Google-Tochter YouTube klagt gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Google wendet sich mit einem Eilantrag vor allem gegen die neue Meldepflicht strafrechtlich relevanter Inhalte ans BKA und das Gegenvorstellungsverfahren.

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(Bild: Michael Vi/Shutterstock.com)

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Im Namen der Tochterfirma YouTube hat Google Irland Klage beim Verwaltungsgericht Köln gegen die jüngsten Änderungen am Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) eingelegt. Hauptsächlich geht es um die neue Meldepflicht von Betreibern großer sozialer Netzwerke für strafrechtlich relevante Inhalte ans Bundeskriminalamt (BKA) sowie das sogenannte Gegenvorstellungsverfahren rund um entfernte Beiträge.

Google hat einen Eilantrag gestellt, um zu erwirken, dass YouTube die neuen Auflagen nicht erfüllen muss (Az.: 6 L 1277/21). Ferner will der Konzern im Hauptsacheverfahren endgültig geklärt wissen, ob die Pflichten Bestand haben und so einen dauerhaften Rechtsschutz erzielen (Az.: 6 K 3769/21). Dies bestätigte ein Gerichtssprecher gegenüber heise online. Wann eine Entscheidung ergehe, sei noch offen. Ein Eilverfahren dauere im Schnitt zwei bis drei Monate, eine Entscheidung mit einer Hauptverhandlung ein Jahr.

Mit dem Gesetz "zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität" führte der Bundestag voriges Jahr die nun von Google angegriffene Pflicht für Betreiber großer sozialer Netzwerke wie Facebook, TikTok, Twitter und YouTube in Paragraf 3a NetzDG ein, strafrechtlich relevante Inhalte wie Hassbeiträge, Terrorismuspropaganda oder Bedrohungen und Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs nicht mehr nur zu löschen, sondern parallel unaufgefordert – zusammen mit IP-Adresse und Portnummer – ans BKA zu melden.

Netzpolitisch aktive Vereine monierten bereits während des Gesetzgebungsverfahrens, dass eine umfassende "Verdachtsdatenbank" in Form eines polizeilichen Zentralregisters beim BKA entstehe, was rechtsstaatliche Dämme breche. Die Meldevorgabe für Diensteanbieter führe unweigerlich dazu, dass massenhaft Bürgerdaten ans BKA weitergeleitet werden, beklagte der IT-Verband Bitkom. Dabei könnten die Unternehmen die Strafbarkeit der Nutzer gar nicht abschließend bewerten. Das Gesetz sehe zudem keine spezifische Löschfrist vor. Systematisches Datensammeln auf Verdacht breche mit der gängigen Rechtspraxis.

Das sogenannte Anti-Hass-Gesetz verzögerte sich wegen des langen Streits über die damit auch verknüpfte Verschärfung der Bestandsdatenauskunft. Im April wurde es nach einem dazu gefundenen Kompromiss im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Klausel zur Meldepflicht soll am 1. Februar 2022 in Kraft treten.

Das bereits greifende Gegenvorstellungsverfahren hatte der Bundestag erst Ende Juni mit der jüngsten NetzDG-Reform verabschiedet. Es soll bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen einem Nutzer und dem Anbieter eines sozialen Netzwerks, ob gemeldete Inhalte gelöscht werden müssen oder nicht, zum Einsatz kommen. Die Betreiber sind damit verpflichtet, auf Antrag eines Mitglieds ihre Entscheidungen zum Entfernen oder Beibehalten von Beiträgen – auch aufgrund ihrer Geschäftsbedingungen – zu überprüfen und das Ergebnis gegenüber dem Betroffenen "in jedem Einzelfall zu begründen".

Bei diesem in Paragraf 3b NetzDG verankerten "Put-Back-Mechanismus" sollen YouTube & Co. sicherstellen, "dass eine Offenlegung der Identität des Beschwerdeführers und des Nutzers in dem Verfahren nicht erfolgt". Name und Anschrift dürften auch nicht "etwa versehentlich mit dem Antrag" an den Nutzer weitergeleitet werden, "für den der Inhalt gespeichert wird".

Google hatte diesen Ansatz im Gesetzgebungsprozess scharf kritisiert: Erneut würden damit "faktisch staatliche Aufgaben mit in alle Richtungen nachteiligen Effekten auf Private" verlagert, meinte das Unternehmen. "Selbst bei Anonymisierung der personenbezogenen Daten des Betroffenen kann die vollständige Anonymität nicht gewährleistet werden." Der Antragsteller laufe Gefahr, "dass möglicherweise gewaltbereite, rechtsextreme Gruppierungen ihn identifizieren können".

Die Klage richtet sich zudem gegen Teile der Paragrafen 3e und 4a NetzDg, in denen es um Aufsichtsfragen und die dafür zuständigen Behörden geht. Mittelfristig könnten so auch europarechtliche Fragen wie die des Herkunftslandprinzips berührt werden: Laut der E-Commerce-Richtlinie gilt eigentlich das Recht des EU-Sitzlandes für Google, also Irland. Ausnahmen sind nur in gut begründeten Fällen zulässig. Die EU-Kommission hatte sich daher vorab kritisch geäußert. Sie drängt auf einheitliche und transparente Verfahren im Rahmen der geplanten Digital Services Act. Vor allem diesen Streitpunkt könnte das Verwaltungsgericht auch dem Europäischen Gerichtshof vorlegen.

Google unterstütze die Ziele des NetzDGs, rechtswidrige Hass-Inhalte schnell zu entfernen und Straftäter konsequent zu verfolgen, betonte ein Konzernsprecher. Die jüngsten Novellen griffen aber in fundamentale Nutzerrechte ein. Von Anbietern wie YouTube werde verlangt, "dass sie automatisch, massenhaft und vorratsmäßig Nutzerdaten an Strafverfolgungsbehörden übermitteln müssen, ohne rechtliche Anordnung und ohne Wissen der Betroffenen, basierend alleine auf der Vermutung der Rechtswidrigkeit".

Diese Auflage "steht unseres Erachtens im Widerspruch zu verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten", heißt es bei Google. "Wir haben uns daher entschlossen, die betreffenden Vorgaben durch das zuständige Verwaltungsgericht Köln prüfen zu lassen." In einem Blogbeitrag führt das Unternehmen aus: "Der legitime Anspruch einer effektiven Strafverfolgung muss hier mit den Erfordernissen der Datenschutzgrundverordnung, dem Recht auf Meinungsfreiheit und anderen Eckpfeilern des Rechtsstaates in Einklang gebracht werden."

(olb)