Wie gut wirkt der neue Impfstoff von Novavax in der Omikron-Welle?

Auf den "Protein-Klassiker" unter den COVID-19-Impfstoffen haben viele gewartet. Nun soll er in der nächsten Woche erstmals verimpft werden. Was kann er?

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(Bild: kckate16 / Shutterstock.com)

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Nuvaxovid (NVX-CoV2373) heißt der Neue. Der fünfte bei uns zugelassene Impfstoff gegen COVID-19 stammt aus den Laboren des US-Impfstoffherstellers Novavax. Die erste Lieferung von 1,4 Millionen Dosen soll in dieser Woche (KW 8) in Deutschland im Bundeswehr-Zentrallager Quakenbrück eintreffen. Das Bundesgesundheitsministerium wird den Impfstoff dann nach bisher unklarem Schlüssel an die Bundesländer verteilen. Mit ersten Impfungen wird in der kommenden Woche gerechnet.

Das Impfprinzip von Nuvaxovid unterscheidet sich grundsätzlich von dem der Vektor- und mRNA-Impfstoffe. Dahinter steht ein altbewährtes Konzept, das auch einigen Grippe-Impfstoffen zugrunde liegt: ein aus Virusproteinen bestehender, sogenannter Spaltimpfstoff. Diese Art der Impfstoffe entsteht, wenn im Labor erzeugte Viren auf chemischem Weg aufgespalten werden. Organische Lösungsmittel oder Tenside sprengen die Virushülle in größere Bruchstücke. Diese werden im Anschluss gereinigt und die Bruchstücke herausgesucht, die sich für eine Impfreaktion eignen.

Für den COVID-19-Impfstoff hat das Unternehmen allerdings keine SARS-CoV-2-Viren zerlegt, sondern Baculoviren gentechnisch so verändert, dass sie das Spike-Protein des Coronavirus herstellen. Baculoviren sind DNA-Viren, die ausschließlich wirbellose Tiere infizieren – am liebsten Motten. In diese Baculoviren haben die Impfstoffentwickelnden das Gen des Spike-Virus von SARS-CoV-2 eingebaut und diese Viren dann in Zellkulturen angezüchtet, die auf Nachtfalterzellen basieren. Das Spike-Protein ist zusätzlich durch drei Mutationen so verändert, dass es später als Impfstoff besser vom Immunsystem verarbeitet wird und außerdem vor dem Abbau durch Enzyme geschützt ist. Aber es basiert – ebenso wie alle anderen zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 – auf der Wildtypvariante des Virus.

Die Zellen, in denen sich das Virus vermehrt, transportieren das Spike-Protein an die Zelloberfläche. Von dort werden sie abgeerntet und lagern sich – nachdem sie sich von der Oberfläche gelöst haben – spontan zu Nanopartikeln aus Spike-Proteinen zusammen. Diese Partikel werden dann zum Impfen verwendet. Diese Technik, genetisch veränderte Spaltimpfstoffe herzustellen, ist relativ neu, kommt aber bereits bei etablierten Impfstoffen zum Einsatz – etwa gegen Hepatitis B oder bei der Impfung gegen das Humane Papillomavirus.

Der Vorteil der Spaltimpfstoffe gegenüber abgeschwächten Lebendimpfstoffen ist, dass sie dem Immunsystem ein Stück des echten, infektiösen Virus zeigen können, ohne, dass eine Gefahr für die Geimpften von einem lebenden Virus ausgeht. Der Nachteil ist allerdings, dass diese Impfstoffe aus hoch gereinigten Virus-Bruchstücken nur eine leichte Immunreaktion auslösen, die meist nicht ausreicht, um einen Impfschutz aufzubauen. Um diese Schwäche zu überwinden, werden Spaltimpfstoffen Adjuvanzien zugesetzt. Ein traditionelles Adjuvans ist beispielsweise Aluminiumhydroxid. In Nuvaxovid wird allerdings ein neuartiger Wirkverstärker eingesetzt, den Novavax selbst entwickelt hat und der bislang in keiner anderen Impfformulierung zugelassen ist: "Matrix-M1". Das sind Nanopartikel aus Wirkstoffen des chilenischen Seifenrindenbaumes. Eine Impfdosis Novaxovid enthält fünf Mikrogramm Antigen und 50 Mikrogramm des Wirkverstärkers.

Der grundsätzliche Nachteil der Spaltimpfstoffe ist jedoch ein wichtiger Schwachpunkt von Nuvaxovid beim Schutz vor COVID-19: Spaltimpfstoffe lösen nicht die Bildung so genannter zytotoxischer T-Zellen aus. Diese Art der T-Zellen ist jedoch wichtig für eine breite Immunantwort, die die Bildung anderer T-Zellen kaum kompensieren kann. Aber gerade die Bildung dieser speziellen Art der T-Zellen (CD8+-Zellen), die erst im Thymus in einem komplizierten Trainingsvorgang reifen, sind ein wichtiger Pfeiler für den Schutz vor neuen Virusvarianten. Sie bilden genau die breite T-Zell-Immunität, die zwar eine Infektion mit den verschiedenen Varianten des Virus zulässt, aber dennoch vor einem schweren Krankheitsverlauf schützt. Die T-Zell-Immunität, die die Vektor- und mRNA-Impfstoffe und die heterologen Impfschemata (also zum Beispiel: Erstimpfung mit AstraZeneka (Vektorimpfstoff), danach Zweit- und Boosterimpfung mit Comirnaty (mRNA-Impfstoff)), hervorrufen.

Auch Nuvaxovid wurde – wie alle anderen zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 – auf der Basis des Wildtyps getestet und steht der stark veränderten Omikron-Variante ebenso unpassend gegenüber, wie alle anderen Impfstoffe auch. Die klinischen Tests zeigen, dass er eine gute Antikörper-Antwort auslöst, aber die allein ist gegen Omikron wenig hilfreich.

Die Zulassung von Nuvaxovid beruht auf zwei großen klinischen Prüfungen mit über 40.000 Menschen. Die erste Studie lief in den USA und Mexiko, während die Alpha-Variante kursierte. Dabei zeigte der Impfstoff eine Woche nach der zweiten Impfdosis – die 21 Tage nach der ersten Dosis verabreicht wurde – eine Schutzwirkung vor Infektionen von 90,4 Prozent. Vor moderaten bis schweren Verläufen schützte die vollständige Impfung in der Studie sogar zu 100 Prozent.

Die zweite Studie führte Novavax in Großbritannien durch. Sie brachte ähnliche Ergebnisse mit einer Wirksamkeit von fast 90 Prozent. Auch während dieser Studie musste das Immunsystem der Probandinnen und Probanden "nur" die Alpha-Variante abwehren.

Dass schon gegen die südafrikanische Beta-Variante (B.1.351) der Schutz deutlich geringer ausfiel, zeigte eine weitere Untersuchung: Nur noch 60 Prozent Schutzwirkung gegenüber einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung konnte der Impfstoff erzielen.

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Darüber, wie gut der Impfstoff gegen die Omikron-Variante wirkt, gibt es derzeit noch keine belastbaren Aussagen – zwar wertet Novavax die Ergebnisse aus einer laufenden Studie in den USA und Australien als "ermutigend", allerdings spielt Omikron auch in diesem Studiensetting keine Rolle. Lediglich Alpha, Beta und Delta kursierten in der Studiengruppe. Das Ziel der Untersuchung ist, die Wirksamkeit einer dritten Impfdosis – des Boosters – zu erforschen. Wie auch bei den anderen Booster-Impfungen mit mRNA-Impfstoffen steigt nach einer dritten Impfung der Anteil der Antikörper gegen das Spike-Protein stark an. Wie gut der Proteinimpfstoff als Booster in einem heterologen Impfschema – also nach Vektor- oder mRNA-Impfstoffen – wirkt, wurde allerdings nicht untersucht. Ob ein Nuvaxovid-Booster nach einer Vektor- oder mRNA-Grundimmunisierung hilfreich ist, weiß – noch – niemand.

Die Informationen des Unternehmens über die Wirksamkeit der Impfung, des homologen Boosters und die Zusammenhänge mit den verschiedenen Varianten sind jedoch so verwirrend dargestellt, dass selbst die WHO auf ihrer Übersichtsseite bis vor wenigen Tagen noch lanciert hat, dass Nuvaxovid gegen die Omikron-Variante wirkt. Inzwischen ist diese Aussage korrigiert.

Stellt sich die Frage: Weshalb sollte man mit einem Impfstoff impfen, der aufgrund seiner pharmakologischen Grundeigenschaften den immer wichtiger werdenden Strang des Immunsystems – die T-Zell-Immunität – nicht unterstützt? Und der zudem erst nach drei Dosen einen "ermutigenden" Antikörper-basierten Schutz aufbaut? Zumal dieser Schutz erst nach sieben Monaten, wenn der volle getestete Impfzyklus aus drei Impfungen durchlaufen ist, greift. Man könnte es als Zweifel des Unternehmens am ausreichenden Impfschutz seines Produktes deuten, dass die mit der Markteinführung veröffentlichte Ankündigung zugleich darauf hinweist, dass Novavax bereits an einem angepassten Impfstoff arbeitet.

(jsc)