EU-Parlament: Pegasus-Untersuchungsausschuss will NSO-Chef vorladen

EU-Abgeordnete wollen etwa mit Verboten ein klares Zeichen gegen das Ausspähen von Oppositionellen, Anwälten und Journalisten mit Spyware wie Pegasus setzen.

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(Bild: T. Schneider/Shutterstock.com)

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Am Dienstag hat der Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments zum Einsatz von Pegasus und ähnlicher Spähsoftware in Europa seine Arbeit aufgenommen. "Wir müssen das Problem sehr ernst nehmen", betonte Philippe Lamberts (Grüne), Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, vor der konstituierenden Sitzung. Eine ganze Reihe von Mitgliedsstaaten verstießen gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte. Er erwarte von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und der EU-Kommission, entschieden dagegen vorzugehen.

Die Volksvertreter riefen den Untersuchungsausschuss Anfang März nach Berichten ins Leben, dass Ungarn und Polen das von der israelischen NSO Group entwickelte Spionageprogramm Pegasus missbrauchten, um im großen Stil Journalisten und Oppositionskräfte ins Visier zu nehmen. Angesichts der jüngsten Enthüllungen aus Spanien über die Überwachung katalanischer Politiker hat der Ausschuss an Gewicht gewonnen.

"Was wir bisher vor allem aus autoritären und diktatorischen Regimen kannten, sehen wir jetzt zunehmend in europäischen Demokratien", monierte die grüne EU-Abgeordnete Hannah Neumann. Das Ausspähen von Abgeordneten unterwandere nicht nur deren demokratische Immunität, sondern sei auch ein Tabubruch und ein unverhohlener Angriff auf das Parlament: "Wenn einer von uns im Visier ist, sind wir alle im Visier." Es gelte daher, diese "und die vielen anderen Attacken auf die Grundrechte lückenlos" aufzuklären. Dabei erwarte man die "volle Kooperation" der EU-Staaten: "Wir fordern den sofortigen Stopp des Einsatzes der Spionagesoftware."

Mit der Untersuchung wollen die Volksvertreter Neumann zufolge "ein klares Zeichen setzen, dass das Einmischen in die politische Arbeit nicht akzeptabel ist". Sie planten, unter anderem den Chef der NSO Group, Shalev Hulio, vorzuladen. Die Berichterstatterin des Parlaments für Menschenrechte geht davon aus, dass am Ende der Ruf nach einem Verbot des Einsatzes von Spionagesoftware insbesondere gegen Politiker, Anwälte und Journalisten steht. Dass mindestens sechs EU-Abgeordnete betroffen seien, stelle einen "europäischen Skandal" dar. Es gelte, die IT-Sicherheit der Parlamentarier zu stärken. Parallel müsse der Ministerrat eine Aussprache führen und das Vorgehen verurteilen.

"Wir brauchen einen Rechtsrahmen, um uns gegen massives Ausspionieren wehren zu können", verlangte die vom "Catalan Gate" betroffene EU-Abgeordnete Diana Riba i Gener. Die publik gewordene Spionage gegenüber den demokratischen Systemen in Europa stelle nicht nur einen schweren Eingriff in die Meinungsfreiheit und politisches Engagement dar, sondern sei auch eine Straftat, die sich letztlich gegen alle 450 Millionen Europäer richte. Dies dürfe nicht ungestraft bleiben.

Für Riba i Gener bilden die aufgedeckten Fälle nur die Spitze des Eisbergs. Das Mitglied der Grünen-Fraktion will als Angehörige des Ausschusses unermüdlich daran arbeiten, dass die Vorgänge aufgeklärt und die nötigen rechtlichen Schritte unternommen werden. Mitgliedsstaaten wie Spanien müssten offenlegen, ob sie Software wie Pegasus gekauft und gegen wen sie diese gegebenenfalls eingesetzt hätten.

Spanische Behörden stehen im Verdacht, die Mobiltelefone von über 60 Anführern der katalanischen Separatistenbewegung gehackt zu haben. "Wir sind alle in einer massiven und illegalen Weise über Software ausspioniert worden, die nur Staaten besitzen können", beklagte der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont auf Twitter. "Politiker, Anwälte und Aktivisten sind alle Opfer von Spaniens schmutzigem Krieg gegen eine legitime Idee." Seine Frau soll abgehört worden sein.

"Alle Abhöraktionen erfolgen auf richterliche Anordnung und unter voller Beachtung der Legalität", erklärte das spanische Innenministerium dagegen. Auch Quellen des spanischen Geheimdienstes Centro Nacional de Inteligencia (CNI) erklärten gegenüber dem Radiosender Cadena Ser, dass jegliche Bespitzelung im Einklang mit dem Gesetz durchgeführt werde.

Andrzej Halicki von der konservativen Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) erinnerte daran, dass in Polen etwa ein Anwalt des Ex-Präsidenten des EU-Rats, Donald Tusk, eine Staatsanwältin und ein wichtiger Oppositionspolitiker mit Pegasus ausspioniert worden seien. Bis jetzt habe es noch kein nationales Verfahren deswegen gegeben. Es sei daher überfällig, dass der Ausschuss seine Arbeit aufnehme. Die Fähigkeit Europas, die Demokratie zu schützen, stehe auf dem Spiel.

In Ungarn wolle die Regierung von Viktor Orbán nach ersten Eingeständnissen die dortige Pegasus-Affäre totschweigen, gab Anna Júlia Donáth von der liberalen Renew-Fraktion zu bedenken. In dem EU-Land könne "jeder ausgespäht werden ohne Konsequenzen". Der Justizminister dürfe jede Art von Überwachung anfordern, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Auch sie plädierte daher dafür, die damit verknüpfte "Krise der Rechtsstaatlichkeit" europäisch anzugehen sowie die Presse- und Informationsfreiheit zu stärken.

Das EU-Parlament hatte die Kommission bereits im März aufgefordert, eine Liste illegaler Spyware zu erstellen und ständig zu aktualisieren. Die EU-Länder sollen dieses Verzeichnis für Exportprüfungen heranziehen. Es gelte, eine "umfassende menschenrechtliche Sorgfaltspflicht" zu gewährleisten. Nach dem Vorbild des Citizen Lab in Toronto soll eine vergleichbare Institution in der EU geschaffen werden, die einschlägige Malware per Reverse Engineering entschlüsseln und ihren Einsatz für illegale Zwecke aufdecken kann.

Mitglieder der Kommission, wie der für Justiz zuständige Ressortleiter Didier Reynders, sind laut Berichten bereits ebenfalls mit Spyware angegriffen worden. Der Belgier betonte nun auf Anfrage von Renew-Mitgliedern: "Die Kommission verurteilt aufs Schärfste jeden illegalen Zugang zu Kommunikationssystemen oder jede Form des unrechtmäßigen Abhörens der Kommunikation von Nutzern. Alle Versuche der nationalen Sicherheitsdienste, illegal auf Daten von Bürgern, einschließlich Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft oder politischen Gegnern, zuzugreifen, sind inakzeptabel."

(olb)