COVID-19: Weshalb manche Menschen gar nicht am Coronavirus erkranken

Wer trotz Kontakt mit Sars-CoV-2 kein COVID-19 bekommt, könnte durch besondere T-Zellen geschützt sein. Diese unterbinden die Infektion sehr früh.​

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(Bild: PhotoSGH / Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Manche Menschen erkranken trotz mehrfachem Kontakt mit dem Sars-CoV-2-Virus nicht an COVID-19. Bei ihnen fallen nicht nur die Schnell- und PCR-Tests zum Nachweis einer akuten Infektion negativ aus. Auch Antikörpertests, die nach diesen Abwehrmolekülen im Blut suchen und selbst eine symptomlose Erkrankung nachträglich nachweisen können, werden nicht fündig. Im Mediziner-Fachjargon heißen diese Menschen seronegativ. Ihr Körper unterbindet die Infektion, noch bevor Antikörper im Blutserum zu finden sind – und das auch ohne Impfung.

Wie ihr Immunsystem sich mehrere Virusvarianten vom Hals zu halten vermag, wäre sehr hilfreich zu wissen. Dann ließen sich vielleicht langfristig wirksame Impfungen entwickeln, die den Körper lehren, Infektionen auf die gleiche Weise früh zu unterbinden. Die bisherigen Impfstoffe wurden gegen den ursprünglichen Pandemie-Stamm entwickelt und bieten gegen jede neue dominante Variante immer weniger Schutz. Zum einen passen die per Impfung erzeugten Antikörper immer weniger zum mutationsbedingt veränderten Spikeprotein auf der Virusoberfläche. Zum anderen greift auch der – länger als die Antikörper wirkende – Schutz der neu gebildeten T-Zellen immer weniger, weil sie ebenfalls das Spikeprotein anvisieren.

Das ist bei den seronegativen Menschen anders, wie zwei Londoner Forschergruppen bei medizinischem Personal sowie bei Angehörigen, die neben COVID-19-Kranken gesund gebliebenen waren, gezeigt haben. Statt Oberflächenproteinen erkennt ihr Immunsystem versteckte Proteine, also Eiweiße im Inneren der Viren, die für die Vermehrung der Erreger wichtig sind.

Corona-Pandemie: Neue Varianten - Erkrankung - Impfung

Bei diesen Eiweißen handelt es sich etwa um Enzyme, die "die Viren als allererstes bilden, wenn sie anfangen müssen, sich zu vermehren", sagt Mala Maini vom University College London, deren Team im Rahmen der COVIDsortium-Studie mit medizinischem Personal 730 Probanden untersucht hat. "Diese Proteine sind evolutionär hochkonserviert, die Viren können sich einfach nicht leisten, sie zu verändern." Werden diese sich kaum verändernden Eiweiße schnell aus dem Verkehr gezogen, verhindert das die Produktion neuer Viren, die den Körper kolonisieren und schließlich andere Menschen infizieren würden.

Woher aber haben manche Menschen diesen Schutz? Ihre T-Zellen gegen die internen Proteine wurden nicht erst durch den Kontakt mit dem Sars-CoV-2-Virus gebildet. "Wir denken, dass sie bei einer früheren Infektion mit einem ähnlichen Virus entstanden sind", sagt Maini. Sie passen aber auch zu Sars-CoV-2. Virologen sprechen in solchen Fällen von kreuzreaktiven T-Zellen.

Sobald sie ein eindringendes Virus erkennen, vermehren sich diese Immunzellen schnell. Möglicherweise waren es die ebenfalls zur Familie der humanen Coronaviren gehörenden Erkältungsviren, die das Immungeschenk hinterlassen haben. "Wir können es nicht mit Sicherheit sagen, aber wir haben gesehen, dass einige der T-Zellen sowohl Erkältungs-Coronaviren und Sars-CoV-2 erkennen", sagt Maini.

Beim Kontakt mit dem neuen Coronavirus kommet es dann zu "einer kurzen, vorübergehenden Infektion, man nennt sie auch abortiv", erklärt Maini. Sie heißt so, weil sie extrem schnell unterbunden wird. Dass COVID-19 zumindest kurz und unbemerkt selbst bei den – aus medizinischem Personal, Medizinstudenten und Laborpersonal rekrutierten – seronegativen Probanden aufgeflackert war, machte Mainis Gruppe an zwei Ergebnissen fest.

So fanden die Forscher im Blut der Probanden das als Infektionssignal bekannte Protein IFI27. Zudem hatten sich jene T-Zellen vermehrt, die auch gegen Sars-CoV-2 wirksam waren. Die Zahl der anderen T-Zellen, die etwa durch den Kontakt mit Influenza-Viren oder dem Epstein-Barr-Virus entstanden waren, blieb dagegen gleich.

Warum nur manche Menschen die hilfreichen kreuzreaktiven T-Zellen für Sars-CoV-2 in sich tragen, ist noch unklar. Fest steht, dass all jene, die sich trotz mehrfacher Exposition nicht ansteckten, schon vor den Expositionen besonders viele von diesen Zellen besaßen.

Das scheint auch bei Angehörigen von COVID-19-Kranken der Fall zu sein, die trotz Kontakt mit dem Virus nicht erkrankten. Forscher um Ajit Lalvani vom Imperial College London untersuchten in einer Pilotstudie, die im September 2020 vor der Verfügbarkeit von Impfungen gestartet war, 52 Angehörige. Im Blut jener 26 Probanden, die nicht an COVID-19 erkrankten, fanden die Forscher kreuzreaktive T-Zellen, die ihrer Einschätzung nach aus früheren Infektionen mit Erkältungsviren stammten, wie sie im Januar im Fachjournal "Nature Communications" schrieben.

Die T-Zellen waren schon in den ersten sechs Tagen, nachdem die Erkrankten erste Symptome gezeigt hatten, in erhöhten Mengen zu finden. Neu gebildete T-Zellen würden erst ab zehn Tagen auftauchen. Ihre Ergebnisse lassen die Forscher zudem auf einen weiteren Vorteil der kreuzreaktiven T-Zellen hoffen: Diese wandern nach ihrer Aktivierung möglicherweise in die Schleimhäute, wo der Erstkontakt mit Viren stattfindet. Das könnte erklären, wie sie die Erreger so schnell abfangen.

Kreuzreaktive T-Zellen gegen konservierte Virusproteine gelten schon seit einiger Zeit als prominente Kandidaten für den schnellen und breiten Immunschutz gegen Corona. Tatsächlich entwickeln bereits erste Unternehmen Impfstoffe, die ebenfalls eine T-Zell-Reaktion gegen diese Proteine hervorrufen sollen. So testet zum Beispiel Gritstone Bio aus den USA einen Impfstoff, der neben Kopien des Spikeproteins auch verschiedene Kopien von hochkonservierten Proteinen als Trainings-Antigene für das Immunsystem liefern soll.

Die bisherigen COVID-Impfstoff-Entwickler scheinen indes abzuwarten, ob sich lohnt, auf diesen Zug aufzuspringen. Für sie lohnt sich eher das Geschäftsmodell, ihre Vakzine in bestimmten Abständen an neue Varianten anzupassen. Insgesamt muss sich in der Tat zeigen, ob eine Art Universalimpfstoff gegen COVID-19 möglich ist. Bei der Grippe beißen sich die Entwickler seit Jahrzehnten die Zähne daran aus.

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(vsz)