Audis Fünfzylinder im Längsbaukasten: Auf dem Weg nach oben

Audi kam in nüchternen Überlegungen zum Reihenfünfzylinder. Doch die ungewöhnliche Zündfolge 1-2-4-5-3 fraß sich durch den Gehörgang in die Emotionszentren.

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(Bild: Audi)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Audi-Fans verbinden viel Emotionales mit dem Reihenfünfzylinder-Motor. Doch seine Entstehung und Wiederkehr hatten beide wie so oft hauptsächlich technische Gründe. Springen wir in die 1970er-Jahre. Audi wollte damals höher greifen, in Richtung Mercedes, BMW. Das bedingte damals zwecks Prestige und Druck einen Mehr-als-Vierzylindermotor. BMW etwa bot Reihensechszylinder an, die mit ihrer Laufkultur punkteten. Dagegen sprach bei Audi jedoch die Grundkonstruktion. BMW und Mercedes bauten den Standardantrieb: Motor vorne, dahinter das Getriebe, dann eine Kardanwelle zur angetriebenen Hinterachse. Vorteile sind eine von Antriebskräften entkoppelte Lenkung, mehr Lenkeinschlag, besseres Beschleunigungsverhalten, aber die Bauart kostet mehr und das hintere Achsdifferenzial klaut etwas Kofferraum.

Audi baute Motoren ebenfalls längs ein (die Kurbelwelle liegt parallel zur Fahrtrichtung), das jedoch mit Frontantrieb. In dieser Konfiguration musste das Getriebe deutlich weiter vorn montiert werden und vorne zudem noch ein Differenzial hinpassen. Diese Audis waren frontlastig: Längsbaukasten-Audis haben lange Nasen, in denen fahrdynamisch ungünstig viel Gewicht sitzt.

Das war damals akzentuierter als heute, weil die Autos erstens mit der Zeit tendenziell schwerer und größer wurden und zweitens tüftelten Ingolstadts Ingenieure über die Jahrzehnte immer mehr Platz heraus, um den Motor und Getriebe nach hinten geschoben werden konnten. Der Mittelweg zwischen "wir brauchen mehr Zylinder" und "aber: Frontlast!" landete in den Siebzigern schließlich beim Fünfzylinder, der den zusätzlichen Vorteil hatte, dass man ihn gut von einem Vierzylinderblock ableiten konnte.

Im März 1977 erschien dann der Audi 100 5E. Er sollte als Spitze der renovierten 100er-Linie Premiumkunden anziehen. Außer dem Fünfzylinder mit 136 PS und einer ganz eigenen Klangkulisse aus der Zündfolge 1-2-4-5-3 setzte Audi auf eine üppige Ausstattung: Einspritzanlage, Leichtmetallfelgen, vier Kopfstützen, vier elektrische Fensterheber, Servolenkung, Scheinwerferwaschanlage, Nebelleuchten und für die Siebziger typische Sofa-artige Veloursbezüge. Das Grundrezept blieb erhalten für den Audi 200 von 1979, der mit Abgasturbolader aus dem Fünfzylinder 170 PS blies (der Saugmotor im 5E leistete 136 PS).

Audi 200 1981 (3 Bilder)

Dieses Auto läutete die Turbo-Fünfzylinder ein: Audi 200, hier von 1981 in gelecktem Originalzustand.
(Bild: Audi)

Dieses Auto konnte ich fahren, und es half dem Vergangenheitserlebnis, dass der Testwagen von 1981 aussah wie ein Vorführer, den jemand durch ein Wurmloch ins Jahr 2021 gefahren hat: wie neu, geleckt sauber. Die Rückbank in Velours mit den Sofakissen, die Audi damals in der Aufpreisliste anbot. Die vorderen Sitze selbst auf der untersten Stellung höher als so mancher heutige SUV. Soll noch mal einer sagen, man brauche eine bestimmte Karosserieform für eine alterstaugliche Sitzhöhe!

Sofa-mäßig dann auch das Fahrerleben: Die Dreigang-Automatik schaltet butterweich, aber ohne Hektik. Die großzügigen Federwege dämpfen alles weg, in den Kurven neigt sich die Fuhre entsprechend. Audis 200 ist selbst nach heutigen Maßstäben ein wunderbares Weitfahr-Auto. Doch ganz ehrlich: Eingehüllt in den Komfort-Kokon merkst du ohne direkten Vergleich kaum etwas vom eigenwilligen, eigenständigen Motorklang des Fünfzylinders. Der Motor diente dem Audi 200 nur dazu, die seinen Ambitionen entsprechende Leistung zu generieren – und natürlich eine Zahl größer Vier auf dem Prospekt bei der Zylinderzahl.

Audi quattro 1988 (5 Bilder)

Dieses Auto begründete die flächendeckende Einführung des Allradantriebs in Straßen-PKW, sowohl im Rallyesport als auch auf der Straße. Für Audi war es ein definierender Moment, ein "Vorsprung durch Technik".
(Bild: Audi)

Sportliche Audis haben Allradantrieb. Ingolstadt bietet diesen heute in 16 Baureihen an. Das liegt daran, dass Audis Sportgeschichte untrennbar mit ihm verbunden bleibt. Das "quattro" getaufte System änderte nicht nur für Audi alles und seine Entstehungsemotionen hallen bis heute nach in den Köpfen der Kunden. Während die ersten Serien-Fünfzylinder durch die Gegend fuhren, fanden im Hintergrund Audis erschöpfend erzählte Allrad-Demonstrationen auf Schnee und nassen Wiesen statt.

Diese (wir wissen es alle) führten zum Entschluss, den Allradantrieb in Serie zu bringen. Audi nahm das Audi Coupé, änderte daran gestalterisch einige Pinselstriche, pflanzte den Turbo-Fünfzylinder mit 200 PS und Allradantrieb ein und schickte das Auto unter dem schlichten Namen "Audi quattro" an den Start. Um den Impact dieses Autos zu verstehen, muss man die damalige Antriebswelt kennen. Es gab fast keine Allrad-Straßen-PKW. Man hielt den Aufwand damals schlicht für unnötig im PKW. Dass es selbst ohne Not einen Markt geben kann, wenn Leute etwas WOLLEN, zeigte der quattro. Das Auto kam mit manuellen Sperren für Mittel- und Hinterachsdifferenzial, wie es heute noch oft in Allrad-NFZ vorkommt (ab 1982 mit Taster statt per Seilzug). Es kam außerdem nur mit Turbo-Fünfzylinder. Und wie.