Missing Link: Das Internetgewissen – von Kämpfen und Providern (Michael Rotert)

Das Ziel war die Einschreibung für ein Elektrotechnik-Studium in Karlsruhe. Angekommen entschied sich Michael Rotert um. Die Schlange für Informatik war länger.

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(Bild: akedesign/Shutterstock.com)

Lesezeit: 47 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Die erste Generation deutscher Netzpioniere zieht sich allmählich zurück und nimmt einen reichen Wissensschatz über die Geschicke des Netzes in Deutschland und manche harte Debatte um Protokolle und Politik mit. In unserer Serie sprechen wir heute mit Michael Rotert, der das Beste fürs Netz versuchte und vielleicht nur einmal auf Abwege kam.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Dies ist eine weitere Folge unserer Gesprächsserie mit Pionieren des deutschen Internets:

Michael Rotert – Das "Internetgewissen"

Fast wäre Michael Rotert in der falschen Schlange gelandet. Aber nach Informatikstudium/Wirtschaftsstudium in Karlsruhe wurde er der vielleicht sichtbarste Vertreter und Vorkämpfer der ersten Internet Service Provider in Deutschland und Europa. Mit Stationen bei Xlink, KPNQwest und Via kannte er die Provider. Er hatte seine Finger bei der Gründung des eco Verbands im Spiel, für den er nach langjähriger Vorstandsmitgliedschaft nach wie vor als Ehrenpräsident aktiv ist. Er war lange Präsident des EuroISPA und zoffte sich mehr als einmal mit dem BKA-Präsidenten. Auch die Denic und den DE-CIX hat er mit aus der Taufe gehoben. Als "Internetgewissen" meldete er sich beim Europarat in Straßburg – "bei mir um die Ecke" – sprach vor den G8- und EU-Staaten über Cybersecurity und dem Unsinn der Vorratsdatenspeicherung. Nicht immer war er erfolgreich im Angesicht politischer Wiedergänger. Kämpferisch geblieben ist er bis heute und vertritt die Interessen der Branche nach wie vor, von Landau aus, demnächst beim virtuellen Ministertreffen des Europarates.

heise online: Was hat Sie denn zur Informatik gebracht?

Michael Rotert: Das ist eigentlich eine witzige Geschichte. Ich habe während der Schulzeit alte Fernseher gesammelt. Die habe ich repariert und dann wieder verkauft, an Kollegen, für 10 Mark. Ich hatte dadurch ein Zimmer voll mit Fernsehern, obwohl meine Eltern selbst völlig gegen das Fernsehen waren. Sie haben uns nicht erlaubt fernzusehen und besaßen selbst kein Gerät. Aber ich hatte zeitweilig 17 Geräte. Das Ergebnis dieser Arbeiten war, dass ich entschieden habe Elektrotechnik zu studieren.

Damals gab es ja keine Zulassungsbeschränkungen. Man ging einfach an die Uni, an die man wollte, nahm das Abizeugnis mit und schrieb sich ein. Ich ging also nach Karlsruhe, um mich einzuschreiben und bei der Zulassungsstelle gab es neben mir da so eine lange Schlange. Ich habe die Leute gefragt, für was steht ihr denn alle an hier und die sagten, Mensch, ganz neu hier, Informatik. Da bin ich einfach rechts rüber, in die andere Schlange rein.

heise online: Das war natürlich ein starkes Motiv. Ich habe auch gelesen, dass sie zu Computern dann ähnliche Gefühle entwickelt haben wie zu den alten Fernsehern. Sie haben bis heute noch einen PC und einen Apple der ersten Generation…

Michael Rotert: Ja. Die habe ich noch, und die funktionieren auch immer noch. Im Moment stehen sie aber als Ausstellungsstücke beim Eco, beziehungsweise beim DE-CIX in Frankfurt, nach einem Gastspiel bei der Messe in Frankfurt. Ich habe nicht mehr so viel Platz.

heise online: Haben Sie die Geräte denn immer wieder angeschaltet, um zu prüfen, ob die noch funktionieren?

Michael Rotert: Genau. Manchmal ergab sich das für einen Event. Manchmal war mir einfach nach Spielen zumute. Auf dem Apple konnte man Golf spielen und ich hatte auch Turbo Pascal und ähnliches drauf. An den Apple habe ich immer mal wieder hingelangt, um ihn doch noch ins Internet zu bringen. Das hat aber einfach nicht geklappt. Beim IBM PC habe ich es dagegen geschafft. Der hat noch MS-DOS 6 gefahren, die letzte MS-DOS-Version. Das war, was er noch vertragen hat.

heise online: Sie haben 1971 Informatik studiert, dann aber gleich ein Wirtschaftsstudium angehängt, warum?

Michael Rotert: Das ist einfach erklärt. Ich habe Informatik nur bis zum Vordiplom gemacht. Danach bin ich umgestiegen, denn die Informatiker waren zu der Zeit Edelprogrammierer. Ich habe mir gesagt, ok, Programmieren ist gut, ich mach das auch gerne. Aber im Grunde will ich etwas anderes machen. Daher habe ich Wirtschaftswissenschaften mit den Nebenfächern Operation Research und Informatik gemacht.

heise online: So eine Kombination gab es da schon…

Michael Rotert: Ja. Beides war ganz am Anfang. Ich habe dann im Bereich Informatik meine Diplomarbeit bei den Wiwis gemacht und direkt anschließend auch in der Informatik angeheuert.

heise online: Bei Professor Zorn…

Michael Rotert: Erst bei Professor Krüger und das war nicht mein ursprünglicher Plan. Ich hatte an der Uni Karlsruhe das Prozessrechner-Labor betreut, da konnte man eine Eisenbahn programmieren und solche Geschichten. Ein befreundeter Kollege aus diesem Labor war zu Digital Equipment gegangen und da wollte ich auch hin. Als ich alles beieinander hatte, griff bei Digital Equipment ein Einstellungsstopp. Daher blieb ich in der Uni bei Krüger. Nach dreieinhalb Jahre wurde ich dann von Zorn abgeworben. Bei ihm habe ich die Nachfolge von Jürgen Gulbins angetreten, der damals schon einen Namen in der UNIX Szene hatte.