Robo-Autos: Soll autonomes Fahren schon für Privatpersonen zulässig sein?

Verbraucherschützer warnen den Gesetzgeber bei einer Anhörung, autonome Fahrfunktionen bereits für Private freizugeben. Forscher haben weniger Bedenken.

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(Bild: Buntoon Rodseng/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung will autonome Fahrzeuge in festgelegten Betriebsbereichen wie Shuttle-Verkehren oder beim Einparken auf die Straße bringen. Dieser Einsatz sei sinnvoll für gewerbliche Anwendungsfälle, um etwa den Anschluss an öffentliche Verkehrsmittel auch ohne eigenes Auto zu gewährleisten, erklärte Marion Jungbluth vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) am Montag bei einer Anhörung zu dem Gesetzesvorhaben im Bundestag. Sie stellte aber auch klar: Eine Betriebserlaubnis für private Halter sollte es noch nicht geben.

"Olga Normalverbraucher plündert ihre Spardose für ein autonomes Auto", warnte Jungbluth vor überzogenen Erwartungen potenzieller Anwender. 150.000 Euro blättere sie für so ein Fahrzeug hin. Damit kämen auf die Halterin dann zwar "viele neue Aufgaben" zu: Sie müsse etwa alle sechs Monate eine Hauptuntersuchung, nach 90 Tagen eine erste Gesamtprüfung und täglich eine erweiterte Abfahrtskontrolle durchführen, wenn sie einen festgelegten Betriebsbereich beantragt habe. Da eine Deaktivierung auch im laufenden Betrieb möglich sein sollte, sei Personal nötig für die vorgesehene "Technische Aufsicht" (TA): Die "professionelle Betreuung" schlage vielleicht mit 1000 Euro im Monat zu Buche.

Die technikbegeisterte Nutzerin habe damit aber noch lange kein "attraktives Gesamtpaket", erläuterte die Verbraucherschützerin. Das einzige, was ihr nun statthaft sei: "Sie kann ihrem Schlitten beim Einparken zusehen." Einen anderen Anwendungsfall für private Halter gebe es laut dem Entwurf nicht. Diese Funktion sei zudem schon 2017 ein Versprechen beim Gesetz für das hochautomatisiertes Fahren gewesen. Die dafür nötigen Details habe das Bundesverkehrsministerium aber bislang nicht in einer zugehörigen Verordnung vorgesehen.

Für Jungbluth ist es "Quatsch", mit der Initiative privates autonomes Fahren genauso zu definieren wie beim Einsatz bei öffentlichen Verkehrsbetrieben. Freigegeben würden so allenfalls Robo-Autos als "Luxussegment für Millionäre". Für eine breite Akzeptanz selbstfahrender Pkw wären dagegen "sichtbare Erfolgsstorys" gefragt. Es wäre daher besser, Regeln für private Fahrer aus den Erfahrungen mit dem geplanten Gesetz in der nächsten Legislaturperiode aufzustellen.

Die Privatnutzung der Technik sei "nicht sichergestellt", warnte der Vorsitzende des Vereins Algoright, Stefan Hessel. Es drohten aktive Cyberangriffe auf die grundlegend neue Technologie, über die etwa Terroristen ein Auto übernehmen oder Kriminelle das Fahrzeug mit Ransomware verschlüsseln könnten. Dazu kämen passive Attacken etwa über manipulierte Verkehrszeichen, die das System falsch interpretiere. Ferner könnten die Vehikel als Angriffsmittel etwa als Teil eines Botnetzes verwendet werden.

Über die Vorgaben der UNECE gebe es zwar internationale Regeln etwa für Updates, Authentizität und die Auslesbarkeit von Daten, erläuterte Hessel. Diese müssten dann über eine Verordnung noch deutlicher umgesetzt werden. Um gewerbliche Räume für die "Erprobung und Evaluierung" im Rahmen einer Vorstufe einer umfassenden Regulierung zuzulassen, reiche dies aus. Privatpersonen seien aber auch schon wegen der Aufklärungs- und Informationspflichten aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die sich etwa aus dem Einsatz von Überwachungskameras ergäben, als verantwortliche Halter ungeeignet. Der Anwalt empfahl, offene technologische und rechtliche Fragen am besten auf europäischer Ebene zu klären.

Barbara Lenz, Beraterin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), hielt es dagegen für falsch, "gewisse Betriebsformen wie den privaten Pkw auszuschließen". Nicht nur die Öffentlichen könnten ihr Angebot mit autonomen Funktionen attraktiver machen. Auch Verbraucher müssten sich damit "nicht mehr mit der Fahraufgabe beschäftigen" und könnten sich etwa "zu jeder beliebigen Zeit abholen und absetzen" lassen. Allgemein sollten legale Betriebsbereiche festlegbar sein.

Ihre Kollegin Katharina Seifert, die beim DLR das Institut für Verkehrssystemtechnik leitet, plädierte ebenfalls dafür, "alle Optionen offen" zu halten. Es sei möglich, über die Technische Aufsicht die Risiken "einigermaßen im Griff" zu behalten und die Kontrollaufgaben an "geeignete Stellen" zu delegieren. Insgesamt handle es sich um einen "richtigen Schritt", um überschaubare Projekte nach vorne zu bringen. Punkte wie die "notwendige Balance zu hoheitlichen Aufgaben" und anderen Aspekten wie den Klimazielen und der Verkehrssteuerung würden aber noch nicht vollständig abgedeckt.

Es sei vernünftig, über definierte Betriebsbereiche und die Technische Aufsicht "Inseln reduzierter Komplexität" zu schaffen und Erfahrungen zu sammeln, erklärte auch der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE), Peter Liggesmeyer. Ob es bereits ein Geschäftsmodell für den Individualverkehr gebe, bezweifle er zwar. Trotzdem habe der Ansatz den Charme, auch im privaten Bereich "Erprobungen relativ formlos durchführen" zu können. Der Rest sollte dem Markt überlassen werden. Wichtig sei dabei, dass die lernenden Systeme Erkenntnisse im laufenden Betrieb hinzufügen können sollten.

Zu diesem Zweck forderte Jürgen Bönninger von der Firma FSD Fahrzeugsystemdaten eine übergeordnete Stelle wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), die "Verkehrsobjektdaten" und Messwerte aus einzelnen Fahrszenarien mithilfe eines zentralen Registers auswerte. Dies könne dazu beitragen, "dass sich das Fahrzeug verbessert". Andererseits müsse es auch möglich sein, bei Verstößen Updates zu erzwingen, Funktionen abzustellen oder eine Betriebserlaubnis zurückzunehmen.

Autonome Autos könnten einen "wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit" leisten, gab sich der Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), Walter Eichendorf, zuversichtlich. Der Entwurf weise hier aber noch Lücken auf, etwa bei einer "kontinuierlichen Feldüberwachung" und Vorgaben für das Sammeln aggregierter, anonymisierter "Umfelddaten" für die Fehlererkennung, die Unfallanalyse. Es reiche nicht aus, für die Betriebserlaubnis auf eine "Herstellererklärung" abzustellen. Updates müssten vom KBA genehmigt, Haftungsfragen geklärt werden. Der vzbv sieht hier ebenfalls noch massiven Korrekturbedarf.

Impulse für die Mobilitäts- und Verkehrswende erwartet Martin Schmitz vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) von dem Vorhaben. Robo-Autos könnten vor allem im ÖPNV helfen, Verkehr und Abgase zu reduzieren. Hessel sah sie dagegen bei falsch gesetzten Rahmenbedingungen eher als Konkurrenz für die Öffis. Schmitz warb zudem dafür, dass ein Führer bei der Technischen Aufsicht nicht nur eines, sondern mehrere Fahrzeuge betreuen dürfen sollte. Bei Updates müsse der Hersteller in der Pflicht sein, nicht der Halter oder der Betreiber.

(mho)