Streit um BelWü-Dienst für Schulen: "so schlecht isch dehs Moodle feih ed"

Die alte Landesregierung sagt, dass das Vergabe- und Steuerrecht den Auszug der Schulen aus BelWü begründen würde. Viele Fragen bleiben aber unbeantwortet.

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(Bild: rvlsoft/Shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Baden-Württembergs Schulen sollen die gerade lieb gewonnenen IT-Dienstleistungen des Landeshochschulnetzes BelWü zukünftig nicht mehr in Anspruch nehmen dürfen. Die Begründung der zuständigen Ministerien wirft allerdings weitere Fragen auf. Was passiert da im Ländle? Widerstand formiert sich.

Laut dem Kultusministerium und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst (MWK) in Baden-Württemberg sei das Herauslösen der Schul-IT-Dienste aus dem Landeshochschulnetz zwingend. Grund dafür sei das Vergabe- und Steuerrecht sowie die Konzentration des BelWü auf seinen Kernbereich – die Hochschulen. Zugleich verwiesen die Ministerien auf den gestreckten Zeitplan und die angebotene Hilfestellung für den Umzug.

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Wie sollte die Digitalisierung in unseren Schulen umgesetzt werden? Wie beeinflusst die Coronavirus-Pandemie das Geschehen? Was wurde im Schuljahr 2020/2021 erreicht - wie ging es 2021/2022 weiter? Das möchte unsere Artikelserie beleuchten.

So versprach das MWK am Montagabend auch "feste Zusagen", um die über den zwangsweisen Abschied vom BelWü entsetzten Schuladministratoren und Lehrkräfte zu beruhigen. Es werde an einer langfristigen Lösung für die Schulen gearbeitet und bis diese stehe, sei die Versorgung mit IT-Leitungen über das Hochschulnetz sicher, schrieb das Ministerium in seiner Pressemitteilung.

Als ein wenig aufgebauscht, bezeichneten Sprecher des MWK und des Kultusministeriums die Aufregung nach der Ankündigung am Freitag. Es handele sich keineswegs um einen Rausschmiss.

Vielmehr, so unterstrich das MWK, werde das BelWü "frühestens ab dem 1. Oktober 2021 bis zum 28. Februar 2023 schrittweise und sukzessive das Hosting von Webauftritten einstellen". Den Schulen bleibe für den Umzug ihrer Homepages sowie der auf dem eigenen Webspace betriebenen Dienste also eine Vorlaufzeit.

"Selbstverständlich lässt BelWü die Schulen nicht im Regen stehen, sondern hilft auch in der Übergangszeit", sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Das Hochschulnetz BelWü habe "in der Corona-Pandemie den Schulen unmittelbar und gerne geholfen. Dies kann wegen der begrenzten Kapazitäten allerdings nur eine Nothilfe und Brücke sein und ist nicht als Dauerlösung möglich." Zudem wird laut der Pressemitteilung sogar zusätzliches Personal bei BelWü aufgebaut, "sodass die Schulen beim Umzug der Dienste technisch beraten werden".

Darüber hinaus werde sichergestellt, "dass alle für den Fernunterricht und die Kommunikation der Schulen unerlässlichen Dienste wie E-Mail und das Lernmanagementsystem Moodle in der Landeslösung nötigenfalls bis 2024 sowohl weiterbetrieben als auch weiterentwickelt werden".

Danach soll Moodle im Rahmen der Digitalen Bildungsplattform fortgeführt werden, ergänzt das Kultusministerium. Die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung der Dienste werde das Kultusministerium treffen und die Schulen Anfang 2022 über den Sachstand informieren.

Ein Sprecher des Kultusministeriums erläuterte gegenüber heise online, drei Gründe machten die jetzt beschlossene Migration unerlässlich: So unter anderem das 2023 geltende neue Vergabe- und Steuerrecht. Mehr Details hierzu waren von beiden Ministerien allerdings nicht zu erfahren.

Gänzlich unmöglich machten die Vorgaben einen Schul-IT-Betrieb vielleicht nicht, räumte der Sprecher des KMK ein. Doch mit der jetzt getroffenen Entscheidung sei ein anderer Kurs unwahrscheinlich. Weitere wichtige Gründe seien die vom MWK bereits 2019 anvisierte "Refokussierung" des Hochulnetzes auf die Hochschulen und Kapazitätsengpässe beim BelWü. Man spreche hier "von zwingenden Veränderungen". Diese resultierten nicht aus einer Initiative des Kultusministeriums und seien auch schon länger bekannt.

Im 97. Arbeitsbericht des BelWü, dessen Berichtszeitraum bis Anfang März reicht, klingt das allerdings etwas anders. Auch dort wird von der enormen Arbeitsbelastung des Landeshochschulnetzes beim Schulsupport berichtet. Der zweite Lockdown habe eine Steigerung gebracht und habe die Grenze des Zumutbaren für manche überschritten – dazu gehörten etwa auch sieben-Tage-Einsätze. Der Bericht stellt aber fest: Trotz dieser widrigen Rahmenumstände ist es in den letzten Monaten sogar gelungen, Prozesse der Weiterentwicklung anzustoßen, diese weiter voranzutreiben und zu dokumentieren.

Im aktuellen BelWü-Bericht wird gezeigt, wie stark das Hochschulnetz in den vergangenen Jahren gewachsen ist.

Eine Hotline-Support-Betreuung, und ein Ticketsystem für die Abarbeitung sei auf die Beine gestellt und ein Projekthandbuch für den Schulsupport angelegt worden. "Die Motivation im Schulsupport-Team ist weiterhin weit überdurchschnittlich", steht da. Die Schlagartigkeit und Vehemenz, mit der die Ministerien kurz vor Ende der Benennung einer neuen Regierung in Baden-Württemberg, jetzt das Ende des BelWü-Schulsupports ankündigen, den es tatsächlich seit 1987 gibt, sei ein Schlag ins Gesicht derer, die in den vergangenen 12 Monaten das Kind geschaukelt haben, heißt es von Beobachtern.

Zugleich wird im BelWü-Bericht deutlich, wie viele neue Arbeit gerade auf die Schulen zukommt, von denen manche in den vergangenen Monaten notgedrungen mehr Digitalisierung gemacht haben als in mehreren Stufen des gescheiterten Schulprojekts Ella. Bis vor kurzem vielerorts im Land noch undenkbar, gelte selbst an den Grundschulen mittlerweile: "So schlecht isch dehs Moodle feih ed" - so heißt es zumindest auf den diversen einschlägigen Mailinglisten.

Nicht zuletzt erwarten die Praktiker Probleme bei der Internetanbindung der Schulen und den VPNs für die Sekretariate. 3223 Schulen sind derzeit laut Bericht ans BelWü angebunden, davon nur 414 über Stadtnetze und 82 über Standleitungen und Funknetze. 3423 Anschlüsse werden über DSL und Kabelprovider bereitgestellt. Um insgesamt 20 Prozent hat die Zahl der Anschlüsse in den 5 Monaten des Berichtszeitraums zugenommen und die breitbandigen Anschlüsse mit statischen IPs und eigenen IP-Subnetzen seien nicht einfach zu realisieren. Wenn die Schulen sich damit am freien Markt versorgen sollen, könnte es ganz schön chaotisch werden, sagt ein Experte. Erste Unterschriftlisten der Schulen für den Erhalt der BelWü-Brücke kursieren daher auch bereits im Netz.

Wer die gesamte Liste der vom BelWü erbrachten Dienste anschaut, könnte noch mehr Unheil fürchten, denn mit Mail-, Moodle-, Websupport und Big Blue Button ist es noch lange nicht getan. Sie reichen von Hardware-Wartung und Cisco-Support, Virtualisierung, Installation und Wartung von virtuellen Maschinen und der Unterstützung von weiteren PHP- und MySQL-basierenden Serveranwendungen – etwa für DokuWiki – bis hin zu Monitoring, Spamfiltern und den gerade in der Politik so beliebten Jugendschutzfiltern.

Die Pressemitteilungen der Ministerien klingen eher beschwichtigend. Laut dem Sprecher des Kultusministeriums ist zwar das Ende der zentralen BelWü-Dienste nun beschlossen, die Entscheidung darüber, wie man mit dem ins Auge gefassten neuen Angebot für "Email MS 365" und der darauf aufbauenden auserkorenen Lernplattform des Norwegischen Herstellers Itslearning umgehen will, sei aber offen.

Dabei hatte der Landesbeauftragte für den Datenschutz den Einsatz von MS 365 als datenschutzrechtlich unmöglich beurteilt, berichtete vergangene Woche aus internen Gesprächen die Badischen Nachrichten. Die MS-365-Entscheidung müsse, so Sprecher aus dem Kultusministerium und dem MWK übereinstimmend, die neue Landesregierung noch treffen. Anders als die BelWü-Entscheidung sei das noch offen.

(kbe)