Amazons Kosten steigen stärker als Einnahmen, Dienstleistungen überholen Waren

Langfristige Kundenzufriedenheit steht auch für Amazons neuen Chef Andy Jassy an 1. Stelle. Er sucht hunderttausende Saisonkräfte. Kurzfristig sinkt der Profit.

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(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Der Amazon.com-Konzern hat im dritten Quartal mehr umgesetzt, aber weniger verdient. Der Reingewinn hat sich sogar halbiert. Grund sind deutlich gestiegene Kosten und Investitionen als Ausfluss der Coronavirus-Pandemie. Das wird sich so schnell auch nicht ändern, warnt der neue CEO Andy Jassy. Sein Konzern setzt erstmals mehr mit Dienstleistungen um als mit Waren.

"Wir haben immer gesagt, dass wir, vor die Wahl zwischen kurzfristigem Profit und langfristigem Kundeninteresse gestellt, uns für Letzteres entscheiden", erinnerte Andy Jassy Donnerstagabend, "und das können Sie in dieser Phase der Pandemie sehen." Jassy hatte über die Geschäftszahlen Amazons des dritten Quartals 2021 zu berichten, dem ersten Quartal unter seiner Leitung. Zur Jahresmitte ist Firmengründer Jeff Bezos als CEO Amazons zurückgetreten.

Die Nettoumsätze mit Waren sind gegenüber dem Vorjahresquartal um vier Prozent, bei Dienstleistungen um 29 Prozent gestiegen. Damit liegen die Dienstleistungsumsätze (56 Milliarden Dollar) erstmals knapp über den Warenumsätzen (55 Milliarden Dollar). In Summe sind die Nettoumsätze um 15 Prozent auf 111 Milliarden Dollar gestiegen.

Noch kräftiger sind allerdings die Betriebskosten gestiegen, nämlich um 18 Prozent auf 106 Milliarden Dollar. Daraus ergibt sich, dass der Betriebsgewinn um mehr als ein Fünftel auf 4,9 Milliarden Dollar gefallen ist. Verluste aus Finanzanlagen und eine verdoppelte Steuerlast führen dazu, dass der Reingewinn sogar um 50 Prozent auf 3,2 Milliarden Dollar gefallen ist.

In der Frühphase der Pandemie habe Amazon darauf geachtet, die Versorgung mit essenziellen Gütern zu gewährleisten. Gleichzeitig habe die Cloud-Sparte AWS Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen dabei geholfen, ihre Geschäfte fortzuführen. Beides spiegle sich nun in den Geschäftszahlen wider: Die Cloud-Umsätze sind um 39 Prozent gestiegen.

Die hohe Kundennachfrage hat aber auch zu erheblichen Kosten geführt: Amazons Distribution ist fast doppelt so groß wie vor der Pandemie, AWS musste neue Rechenzentren bauen, der Konzern zahlt höhere Gehälter und beschäftigt inzwischen fast eineinhalb Millionen Mitarbeiter - annähernd doppelt so viele wie vor zwei Jahren. Für das Jahresschlussquartal sucht Amazon hunderttausende Saisonarbeitskräfte. Alleine in den USA, wo Amazon deutlich mehr als den Mindestlohn zahlt, stellt der Konzern vorübergehend 150.000 Personen ein. In Europa hat Amazon mehr als 50.000 Saisonstellen ausgeschrieben, in Indien mehr als 110.000.

"Im (laufenden) vierten Quartal erwarten wir mehrere Milliarden Dollar zusätzlicher Kosten in unserem Verbrauchergeschäft", warnte der neue CEO: Mangel an Arbeitskräften und gestiegene Lohnkosten, globale Probleme mit Nachschub, und höhere Kosten für Transport und Versand summieren sich. Der Manager verspricht, alles daranzusetzen, die Auswirkungen auf Verbraucher und Händler so gering wie möglich zu halten: "Das wird kurzfristig teuer für uns, aber es ist die richtige Prioritätensetzung für unsere Kunden und Partner." Nach Bekanntgabe dieses Ausblicks wurden Amazon.com-Aktien im nachbörslichen Handel vier Prozent günstiger gehandelt.

Zwar hat auch AWS stark gestiegene Kosten, doch diese haben sich fast parallel zum Umsatzwachstum entwickelt. Damit konnte die Konzernsparte ihren Betriebsgewinn um 38 Prozent auf 4,9 Milliarden Dollar ausbauen. Amazons übrige Unternehmungen in Nordamerika haben gerade noch einen Betriebsgewinn von 880 Millionen Dollar geschafft (-61 Prozent). Bei 66 Milliarden Dollar Umsatz entspricht das eine Marge von gut einem Prozent.

Außerhalb der USA und Kanadas ist Amazon (unter Auslassung AWS') in die Verlustzone gerutscht. Vor einem Jahr konnte der Konzern im Ausland noch 407 Millionen Dollar Betriebsgewinn lukrieren, diesmal muss er einen Betriebsverlust von 911 Millionen Dollar hinnehmen. Mit dem weltweiten Ausbruch der Pandemie hatte Amazon.com im zweiten Quartal 2020 mit seinem Handelsgeschäft erstmals auch außerhalb Nordamerikas Geld verdient. Sechs Quartale hielt diese Serie, nun ist sie gerissen.

(ds)