Wie Joe Bidens Corona-Plan Gig-Worker im Regen stehen lässt

Künftig soll es für Millionen amerikanische Arbeitnehmer eine Impf- oder Testpflicht geben. Das Problem: Selbständige und kleinere Firmen fallen raus.

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(Bild: archna nautiyal/Shutterstock.com)

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US-Präsident Joe Biden hat Ende letzter Woche eine Durchführungsverordnung (Executive Order) unterzeichnet, die Millionen von amerikanischen Arbeitnehmern verpflichtet, sich künftig gegen COVID-19 impfen zu lassen.

Sie ist für ein Land wie die Vereinigten Staaten von Amerika erstaunlich umfassend. So schreibt die Anordnung allen Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten vor, dass sich die Mitarbeiter entweder impfen oder wöchentlich auf SARS-CoV-2 testen lassen müssen – letzteres gab es auf US-Bundesebene bislang noch nicht.

Ebenfalls neu: Die Arbeitgeber müssen ihren Angestellten endlich bezahlte Freistellungen für die Impfungen gewähren. Die Anordnung gilt auch für die meisten Beschäftigten im Gesundheitswesen und in Pflegeheimen sowie für Personen, die für die US-Bundesregierung oder einen staatlichen Auftragnehmer arbeiten.

Regierungsangestellte können mit Disziplinarmaßnahmen rechnen, wenn sie sich weigern, entweder einer Impfung oder einem regelmäßigem Test zuzustimmen. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung wird die Biden-Order etwa zwei Drittel der amerikanischen Arbeitnehmer erreichen (wobei unklar ist, wie viele von ihnen bereits geimpft wurden).

Die Anordnung ist Teil eines mehrgleisigen Plans, mit dem versucht wird, die Pandemie in den USA in den Griff zu bekommen, nachdem nun die Delta-Variante um sich greift. Dazu gehören Maßnahmen wie die Verpflichtung der Arbeitgeber, besagte bezahlte Freistellungen für die Impfung zu gewähren – und die Regel, bei großen Veranstaltungsorten in geschlossenen Räumen den Nachweis einer Impfung oder eines negativen Tests zu verlangen.

Bezahlter Urlaub gilt in den USA, wo es traditonell schwer ist, "Personal Days" zu bekommen und der Urlaubsanspruch klein ist, als einer der besten Impfanreize. Aber auch hier gilt Bidens Anordnung nur für größere Arbeitgeber mit 100 oder mehr Beschäftigten.

Biden nimmt mit seiner Anordnung jedoch eine ganze Menge an Personen heraus. Dazu gehören Selbständige, Firmen mit 99 oder weniger Angestellten und das zunehmend große Heer der Gig-Worker, die für Fahrunternehmen, Paketfirmen oder Serviceplattformen tätig sind, aber keine Anstellung haben.

Dabei würden sie am meisten von Maßnahmen profitieren. Sie machen einen großen und wachsenden Anteil der arbeitenden Bevölkerung in den USA aus – und sind oft so schlecht bezahlt, dass sie nicht eben zweimal ein oder zwei Tage zum Impfen und dem Abklingen der Nebenwirkungen aufbrauchen können.

Biden, der progressive Politiker, hat zudem eine weitere wichtige Gruppe vergessen: Seine Anordnung gilt auch nicht für das Heer an Arbeitslosen, die 8,4 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner ausmachen. Auch sie müssen auf eigene Kosten Zeit für die Impfung schaffen. Eine Testpflicht gibt es natürlich ebensowenig wie eine Impfpflicht.

Biden hat schon früher darauf gesetzt, dass Anreize wie Geld, Nahrungsmittel und andere "Goodies" die Menschen dazu bewegen könnten, sich impfen zu lassen. 80 Millionen Menschen in den USA haben sich jedoch noch immer nicht dazu bereit gezeigt. Nur 177 Millionen Amerikaner sind vollständig geimpft, das sind nur 62,5 Prozent der Berechtigten und nur 52 Prozent der Gesamtbevölkerung. Kurz gesagt: Biden hat es mit dem Zuckerbrot versucht – jetzt entscheidet er sich für die Peitsche.

Angesichts der Tatsache, dass in den USA immer noch etwa 150.000 neue Fälle pro Tag gemeldet werden, scheint Biden die Verantwortung für die katastrophale Situation den Ungeimpften zuzuschieben – und er setzt darauf, dass viele Menschen in Amerika genauso denken. Er wandte sich direkt an die ungeimpften Menschen: "Wir haben Geduld gehabt. Aber unsere Geduld geht langsam zu Ende. Und Ihre Weigerung ist uns alle teuer zu stehen gekommen."

Bidens Plan sieht auch Maßnahmen vor, die es den Menschen leichter machen sollen, Orte zu finden, an denen sie sich impfen lassen können. Bei der ersten Einführung des Impfstoffs im Dezember waren viele Amerikaner verwirrt über die verfügbaren Impfstellen und Möglichkeiten. Sobald Auffrischungsimpfungen zugelassen sind, können Bürger auf der neuen Website Vaccines.gov eine Impfstelle finden und erfahren, welche Impfstoffe dort erhältlich sind – und für viele Stellen auch, welche Termine verfügbar sind. Außerdem wird eine gebührenfreie Rufnummer zur Verfügung stehen – in über 150 Sprachen.

(bsc)