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Was war. Was wird. Mit ketzerischen Gedanken zur besten Demokratie

Abgeordnete darf man nicht kaufen, eine Kopie der US-Verfassung schon – für einen guten Zweck. Die Kritiker der Elche nehmen das Geld trotzdem, murrt Hal Faber.

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(Bild: Cornelius Doppes / Shutterstock.com)

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Schade, schade. 17.437 Einzahler bei der Dezentralen Autonomen Organisation (DAO) konnten nicht verhindern, dass eines von 13 erhaltenen Exemplaren der amerikanischen Verfassung nicht in den Besitz eines Investors übergeht, sondern in den symbolischen Besitz der Allgemeinheit wechselt. Zwar hatte man etwa 46 Millionen Dollar in Kryptogeld gesammelt, doch wurde das Gebot für die US-Verfassung mit den Unterschriften der US-Präsidenten Clinton und Carter auf 40 Millionen beschränkt. Der Rest sollte für die Versicherung und Lagerung des guten Stückes genutzt werden. So gewann ein unbekannter Investor die Auktion bei Sotheby's mit einem Gebot von 43,2 Millionen Dollar. Immerhin ging die fast spontan gebildete DAO nicht ganz leer aus, denn ihr nomineller Wert wird jetzt steigen und so könnte sie bei der nächsten Auktion eine Rolle spielen. Außerdem wurde die US-Verfassung für einen guten Zweck versteigert. Das Geld geht an die Dorothy Tapper Goldman Foundation, die das Demokratieverständnis junger Amerikaner fördern soll.

*** So eine Stiftung könnte auch hierzulande eine segensreiche Tätigkeit entfalten, in einem Land, in dem die Regierung als neue SED, neue Nazis oder ein Haufen Volltrottel beschimpft wird. Dabei ist es den Schimpfkanonierern offenbar egal, welche "die da oben" gemeint sind, die alte oder die künftige Regierung. Die Ampel wird einer "digitalisierten und klimaneutralen Technologienation" den Weg in die Zukunft zeigen, wie der gefühlte Regierungschef Lindner im Interview mit der Süddeutschen Zeitung schwärmt. In der Zusammenfassung beim Nachrichtenportal t-online heißt es dann, dass Lindner schon an die nächste Wahl denkt. t-online, Golem und Netzwelt sind die Newsticker, die sich über Zahlungen von Google freuen können, die aus dem Topf für das ominöse Leistungsschutzrecht kommen. Da muss man einfach mal gratulieren, auch wenn über die Summen geschwiegen wird. Zu viel Transparenz ist ungesund.

*** Georg Nüßlein und Alfred Sauter von der CSU dürfen das Geld behalten, das sie im Maskenskandal im Schweiße ihres Angesichts verdient haben. Sie bleiben sogar voraussichtlich straffrei, weil die Schmiergeld-Vorschiften des Bundestages unzureichend sind. Die 1,2 Millionen Euro für Sauter und die 660.000 Euro für Nüßlein sollen keine Abgeordnetenbestechung sein, sondern eine zulässige Provision, die elegant durch eine Strafbarkeitslücke flossen. Nun hat der Münchener Generalstaatsanwalt Rechtsmittel gegen das Urteil des OLG München eingelegt und so wird der Fall irgendwann vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. "Am Ende sollte klar sein, dass man Abgeordnete nicht kaufen darf. Nicht als Stimmvieh im Parlament, nicht als Einflussagent in der Fraktion und auch nicht als Türöffner für windige Geschäfte mit Ministerien. Wer hier keine klare Grenze zieht, beschädigt die Demokratie." Das sind Sätze, die von der Dorothy Tapper Goldman Foundation gefördert werden können.

*** In einer Demokratie sind Wahlen eine wichtige Sache. Sie konstituieren geradezu die Demokratie überall in der Welt, wo es noch Demokratien gibt, mit Ausnahme von Berlin, wie bereits in dieser kleinen Wochenschau erzählt. Nun hat der Bundeswahlleiter Einspruch gegen die Berliner Wurstigkeit erhoben. Das ist einerseits vernünftig. Man stelle sich vor, er hätte die Ergebnisse des Berliner Marathons annulliert, die Laufzeiten von 25.000 Menschen gelöscht, die die Wahl behindert haben. Andererseits ist es unvernünftig, die Wahl von solchen Kleinigkeiten wie fehlenden Stimmzetteln abhängig zu machen. Es wäre genauso unvernünftig, die Wahl vom fehlenden Politikverständnis der Wählenden abhängig zu machen. Oder genau das wäre vielleicht konsequent, jedenfalls in Großbritannien. Kinder verstehen auch nicht alles, was Politiker versprechen. Aber sie können ab sechs Jahren Namen lesen und damit ein Kreuzchen auf einem Wahlzettel machen. Ja, dann sollen sie auch im Sinne der Generationengerechtigkeit nach dieser Pandemie ab sechs Jahren wählen dürfen!

*** Die Demokratie im Bundesstaat Schweiz ist eine etwas andere als unsere. In der Eidgenossenschaft wird direkt über wichtige Fragen abgestimmt, was zu einer ausgeprägten Bereitschaft der Kompromissbereitschaft bei der politischen Entscheidungsfindung führen soll. Wehrhaft ist diese Demokratie auch noch: Die Armee wird in ständiger Kampfbereitschaft gehalten. Dazu gehört nach den Erkenntnissen dieser Woche auch eine ständig kampfbereite Cybertruppe, die jedem Angreifer einen "hohen Eintrittspreis" abverlangt, wenn er sich im Schweizer Internet zu schaffen macht. Nein, gemeint sind nicht die befreundeten CIA-Undercover-Agenten wie Edward Snowden, sondern nach der "Gesamtkonzeption Cyber" gegnerische Akteure, die durch Eindringen in den Cyberraum einen "Wissens- und Entscheidungsvorsprung erzielen" oder kritische Infrastrukturen stören wollen. Zum nötigen Training der Cyberwachsamkeit und der Offensivfähigkeiten hat die Führungsunterstützungsbasis mit der Berner Firma Dreamlab Technologies einen Ausbildungsvertrag über 198.000 Schweizer Franken geschlossen. Überraschend ist nicht die niedrige Summe des besonderen Auftrags, sondern die Firma Dreamlab. Vielleicht wird sich der eine oder andere an die Geschichte der reuigen Hacker "Simon" und "Bernd" erinnern, die 2013 in der Datenschleuder des Chaos Computer Clubs erschienen. Sie arbeiteten für die böse Seite der Macht, nämlich für Dreamlab Technologies. Die Schweizer pflegten damals eine strategische Partnerschaft mit Gamma International. Heraus kam die Geschichte, weil entsprechende Verträge nach der Veröffentlichung der "Spy Files" durch Wikileaks ans Tageslicht kamen und den Firmenchef Nicolas Mayencourt zu einem Geständnis zwangen. Dieser hat nun den Auftrag an Land gezogen, die Cyberoffensivkraft der Armee zu stärken. "Simon" und "Bernd" stiegen damals aus seiner Firma aus und erzählten ihre Geschichte in der Clubzeitung. Der mahnende CCC-Schlusskommentar unter der Überschrift "Hacken, Fressen und Moral" sei hier wiederholt: "Die Geschichte ist damit auch ein deutliches Signal an alle, die in einer ähnlichen Situation verstrickt sind und glauben, sich zwischen ihrem Gewissen und ihren sozialen und finanziellen Verpflichtungen entscheiden zu müssen. Es gibt ein Leben nach dem Ausstieg aus der Überwachungs- und digitalen Angriffsbranche – und es ist besser als zuvor."

Die Inzidenzzahlen sind hoch, der Hospitalisierungsgrad ist es auch. Der Star dieser Woche war zweifelsohne Lothar Wieler vom Robert Koch-Institut, dessen Brandrede im Fernsehen übertragen wurde. Man sollte sie vor der Kaufrauschwoche gehört haben, bevor es an den Kauf von sinnlosen, aber seltsamerweise patentierten Sachen wie einem gläsernen Telefon geht. Schlimme Weihnachten stehen uns also bevor, aber was ist das, dieses Weihnachten, das nach Wieler nun ausfallen muss? Erinnern wir uns noch an letztes Jahr, als es hieß, dass wir ein schönes Weihnachten feiern dürfen, wenn wir nur diszipliniert durch die Adventszeit kommen. Vorbei, nun wird Weihnachten auch von Corona erwischt. Eine schöne Antwort auf die Frage nach Weihnachten findet sich hier, ist aber nur gegen Lesegeld zu haben. "Weihnachten ist das Tabu einer Zeit, die sich fast nur an Tabubrüchen erfreut. Davor und danach tobt der digitale Kapitalismus mit Fieberträumen von Disruption und Optimierung, da feiert man Aussteiger, die ins Emsland oder nach Indonesien ziehen, um in Tiny Houses neue Diäten zu testen, aber an Weihnachten geht es nicht ums Bessermachen, um Arbeit, nicht einmal um den anderen deutschen Fetisch, das Geld." Weihnachten feiert man mit der Vergangenheit und den Toten, mit der Zukunft und den Kindern. Oder eben gar nicht. Das ist die neue "Freiheit".

[Update 21.11.2021 15:37 Uhr:] Angaben zu Google-Zahlungen an Newsticker korrigiert (Absatz zwei). – Hal Faber irrte sich. Wie konnte er nur die großartigen Leute von Netzpolitik mit Netzwelt verwechseln? Rinks und Lechts kann man doch gar nicht...

(tiw)