Häuser drucken mit Lehm aus dem eigenen Garten

Auf der Suche nach klimafreundlichen Alternativen zu klassischem Portland-Zement sind zwei Forschungsgruppen fündig geworden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 109 Kommentare lesen

(Bild: the blowup / Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Zementherstellung ist für 5 bis 10 Prozent des globalen Treibhausgasaustoßes verantwortlich. Ursache dafür ist nicht allein der Energieaufwand beim Brennen der Zutaten, sondern auch die dabei stattfindende chemische Umwandlung von Kalk, bei der Kohlendioxid frei wird.

Zwar gibt es Ersatzstoffe wie Hüttensand aus der Stahlproduktion oder Flugasche aus Kohlekraftwerken, doch diese werden bereits fast vollständig für die Zementherstellung benutzt, können also kaum noch einen weiteren Beitrag leisten, die Klimabilanz zu verbessern. Auch Pflanzenasche, etwa aus Reis- oder Maniok-Schalen, eignet sich als Ersatz für klassischen Portland-Zement, doch auch diese steht nur lokal und in begrenztem Maße zur Verfügung.

Eine weitere große Quelle für Zement-Ersatzstoffe hat nun ein Forschungsteam der Uni Halle-Wittenberg und der brasilianischen Universität Pará aufgetan: Belterra-Lehm. Dies ist ein bislang ungenutztes Abraumprodukt der Förderung von Aluminiumerz (Bauxit).

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten, welches Mischverhältnis aus Belterra-Lehm, Kalk und Gips die besten Eigenschaften hat. Bei einer Beimischung von 42 Prozent Lehm, stellten sie fest, sank die nötige Brenntemperatur von rund 1450 Grad auf 1250 Grad. Nach 28 Tagen Aushärtung erreichten Testkörper aus diesem Zement eine Festigkeit von 40 Megapascal (Portland-Zement schaffte unter denselben Bedingungen 46 Megapascal). Insgesamt lasse sich der CO2-Ausstoß auf diese Weise um zwei Drittel zu 30 Prozent gegenüber Portland-Zement senken, heißt es in der Mitteilung der Universität.

Belterra-Lehm sei "in großen Mengen verfügbar" und könne ohne zusätzliche Behandlung verarbeitet werden, sagt Professor Herbert Pöllmann vom Institut für Geowissenschaften und Geografie der Uni Halle-Wittenberg. "Diese bis zu 30 Meter dicke Tonschicht bedeckt die Bauxitlagerstätten im Tropengürtel der Erde, beispielsweise im Amazonasbecken." Und er müsse für die Bauxit-Förderung ohnehin bewegt werden.

Betonexperte Wolfram Schmidt von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung sieht das Potenzial nicht ganz so hoch: „Herr Pöllmann kann aus allem gute Bindemittel machen, indem er die Oxide richtig zusammensetzt und thermisch behandelt. Aber eine 30 Meter dicke Tonschicht im Tropengürtel reicht nicht aus, um den Markt nur ansatzweise bedienen zu können.“ Breiter verfügbar dürfte ein Zement-Ersatzstoff sein, den Forscher von der Texas A&M University entdeckt haben. Sie gruben einfach Lehm aus dem Garten eines Professors aus und machten daraus mit ein paar chemischen Zutaten eine Paste, die sich ausdrucken ließ (Paper).

Das Problem bei solchen "natürlichen" Zement-Alternativen: Sie sind überall unterschiedlich zusammengesetzt und haben entsprechend unvorhersehbare Eigenschaften. Das verträgt sich schlecht mit dem streng standardisierten Bauwesen. Darum wollte das Team um Professor Sarbajit Banerjee eine Art universelles Rezept entwickeln, das auf die unterschiedlichsten Böden anwendbar ist.

Beim Gartenboden etwa mischten sie dem Lehm Natriumsilikate und einen alkalischen Katalysator bei. Daraus bildeten sich beim Aushärten Siloxan-Netzwerke, welche die Lehmpartikeln einbinden. Mit weiterem Finetuning schuf die Doktorandin Aayushi Bajpayee eine ausreichend fließfähige Masse, die sich in einem 3D-Drucker verarbeiten ließ.

"Wir wollen einen flexiblen chemischen Werkzeugkasten entwickeln, mit dem man lokalen Boden nach einer kurzen Analyse mit wenigen Anpassungen druckfähig machen kann", sagt Bajpayee in einem Video. Und dafür sei die zufällig ausgewählte Bodenprobe aus dem Garten des Professors das ideale Übungsmaterial: "Wenn wir das mit der komplexesten Mischung hinkriegen, die wir in der Natur finden, dann wird es uns bei einfacheren oder gekauften Mischungen sehr viel leichter fallen."

Derzeit sei das Material allerdings vor allem für nicht-lasttragende Strukturen wie die Fassade geeignet, schränkt Banerjee ein. Aber das Team arbeite daran, die Belastbarkeit so zu verbessern, dass sich komplette Gebäude ausdrucken lassen.

Damit adressiert es ein spezielles Problem beim 3D-Druck von Gebäuden: Das Verfahren kommt in der Regel zwar mit weniger Beton respektive Zement aus, weil es alle Strukturen exakt belastungs- und funktionsgerecht aufbaut und deshalb weniger Abfall und überflüssiges Material erzeugt.

Im Gegenzug brauchen 3D-Drucker allerdings auch entsprechend fließfähigen und schnell aushärtenden Zement, der bei der Herstellung einen höheren CO2-Ausstoß im Verhältnis zu seiner Belastbarkeit verursacht als konventionelle Rezepturen. (grh)