Elektromobilität: Software soll teuren Stromnetzausbau vermeiden helfen

An der OTH Regensburg werden die Grenzen des Stromnetzes erkundet und wie kritischen Zuständen mit Software begegnet werden kann.

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Auch Elektromobilität kann flott sein, könnte dieses Bild in einer Broschüre Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft besagen. Aber nur, wenn das Netz ausreichend Strom hergibt.

(Bild: VBEW)

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Kann das Stromnetz in Deutschland dem zunehmendem Ausbau der Elektromobilität standhalten? Dieser Frage widmet sich das Forschungsprojekt NiEMob der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg und der Energie-Dienstleister Consolinno, erste Ergebnisse liegen nun vor. Aus einer Simulation hat sich ergeben, dass erste kritische Netzzustände auftreten, wenn 30 Prozent der Haushalte eine Wallbox mit 11 kW haben.

Die OTH Regensburg hat für die Simulation anhand eines Netzplans die aktuelle Struktur des Niederspannungsnetzes und das Lastverhalten der bisherigen Verbraucher in Regensburg nachgebildet. Mithilfe von vor Ort gemessenen Werten wurde das von der OTH selbst entwickelte Simulationsmodell verifiziert und das Verbrauchsverhalten bei steigendem Anteil von Elektrofahrzeugen durch Hinzurechnen weiterer Ladepunkte untersucht. Dazu wurden von dem IoT-Gateway Leaflet der Consolinno Energy und fünf Energiezählern an einer Ortsnetzstation im Netzgebiet der Regensburg Netz GmbH die kumulierten Daten von 150 angeschlossenen Gebäuden mit 400 Wohnungen erfasst und digitalisiert.

"Ab einem Anteil von etwa 50 Prozent der Haushalte mit einer Lademöglichkeit in Form einer 11kW-Wallbox treten kritische Zustände verstärkt auf, was die zeitliche Verschiebung von Ladevorgängen etwa in die Nacht notwendig macht, damit auf einen kostenintensiven Netzausbau verzichtet werden kann", erläutert Markus Henneke von der Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES) der OTH Regensburg. Ab einem Anteil von 30 Prozent habe die Simulation erste kritische Netzzustände ergeben, welche vor allem durch zu geringe Spannungen in einzelnen Netzsträngen entstünden.

"Kritische Stunden treten am frühen Abend auf, wenn viele Fahrzeuge nach Benutzung am heimischen Ladepunkt angesteckt werden", sagte Henneke. Teil der Lösung soll die Digitalisierung des Stromnetzes kombiniert mit einer intelligenten Steuerung von Verbrauchern vor Ort sein. Dies hätten auch bereits Studien der DENA und des BDEW ergeben. Leaflet soll um die Module "Elektromobilität" und "Netzmanager" weiterentwickelt werden, um damit Stromnetzstabilität durch intelligente Steuerung zu gewährleisten und einen teuren Netzausbau auf ein Minimum zu reduzieren.

Consolinno, das 2017 von dem OTH-Diplomphysiker Klaus Nagl gegründet wurde, habe die Hard- und Softwarekomponenten weitestgehend entwickelt, heißt es aus dem Projekt NiEMob, die Daten aus den Messungen sollen nun helfen, die Algorithmen netzdienlich zu gestalten. Ein Test in einem Reallabor stehe unmittelbar bevor.

"Natürlich ist nicht jede minimale Überschreitung eine Normverletzung. Eine solche liegt vor, wenn mehr als 5 Prozent der alle zehn Minuten erhobenen Messwerte den Grenzwert überschreiten", sagte Matthias Pfeifer von Regensburg Net. Wenn es langfristig keine Steuerung gäbe, würden dennoch künftig kritische Zustände auftreten. Damit dies nicht passiert, will Regensburg Netz auf eine intelligente Steuerung setzen, die sie in NiEMob gemeinsam mit der OTH und Consolinno entwickeln wollen.

Die Bundesregierung will erreichen, dass bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Vor diesem Hintergrund beschäftigen sich Stromversorger, Netzbetreiber und Forschende mit den dadurch möglicherweise entstehenden Problemen, beispielsweise in Limbach-Oberfrohna bei Chemnitz.

(anw)