Aktionsplan 2025: Wasserstoffrat fordert niedrigere Strompreise

Mit 80 Handlungsempfehlungen wollen Experten die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung mit Leben füllen. Ganz grün war sich das Gremium nicht.

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(Bild: petrmalinak/Shutterstock.com)

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Der Nationale Wasserstoffrat (NWR) wirbt angesichts der verschärften Klimaziele auf der europäischen und deutschen Ebene für das rasche Ankurbeln einer Wasserstoffwirtschaft. "Die Bedeutung von Wasserstoff wird durch diese neuen Zielvorgaben grundsätzlich steigen", erklärt das Gremium in seinem am Freitag veröffentlichten "Aktionsplan Deutschland" für die Jahre bis 2025. Durch kontinuierliche Technologieverbesserungen ließen sich Treibhausgas-Emissionen umfassender und effizienter reduzieren. "Weitgehend klimaneutraler Wasserstoff" werde bei dieser Transformation eine zentrale Rolle spielen.

"Leitendes Prinzip muss dabei sein, Investitionen in Anlagen zu tätigen, die Klimaneutralität, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit miteinander verbinden", arbeiten die 26 Experten heraus. Sie beraten die Bundesregierung und übergaben ihr gut 50-seitiges Werk nun Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Zunächst werde "Erdgas eine zentrale Rolle spielen, um Kohle als Energieträger abzulösen", ist darin nachzulesen. Ziel sei es aber, auch diesen fossilen Brennstoff so bald wie möglich "sukzessive durch weitgehend klimaneutralen Wasserstoff zu ersetzen".

Im Kern plädiert der NWR, dem etwa die Ökonomin Veronika Grimm, Daimler-Truck-Vorstand Sven Ennerst, Siemens-Manager Christian Bruch und Linde-Vizepräsident Andreas Opfermann angehören, so für den anfänglichen Einsatz auch von blauen, aus fossilem Erdgas gewonnenen Wasserstoff vor allem in der Industrie. Damit berührt er einen wunden Punkt, da die Regierung mit ihrer gut ein Jahr alten Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) die Parole ausgegeben hat, vor allem grünen Wasserstoff zu nutzen, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Für diesen sollten "entsprechende Wertschöpfungsketten" etabliert werden.

Auch die Exekutive hat blauem oder türkisem H2 aus Wärmeenergie in der NWS aber nicht ganz die rote Karte gezeigt. Der Rat sieht die Regierung so nun unter Zugzwang, mit Blick auf die Klimaziele hier "eine politische Richtungsentscheidung" zu treffen. Inwieweit die umstrittenen Erzeugungsformen bei der Produktions und Anwendungsförderung bevorzugt seien, werde "signifikante Auswirkungen auf die Ausgestaltung der verschiedenen Förderinstrumente haben".

Der NWR stellt zugleich klar: Angesichts der anvisierten Ausdehnung der Erzeugungskapazitäten müssten die Ausbaukorridore für zusätzliche und für die Wasserstoffnutzung bestimmte Solar- und Windkraft im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhöht sowie "Maßnahmen zur kurzfristigen Erschließung zusätzlicher Potenziale in allen Bereichen der regenerativen Stromerzeugung getroffen werden". An erster Stelle stehe generell die Verfügbarkeit grünen Wasserstoffs, gefolgt von der Erfassung des CO2-Fußabdrucks der in den industriellen Verfahren eingesetzten Gase durch die Einführung einheitlicher Herkunftsnachweise.

Für dringend erforderlich hält es das Gremium, die in Deutschland vergleichsweise hohen Strompreise deutlich zu senken. "Die Koordination zahlreicher Akteure über mehrere Sektoren hinweg erfordert dringend eine Erhöhung der Effektivität marktorientierter Anreize", schreiben die Experten. Dazu gelte es, "die CO2-Bepreisung in allen Sektoren zu stärken" und im Rahmen einer Abgabenreform insbesondere den Strompreis von der EEG-Umlage zu befreien. Ferner müsse die Stromsteuer massiv sinken. Dies würde Haushalte sowie Unternehmen entlasten und Anreize für Investitionen schaffen.

"Die Stromkosten bleiben der größte Preistreiber in der Erzeugung grünen Wasserstoffs", heißt es. Mit der derzeitigen Ausgestaltung der deutschen Strompreisbestandteile werde der Zündfunken für die Wasserstoffwirtschaft zumindest wesentlich erschwert. Das Kostendelta zwischen fossilen und erneuerbaren Energieträgern wie grünem H2 beruhe in großen Teilen auf regulatorisch bedingten Preisbestandteilen. Eine Reform des Steuer, Abgaben und Umlagesystems müsse daher dringend in der kommenden Legislaturperiode erfolgen.

Insgesamt enthält der Plan 80 Vorschläge für die nächste Bundesregierung. Auch bei staatlichen Förderinstrumenten zeigt der NWR kurzfristige Entwicklungsbedarfe auf. Aus seiner Sicht ist der Zeitraum bis 2030 generell "die entscheidende Etappe für den Klimaschutz und die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas". Dabei müsse die forcierte Industrialisierung mit weiteren Forschungsaktivitäten Hand in Hand gehen. Die Wissenschaft werde weiterhin etwa bei der Entwicklung weiterer Generationen neuer Technologien sowie bei der Skalierung der Produktion etwa in den Bereichen Brennstoffzelle und Elektrolyse entscheidend sein.

Allgemein hält der Rat "einen umfassenden, flächendeckenden Einsatz von Wasserstoff in allen Sektoren" wie Industrie, Mobilität, Wärme und Energie für alternativlos. Da sich keine anderen Alternativtechnologien mit Potenzial für den Masseneinsatz abzeichnen, ist er überzeugt, "dass im landgebundenen Verkehr der Schwerpunkt auf batteriebetriebenen Fahrzeugen und solchen mit Wasserstoff und Brennstoffzellenantrieben liegt". Darüber hinaus würden E-Fuels in einigen Anwendungsbereichen zum Einsatz kommen und langfristig noch über mehr als 40 Jahre benötigt. Dabei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Strom aus Wasser und CO2 produziert werden.

Bei Pkws trieben die Autobauer die batterieelektrische Mobilität selbst voran, wissen die Experten. Im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge erfolgten jedoch Investitionen auch in Speichertechnologien für H2. Dafür sei der Aufbau eines "qualitativ hochwertigen Wasserstofftankstellennetzes" notwendig. Zudem kämen gerade auf der Langstrecke im Luftverkehr "weitgehend klimaneutrale, wasserstoffbasierte Kraftstoffe zum Einsatz". Im Kurz und Mittelstreckenluftverkehr könnte auch Flüssigwasserstoff um 2035 herum zu CO2-Einsparungen führen.

"Wasserstoff ist die Grundvoraussetzung für die Dekarbonisierung von Anwendungen, die sich technisch oder wirtschaftlich nicht sinnvoll auf grünen Strom umstellen lassen", betonte die NWR-Vorsitzende Katherina Reiche. Die Chefin der Eon-Tochtergesellschaft Westenergie bezeichnete die rasche Umsetzung der ins Spiel gebrachten Maßnahmen als unerlässlich.

Ganz einig war sich der NWR nicht. Die Klima-Allianz und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erinnern in einem Sondervotum daran, dass die Regierung bereits vor allem grünen Wasserstoff in den Blick genommen habe. Diese Perspektive gelte es finanziell und planerisch zu unterlegen. Alles andere sei mit dem Ziel eines klimaneutralen Energiesystems unvereinbar. Blauer oder türkiser Wasserstoff dürften nicht als gleichwertige Quelle etabliert werden. Im Mobilitätssektor sollte der Aufbau einer Infrastruktur zur Betankung von Wasserstoff-Pkws parallel zur E-Mobilität "gänzlich unterbleiben".

(bme)