Akkus für Autos: Ein neuer Industriezweig entsteht

Für die Elektromobilität wird in Deutschland eine Batteriefertigung aufgebaut. Die kann bis zu 100.000 neue Stellen in etwa zehn Jahren schaffen.

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(Bild: P5h / Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Bei VW geht es mit den Prognosen zur Beschäftigung rauf und runter. Die eine Studie rechnet mit einem Abbau von mehreren hunderttausend Stellen. Andere Untersuchungen glätten solche Horrorszenarien mit der Kernaussage: durch die E-Mobilität wird der Beschäftigtenbedarf bei Volkswagen weniger stark sinken. Qualifizierung ist dafür das Schlüsselwort. Wer etwa gestern Motoren für Verbrenner gebaut hat, baut morgen Batterien für Elektroautos. VW ist damit ein Beispiel für die gesamte Automobilindustrie, denn alle deutschen Autohersteller planen eigene Batteriefabriken, um unabhängiger von der asiatischen Dominanz in der Akkuherstellung zu werden und Einfluss auf das teuerste Teil im Elektroauto zu haben. Kritiker mahnen: wird auch Zeit!

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Im VW-Werk in Salzgitter produzieren rund 7.000 Beschäftigte fast eine Million Motoren pro Jahr. In vier Jahren will VW dort Akkus für Autos bauen. Auch die Forschung und Entwicklung sind dort angesiedelt. Salzgitter wird das globale Zell-Zentrum von Volkswagen. 2018 wurde das Center of Excellence Batteriezelle eröffnet, 2025 soll eine Zellfabrik Akkus fertigen. Pilotanlagen für Produktion und Recycling von Batterien laufen und Forschungslabore sind eröffnet.

Im Center arbeiten bereits rund 500 Beschäftigte. "Darunter sind technische Mitarbeiter für die Zellentwicklung, Prozessspezialisten für deren Produktion und Kaufleute für den Einkauf und für Kooperationen", sagt Alexander Dittrich, Leiter Personal Batterie. Die Beschäftigten kommen zu jeweils etwa einem Drittel aus dem Werk Salzgitter, von anderen Standorten des VW-Konzerns und von extern. "Die Kolleginnen und Kollegen stammen aus 24 Nationen", sagt Dittrich. Nach den Deutschen sind Asiaten die zweitstärkste Herkunftsgruppe. Damit hat sich VW Know-how eingekauft: Rund 95 Prozent der in Elektroautos verbauten Batterien stammen aus Asien.

Die Produktion von Batterien für Elektroautos ist ein gänzlich neuer Industriezweig für Deutschland. "Akku-Spezialistinnen und -Spezialisten zu finden ist extrem schwer, denn diese Expertise fehlt noch in Deutschland", sagt Dittrich. Außerdem ist der Wettbewerb um diese Fachleute hoch, weil auch Wettbewerber und neue Marktteilnehmer eigene Batteriefabriken planen. Und alle brauchen dafür Personal.

VW hat in diesem Jahr zusammen mit der TU Braunschweig erstmals ein duales Studium der Chemie angeboten, im nächsten Jahr beginnt das Unternehmen mit der Ausbildung zum Chemielaboranten. Die Mitarbeiter fürs Labor wurden mithilfe eines Fraunhofer-Instituts auf ihre neue Arbeit vorbereitet und die ersten Mitarbeiter in den Pilotanlagen wurden geschult. So bereitet sich VW auf das neue Produkt Batterie vor.

In der ersten Ausbaustufe sollen ab 2025 etwa 1.500 Mitarbeitende Zellen in der Größenordnung von zunächst 20 Gigawattstunden jährlicher Kapazität fertigen. "Diese Beschäftigten werden wir aus der Belegschaft des Motorenwerks transferieren und zum Teil um- oder auf-qualifizieren", sagt Dittrich. Die Zellfertigung wird zwar hochautomatisiert, doch es werden ähnliche Tätigkeiten wie im Motorenbau gebraucht, etwa Anlagenbediener und Logistiker, die Teile von A nach B transportieren. Batteriefabriken wie die von VW sind zahlreiche in Deutschland geplant.

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"Die Ereignisse überstürzen sich" Der Batteriemarkt ist im Umbruch: Neue Materialien machen die Zellen günstiger und umweltfreundlicher, ein optimiertes Batteriedesign sorgt für längere Reichweite zu geringeren Kosten. Batterieforscher Maximilian Fichtner spricht über die Aufholjagd Europas und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Konzepte.

Für Europa sind bis 2030 Batteriefabriken mit Kapazitäten zwischen ein bis 1,4 Terawattstunden angekündigt. "Etwa die Hälfte davon wollen europäische Hersteller aufbauen, die andere Hälfte wird von etablierten Zellherstellern aus Asien auf- und ausgebaut", sagt Dr. Axel Thielmann, Leiter des Competence Centers Neue Technologien am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI. "In einigen Forschungsinstituten und Unternehmen sind wenige Pilotanlagen zur Fertigung von Batterien im Betrieb. Was wir jetzt brauchen, ist Erfahrung in der Massenfertigung der Batteriezellen", sagt Thielmann.

In dieser Art der Fertigung spielt Ausschuss eine wesentliche Rolle wegen der Masse an Material, das dabei vergeudet werden kann. "Hoher Ausschuss verursacht somit einen hohen ökonomischen Schaden und stellt daher einen Wettbewerbsfaktor dar", sagt Thielmann. Um wettbewerbsfähig zu sein, muss die Produktion reibungslos laufen.

Für die Entwicklung von Zellen werden Ingenieure, Elektrotechniker, Maschinenbauer, Chemiker, Physiker und IT-Experten benötigt, in der Produktion sind es vor allem Prozessspezialisten. Sie sorgen dafür, dass die Zellen im Idealfall in durchgängig hoher Qualität hergestellt werden. "Dafür müssen sie die Prozessschritte und die automatisierte Fertigung verstehen, planen und steuern können", sagt Thielmann.

"Bis 2030 können in der Material- bis Zellentwicklung und -fertigung bis zu 100.000 Jobs in Deutschland und 200.000 in Europa entstehen", sagt Thielmann. Dies haben Berechnungen des ISI ergeben. Etwa 30 Prozent der angekündigten Batteriefabriken sollen Stand heute in Deutschland gebaut werden.

Auch Varta hat vor auf einer neuen Anlage Akkus für Autos zu bauen. Das Unternehmen hat eine Zelle entwickelt, die in hybriden Fahrzeugen zum Einsatz kommt und in sechs Minuten geladen sein soll. Der etablierte Batteriehersteller konzentriert sich zunächst auf Batterien für Premiumfahrzeuge mit hoher Leistung.

Ende Juni hat das Unternehmen eine weitere Fabrik für Lithium-Ionen-Zellen im Knopfzellenformat eröffnet. Diese Akkus werden in kabellosen Kopfhörern und Hörgeräten genutzt. Bei Lithium-Ionen ist Varta weltweiter Technologieführer. Das Unternehmen fertigt pro Jahr rund drei Milliarden Zellen. "Wir haben einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den neuen Akkuproduzenten, weil wir das Geschäft von der Pike auf kennen und das notwendige Fachpersonal haben", sagt Dr. Verena Drews, Managerin Application & Test Lab. Varta hat weltweit rund 4.800 Mitarbeitende und Standorte auch in Asien.

Die Fertigung von Akkus ist ein komplexer und aufwendiger Prozess. Bis eine Batterie fertig ist, dauert es je nach Ausführung der Akkus zwischen 20 und 60 Tage. "In einer Batteriefabrik ist es sehr sauber, damit die Lithium-Ionen nicht mit Partikeln verunreinigt werden", sagt Drews. Es gibt unterschiedliche Zonen mit verschiedenen Sicherheitsstandards. "Es ist aber weder laut, noch heiß, noch gefährlicher als in anderen Fabriken."

Entwickelt werden die Zellen je nach Anwendungsfall, dementsprechend sind sie dimensioniert. Wenn die Zelle klein sein soll, aber eine hohe Energiedichte braucht, wird mit anderer Elektrochemie und anderen Materialien gearbeitet, als wenn ein großer Akku viel Energie liefern soll.

Zellen im Format 21700 – sie haben einen Durchmesser von 21 Millimetern und sind 70 Millimeter hoch – baut Varta für den Einsatz in Autos. Aus mehreren hundert Batterien wird ein Akku-Modul zusammengebaut, je nachdem wie viel Kapazität der Akku haben soll, werden Module zu einem Batteriepack zusammengestellt.

(kbe)