Digital Services Act: Provider sollen illegale Streams binnen 30 Minuten sperren

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments will Design-Psychotricks und zielgerichtete Werbung teils verbieten, fordert aber auch harte Löschregeln.

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(Bild: artjazz/Shutterstock.com)

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Als eines der ersten Gremien im EU-Parlament hat am Donnerstag der Rechtsausschuss seine Änderungsanträge zum umstrittenen Entwurf der EU-Kommission für einen Digital Services Act (DSA) beschlossen. Der französische Berichterstatter Geoffroy Didier von der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) setzte sich dabei mit seinen Kompromissvorschlägen etwa für ein strenges Haftungsregime für Online-Plattformen mit 15 zu 9 Stimmen durch.

Hosting-Provider sollen demnach den Zugang zu rechtswidrigen Inhalten "so schnell wie möglich" sperren, "sobald sie davon Kenntnis erlangen". Als auf jeden Fall greifende Frist bringen die Rechtspolitiker 30 Minuten ins Spiel, wenn es sich um einen illegalen Live-Stream eines Sport- oder Unterhaltungsereignisses handelt. 24 Stunden sollen Zeit bleiben, wenn die illegalen Inhalte die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit ernsthaft gefährden oder Verbraucher massiv geschädigt werden könnten. Für alle anderen Fälle sind 72 Stunden Zeit bis zum Löschen oder Sperren vorgesehen.

Artikel 14 zum "Notice and Action"-Verfahren würde eine solche Drei-Tage-Frist für die Prüfung gemeldeter Inhalte generell etwa auch für soziale Netzwerke, Videoplattformen, Blogs und Anbieter privater Messaging-Dienste einführen. Eine allgemeine Pflicht zur Überwachung des Internetverkehrs will der Ausschuss damit nicht verknüpft wissen. Es soll auch keine Pflicht für Plattformen geben, die umstrittenen Upload-Filter einzusetzen. Die dafür genutzten Algorithmen haben den Abgeordneten zufolge Schwierigkeiten, Details des Kontextes und die Bedeutung menschlicher Kommunikation zu verstehen.

Artikel 5 könnte einen Einsatz der gefürchteten Zensurmaschinen aber doch erforderlich machen, das Anbieter verpflichtet werden sollen, bestimmte Inhalte "dauerhaft" zu entfernen und ein erneutes Hochladen zu verhindern. Artikel 8 würde es zudem einem Mitgliedstaat ermöglichen, die Entfernung von Inhalten anzuordnen, auch wenn sie in einem anderen EU-Land legal sind. Behörden sollen aber auch das Recht erhalten, die Wiederherstellung legaler Inhalte anzuordnen, die von Plattformen ohne hinreichenden Grund entfernt wurden.

Artikel 14 würde es privaten "vertrauenswürdigen Hinweisgebern" wie Denkfabriken und Lobby-Vereinigungen ermöglichen, Inhalte direkt entfernen oder sperren zu lassen.

Der Ausschuss fordert prinzipiell zwar ein Recht auf anonyme Nutzung und Bezahlung digitaler Dienste sowie ein Verbot von verhaltensbezogenem Tracking und zielgerichteter Werbung bei unter 18-Jährigen. Manipulative Tricks wie "Dark Patterns" sollen ebenfalls untersagt werden. Der DSA dürfe Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zudem nicht verhindern, heißt es.

Mit parallelen Vorschlägen werden diese Ansätze aber unterwandert. Artikel 20 etwa könnte indirekt anonyme Konten abschaffen und die Identifizierung aller Nutzer vorschreiben, um zu verhindern, dass gesperrte User ein anderes Konto verwenden oder registrieren. Bereits Artikel 1 würde private Kommunikations- und Messaging-Dienste in den Geltungsbereich des "Plattform-Grundgesetzes" aufnehmen. Die Vorschrift, wonach solche Anbieter den Inhalt privater Nachrichten überprüfen und gegebenenfalls entfernen müssten, dürfte kaum mit einer durchgehenden Verschlüsselung vereinbar sein.

Er glaube nicht, dass sich alle seine Kollegen "der Tragweite dieser Maßnahmen bewusst sind", beklagt der Verhandlungsführer der Grünen, Patrick Breyer, einen Angriff auf Datenschutz und Meinungsfreiheit. Die verabschiedete Eingabe hält das Mitglied der Piratenpartei für "das Ergebnis massiver Lobbyarbeit der Content-Industrie und Rechteinhaber".

Anstatt "ein offenes und florierendes europäisches Online-Ökosystem zu ermöglichen", bedrohe die Stellungnahme "unser Recht auf freie Meinungsäußerung", moniert die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi). Insbesondere die bereits am stärksten Ausgegrenzten würden "der Willkür von Big-Tech-Plattformen" überlassen. Die Empfehlungen des Rechtsausschusses werden jetzt im federführenden Binnenmarktausschuss erörtert, der die Linie des Parlaments noch vor Jahresende festzurren will.

(mho)