Im Fahrbericht: Mercedes C 220d All-Terrain

Etwas mehr Bodenfreiheit und Kunststoff außen machen aus der C-Klasse keinen Geländewagen, was der Zielgruppe mehrheitlich egal sein wird.

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Mercedes C-Klasse All-Terrain

(Bild: Mercedes)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Franz
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Er ist nicht komplett von der Hand zu weisen, der Vorwurf, dass mehr Bodenfreiheit und etwas unlackierter Kunststoff aus einem Kombi keinen Geländewagen machen. Hersteller und Fans dürfte das herzlichst egal sein. Mercedes hat von der solcherart entelegantisierten E-Klasse in den vergangenen Jahren so viele Exemplare verkauft, dass sich die Schwaben berechtigte Hoffnungen darauf machen, den Erfolg eine Klasse tiefer zu wiederholen. Eine erste Ausfahrt mit dem Mercedes C 220d 4Matic All-Terrain zeigt, wo die C-Klasse gewinnt und an welchen Stellen der Fahrer Kompromisse machen muss.

Die All-Terrain-Variante der C-Klasse bietet 40 mm mehr Bodenfreiheit. Mercedes verbaut hier längere Federn und Reifen mit etwas mehr Flankenhöhe. Eine Sperre von Achsen oder gar eine Getriebeuntersetzung gibt es dagegen nicht, was wohl auch nur die wenigsten Kunden bedauern werden. Mercedes verspricht eine Anpassung von Regelsystemen. Bei einem Ausflug in ein Gelände schlug sich diese C-Klasse gut und bewältigte knackige Steigungen problemlos. Dass die Bergabfahrtskontrolle den Kombi auch rückwärts auf die eingestellte Geschwindigkeit abbremst, hilft beim Rangieren im Schnee.

Der Testwagen hatte den überarbeiteten Zweiliter-Dieselmotor (intern: OM 654 M) eingebaut, der in der neuen C-Klasse stets ein Mildhybrid ist. 147 kW leistet der Verbrenner, der beim Beschleunigen im unteren Drehzahlbereich von einem E-Motor mit 15 kW und 200 Nm unterstützt wird. Auch deshalb liegt das maximale Drehmoment von 440 Nm schon bei 1800/min an. Es ist wohl auch dieser Starthilfe zu verdanken, dass der Dieselmotor vehement schon aus Drehzahlen um 1500/min beschleunigt. Der subjektive Eindruck verfestigt sich, dass der neue, mildhybridisierte C 220d trotz deutlich höherem Gewicht etwas flotter an Tempo zulegt als der Vorgänger. Und schon der war alles andere als lahm.

Beim Verbrauch offenbarte unsere erste Ausfahrt keine neuen Rekorde. 4,9 bis 5,6 Liter gibt Mercedes im WLTP an, wir kamen auf knapp zwei Liter mehr. Trotz der möglichen Fahrleistungen erscheint das zu viel. Kein Sprung gab es auch bei der Laufkultur und der Dämmung: Die C-Klasse ist fraglos unverändert ein leises Auto, das Arbeitsprinzip des Motors bleibt dennoch nie ein Geheimnis. Wer sich damit nicht anfreunden mag, kann im All-Terrain alternativ nur zum 1,5-Liter-Liter-Benziner mit 150 kW greifen. Andere Motoren sind zumindest vorerst nicht geplant.

Gegenüber der im vergangenen Jahr renovierten E-Klasse wirkt die C-Klasse im Innenraum moderner. Das Infotainmentsystem MBUX ist hier eine Generation weiter, wobei zur Ehrlichkeit auch gehört: Wer nicht gerade umsteigt, wird in der E-Klasse kaum etwas vermissen. Der große Bildschirm in der C-Klasse wird geschickt genutzt. Noch mehr Dinge können per Sprache bedient werden. Allerdings ist der riesige Touchscreen vergleichsweise tief eingebaut, sein Blick lenkt mehr als im bisherigen Modell. Auf der anderen Seite beeindruckt, wie sehr Mercedes sich bemüht hat, die unglaubliche Funktionsvielfalt möglichst intuitiv bedienbar zu machen. Das mag noch nicht an allen Stellen komplett gelungen sein, doch das System gehört gerade in dieser Hinsicht zu den besten auf dem Markt.

Auch der Komfort des Fahrwerks gibt wenig Anlass zum Tadel. Dass sich der All-Terrain-Kombi etwas stärker in den Kurven neigt, stört kaum. Allerdings könnte die Spreizung der Fahrmodi ausgeprägter sein. Wer sich durch die Fahrprogramme klickt, sucht vergeblich nach einer Sport-Plus-Einstellung. Dafür gibt es zwei Offroad-Programme, die für Sand beziehungsweise Schnee (Offroad) und Fels (Offroad plus) geeignet sein sollen.

Der Rest ist von der konventionellen C-Klasse bekannt: Hervorragende Sitze, etwas mehr Platz als im Vorgänger inklusive einem Kofferraumvolumen, das durch die All-Terrain-Verpackung nicht beschnitten ist – 490 Liter stehen zur Verfügung. Die Verarbeitung des Testwagens war tadellos, allerdings ist die neue C-Klasse an einigen Stellen erheblich schlichter eingerichtet als ihr Vorgänger. Teure Zutaten wie Lederbezüge und Interieurleisten verdecken das nicht. Details wie die hintere Verkleidung der Kopfstützen erscheinen, als wenn Mercedes austesten möchte, bis zu welcher Schmerzgrenze die zahlungsbereiten Kunden eine Entfeinerung mittragen.

Mercedes C 220d All-Terrain (15 Bilder)

Mit der Höherlegung und dem unlackiertem Kunststoff wirkt die C-Klasse weniger elegant.

Die All-Terrain-Version der C-Klasse wird trotzdem ihre Abnehmer finden, ist sich Mercedes sicher. „Manche Kunden mögen das Konzept, bevorzugen aber eine günstige Variante“, erklärt Produktmanager Thorsten Wilke. Das freilich ist eine sehr freizügige Nutzung des Wortes „günstig“, denn das ist keine C-Klasse. Gegenüber dem gewöhnlichen C 220d 4Matic beträgt der All-Terrain-Aufpreis 3660 Euro. Darin enthalten ist wenigstens die zweiteilige Avantgarde-Ausstattung, die andernfalls knapp 2000 Euro kostet. Dennoch sind 55.735 Euro für den keineswegs komplett ausgestatteten C 220d 4Matic All-Terrain eine selbstbewusste Ansage.

(mfz)