Frequenzvergabe: Chefregulierer offen für Verlängerung statt Auktion
Das Jahrzehnte alte politische Dogma der Versteigerung von wertvollem Mobifunkspektrum wankt. Der Chef der Bundesnetzagentur zeigt sich offen für Alternativen.
In den Dauerstreit über die Vergabe der wertvollen Mobilfunkfrequenzen kommt offenbar Bewegung. Die langjährige Forderung der Netzbetreiber, ablaufende Lizenzen für die Frequenznutzung zu verlängern und nicht neu zu versteigern, fällt bei der Politik kurz vor dem anstehenden Regierungswechsel offenbar auf fruchtbaren Boden. Auch der Herr über das Spektrum, Chefregulierer Jochen Homann, hält eine Verlängerung zumindest für eine vorübergehende Möglichkeit.
Er könne sich "vorstellen, die Frequenzen kurzfristig und bedingt zu verlängern und zu einem späteren Zeitpunkt in einem Vergabeverfahren mit weiteren Flächenfrequenzen bereitzustellen", sagte Homann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom Montag. Der Präsident der Bundesnetzagentur, die über Frequenzvergaben entscheidet, betonte allerdings, dass noch nichts beschlossen sei. "Derzeit ist die Frage offen und noch nicht entscheidungsreif", sagte Homann. "Vor einer Entscheidung ist noch eine Vielzahl von Verfahrensfragen zu klären."
Befristete Verlängerung?
Am Montag tagte der politische Beirat der Bundesnetzagentur, um auch über dieses Thema zu sprechen. Mit dem anstehenden Regierungswechsel scheint die Frage der Frequenzvergabe wieder offener diskutiert zu werden als in den vergangenen Jahren, in denen eine Versteigerung die Regel war. So will laut FAZ der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) prüfen, "ob nicht eine rechtssichere befristete Verlängerung eine bessere Lösung sein kann". Der NRW-Politiker ist damit nicht allein.
Es geht dabei vor allem um das weit tragende und deshalb "Flächenfrequenzen" genannte Spektrum im 800-Mhz-Band, für das einige Lizenzen 2025 auslaufen. Die Netzbetreiber machen sich für eine unbürokratische Verlängerung stark. Sie verweisen dabei gerne auf die hohen Investitionen, die für den Ausbau von Mobilfunk- und Glasfasernetzen nötig sind – und die Rolle, die das Spektrum gerade für den Ausbau in ländlichen Regionen spielt.
"Diese Frequenzen sind das Rückgrat für schnelles mobiles Internet in ländlichen Regionen", erklärte Telefónica-Deutschlandchef Markus Haas. "Deshalb müssen aus Absichten jetzt Taten werden - für die weitere zügige Digitalisierung und die digitale Teilhabe der Menschen abseits der Ballungsräume. Die Politik muss nun eine Frequenzplanung entwickeln, die nicht nur die nächsten zwei Jahre betrachtet."
Zehn Jahre oder länger
Das geht an die Adresse der Ampelkoalition, die sich in ihrem Koalitionsvertrag bereits darauf verständigt hatten, die Frequenzvergabe "auf Vorgaben für Flächenversorgung" auszurichten und auch Alternativen bei der Vergabe zu berücksichtigen. Haas mahnt die Koalition, bei der Frequenzvergabe an "mindestens eine Dekade oder besser noch weit darüber hinaus" zu denken.
Den Verlängerungswünschen der drei Netzbetreiber steht allerdings der vierte im Weg: Der Anbieter 1&1, der sich mit ein paar 2019 ersteigerten Frequenzen und einem Roaming-Vertrag von Telefónica im Rücken anschickt, sein eigenes Netz aufzubauen. Auch 1&1 hat ein Auge auf die Flächenfrequenzen und wird diese nicht kampflos dem Gegner überlassen. Das Problem sieht auch der Chefregulierer. "Zu klären wäre die Frage des chancengleichen Zugangs zu Frequenzen für Neueinsteiger und den vierten Netzbetreiber", sagte Homann der FAZ.
Es wird keine leichte Entscheidung für die Bundesnetzagentur – zumal die Unabhängigkeit der Behörde zuletzt höchstrichterlich angezweifelt wurde: Im Oktober hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil Anhaltspunkte gesehen, dass die Bundesregierung "in erheblichem Umfang versucht" habe, auf Frequenzentscheidungen der Bundesnetzagentur "Einfluss zu nehmen".
(vbr)