Suizide: Amazon wegen Verkauf von Konservierungsmittel unter Druck

Das zur Konservierung von Lebensmitteln zugelassen Natriumnitrit wird in den USA immer häufiger für Selbsttötungen verwendet. Amazon verkauft es weiterhin.

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Ein auf einer Computertastatur liegender weißer Würfel zeigt ein Kreuz

(Bild: Shutterstock/stockwerk-fotodesign)

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Die Zahl der Suizide in den USA und anderen Ländern sind Berichten zufolge immer häufiger auf das zur Lebensmittelkonservierung benutzte Natriumnitrit zurückzuführen. Die chemische Verbindung ist im Internet, darunter auch bei Amazon, frei erhältlich. Nun fordern Mitglieder des Kongresses in den USA einige Antworten zu den Vorfällen.

Mitglieder des Repräsentantenhauses forderten der New York Times zufolge in einem Brief an Andy Jassy, dem CEO von Amazon und Nachfolger von Jeff Bezos, Antworten zu den Zusammenhängen zwischen den Verkäufen von Natriumnitrit und den damit verbundenen Suiziden. Zusätzlich baten sie um Auskunft, wie das Unternehmen gegen möglichen Gefahren vorgegangen ist und wie es auf Beschwerden reagiert hat.

Natriumnitrit ist ein Bestandteil von Pökelsalz und unter bestimmten Auflagen als Zusatzstoff für Konservierungsmittel zugelassen – in höheren Dosierungen führt es jedoch zu Vergiftungen. Die Informationen, wie das Mittel für einen Suizid eingesetzt werden kann, seien einer Website zu entnehmen, über die die New York Times zuvor berichtet hatte.

Demnach wurden viele Todesfälle mit der Website und den dort gegebenen Anweisungen zur Verwendung chemischen Verbindungen zum Suizid in Verbindung gebracht. Die New York Times habe inzwischen mehr als 50 Tote in dem Zusammenhang identifiziert, die unter 25 Jahre alt waren – einige seien minderjährig gewesen. Neben der Verwendung soll es auch Hinweise auf der untersuchten Website gegeben habe, wie man das in vielen Ländern legale Natriumnitrit beziehen könne.

Zu der Suizid-Website haben die Mitglieder des Kongresses demzufolge Informationen eingeholt, inwiefern Google und andere Technologieunternehmen zu der Zugänglichkeit der Website beigetragen haben. Zusätzlich soll ein Staatsanwalt um die Prüfung auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen gebeten worden sein.

Die Gesetzgeber gehen dem Bericht zufolge davon aus, dass Amazon die am häufigsten verwendete E-Commerce-Website sei, auf der das Präparat erworben werde. Es gebe auch Behauptungen, nach denen Produktbewertungen auf Amazon, die vor den möglichen Gefahren warnen, vom Unternehmen entfernt worden seien.

Amazon sprach in einer Antwort an die Gesetzgeber den Angehörigen sein Beileid aus und verwies auf andere Einzelhändler, die das Produkt ebenfalls verkaufen. Amazon stelle seinen Kunden eine große Auswahl an Produkten zur Verfügung, "weil wir darauf vertrauen, dass sie diese Produkte wie vom Hersteller vorgesehen verwenden", schrieb Brian Huseman, Vice President Public Policy von Amazon.

Viele der kritischsten Fragen seien von Amazon nicht beantwortet worden, sagte US-Repräsentatin Lori Trahan. Das Unternehmen hätte mit seiner Antwort die Gelegenheit gehabt, an einer Lösung mitzuarbeiten.

Andere Anbieter hätten den Verkauf von Natriumnitrit eingeschränkt, berichtet die New York Times weiter. So habe eBay den weltweiten Verkauf des chemischen Mittels im Jahr 2019 verboten, nachdem Berichte über die Verwendung zum Suizid bekannt geworden waren. Allerdings gebe es trotz des Verbots "skrupellose und ahnungslose Verkäufer, die die entsprechenden Richtlinien und Filter umgehen".

Im November 2020 habe die Verkaufsplattform Etsy ebenfalls den Verkauf des Produkts verboten, nachdem ein Kunde im Mai 2018 den Kauf mit einem Suizid in Verbindung gebracht hatte. Im August 2020 erklärte ein 35-jähriger aus Mississippi auf der Website mit Suizidanweisungen, dass er Natriumnitrit auf Etsy gekauft habe – Tage später sei er tot gewesen. Das Produkt ist dem Bericht zufolge bei verschiedenen Anbietern online weiterhin verfügbar.

Weiteren Berichten und Studien zufolge nahmen die Suizide unter Verwendung von Natriumnitrit in den vergangenen Jahren stetig zu. Dr. Kyle Pires vom Yale University Hospital erklärte, dass Politiker sich der Verwendung des Mittels bei Selbsttötungen bewusst sein sollten und der Verkauf an Einzelpersonen verboten werden sollte.

Pires ist sich bewusst, dass die Einschränkung des Verkaufs eines legalen Produkts kritisch sei. Für ihn sei es aber eine einfache Rechnung, wenn man die Anzahl von ein paar Personen betrachte, die das Produkt zum Konservieren von Lebensmitteln verwenden, im Vergleich zu einer wachsenden Zahl junger Menschen, die sich damit umbringen.

In den USA habe eine Frau aus Texas Klage gegen Amazon wegen fahrlässiger Tötung eingereicht. Ihr 27-jähriger Sohn habe mit auf Amazon erworbenem Natriumnitrid Suizid begangen. Sie habe sich fünfmal an Amazon gewandt, um das Unternehmen zu informieren. In einer Antwort per E-Mail hieß dem Bericht der New York Times zufolge, dass "der Verlust einem leid tue, aber wenigstens sei ihr Sohn jetzt in Gottes Händen".

(bme)