereich damit noch weiter ausbauen. Daher würde ein solcher Schritt nach Einschätzung von Analysten nur Sinn machen, wenn Infineon das neue Unternehmen ausgliedert und in spätestens eineinhalb Jahren auf dem Höhepunkt des nächsten Zyklus an die Börse bringt. Schumacher betonte allerdings, dass er auf absehbare Zeit am Speichergeschäft festhalten will.
Ob mit oder ohne Toshiba: Schumacher sieht die Zukunft des Unternehmens als gesichert an. Dank eines hohen Cash-Bestands und ungenutzter Kreditlinien werde Infineon das laufende Jahr ohne Kapitalerhöhung überstehen. Außerdem würden Analysten für 2002 ein moderates Wachstum erwarten. Die Anleger nahmen die Nachricht trotz der schlechten Zahlen erleichtert auf. Mit einem Plus von fast acht Prozent setzte sich Infineon an die Spitze der DAX-Unternehmen und erinnerte an frühere, goldene Börsenzeiten. (Axel Höpner, dpa) / (anw)