Wasserstoff aus Biomüll: Start-up hat neues Verfahren entwickelt

Egal, ob Klärschlamm, Kompost oder Küchenabfälle: Bei 900 Grad zerfallen sie zu wertvollen Gasen.

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(Bild: Alexander Kirch/Shutterstock)

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Wasserstoff aus Abfall erzeugt ein patentiertes Verfahren der BHYO GmbH. Es verbindet zwei Pyrolyse-Techniken, um sie breiter einsetzen zu können.

Das Prinzip der Pyrolyse ist schon lange bekannt: Organische Materialien werden unter hoher Temperatur und Sauerstoffausschluss zerlegt. Dabei gibt es zwei grundlegende Verfahren. Bei der „autothermen“ Pyrolyse wird die nötige Hitze durch Verbrennung eines Teils der entstehenden Gase innerhalb des Reaktors erzeugt. Der Nachteil: Durch die Verbrennung sinkt die Ausbeute an gewonnenem Gas. Bei der „allothermen“ Pyrolyse wird die Wärme hingegen von außen zugeführt. Das macht es allerdings schwieriger, im Reaktor eine exakte und gleichmäßige Temperatur zu erzeugen – ein wichtiger Faktor für saubere chemische Prozesse.

„Pyrolyse im industriellen Maßstab ist bisher nur mit ganz hochwertiger Biomasse gelungen, zum Beispiel mit altem Bauholz“, sagt BHYO-Gesellschafter Bernd Bodeit. „Aber wir wollten ein Verfahren entwickeln, das auch mit schwieriger Biomasse funktioniert“ – etwa Klärschlamm, Grünschnitt, Lebensmittelreste, Biomüll, Kompost oder Gärreste aus Biogasanlagen.

Dazu hat das Start-up mit Sitz in Ludwigshafen die beiden Verfahren zu einem „Hybrid“-Modell zusammengeführt. Der Reaktor kann von außen mit einem beliebigen Brenngas beheizt werden, während auch im Inneren eine kontrollierte autotherme Pyrolyse stattfindet. „So verbinden wir die Vorteile unter Vermeidung der Nachteile“, sagt Bodeit.

Mit der Abwärme des Reaktors wird die Biomasse zunächst getrocknet. In Form von Pellets kommt sie dann in den Reaktor, wo sie Temperatur von rund 900 Grad ausgesetzt wird. Dabei entsteht eine Gasmischung, die überwiegend aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid besteht – sogenanntes „Synthesegas“. Der Betreiber einer Anlage kann daraus mit etablierten industriellen Prozessen beispielsweise Kohlenwasserstoffe herstellen oder den Wasserstoff abscheiden und in einer Brennstoffzelle verstromen.

„Wir haben 1500 Stunden Versuche in einer Testanlage gefahren und sind dabei auf eine Wasserstoff-Ausbeute von bis zu 50 Prozent gekommen“, so Bodeit. Aus einer Tonne Biomasse lassen bis zu 100 Kilogramm Wasserstoff herstellen, hat eine Begutachtung des Fraunhofer ISI und der TH Bingen ergeben. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens, so Bodeit: Es falle im Gegensatz zur klassischen Pyrolyse nur sehr wenig störendes Teer an.

Im Prinzip ließe sich der Reaktor auch autark betreiben, indem ein Teil des erzeugten Gases zum Heizen genutzt wird. „Es ist nur die Frage, wie sinnvoll das ist“, sagt Bodeit. Schließlich sei Wasserstoff viel zu wertvoll, um einfach verheizt zu werden. Faul- oder Biogas tut es auch.

„Unser Hauptkundenkreis sind Kommunen und Gebietskörperschaften“, so Bodeit. Bei ihnen fielen viel Klärschlamm, Biomüll und Grünschnitt an, deren Entsorgung durch strengere Vorschriften zunehmend schwierig werde. Um den gesamten organischen Abfall einer Stadt von 90.000 Einwohnern zu verwerten, wäre laut Modellrechnung eine Anlage von der Größe eines Fußballplatzes nötig. Sie könnte jährlich 500 bis 600 Tonnen Wasserstoff erzeugen. Das entspricht einem Energiegehalt von bis zu 20.000 Megawattstunden. „Damit kann man richtig was anfangen“, sagt Bodeit.

Derzeit existiert eine Versuchsanlage mit einer Kapazität von bis zu acht Tonnen im Jahr. Nach Angaben von Bodeit ist das Start-up im Gespräch mit fünf Kommunen, um die Anlage in der Praxis zu testen – mit einem nachgeschalteten Reinigungssystem, das den Wasserstoff abtrennt. Im Sommer nächsten Jahres, hofft Bodeit, werde man diese Anlage in Betrieb nehmen können. (grh)