Was war. Was wird.
Die digitale Tinte ist noch lange nicht getrocknet ob der fälligen Erinnerungen dieser Tage. Immerhin weiß Hal Faber endlich, wie die eine Hälfte des Himmels im Falle des c't-Publikums samt Lebensgefährte aussieht.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** "Bert, kann ich dich mal was fragen?"
"Was denn, Ernie?"
"Was ist denn das WWWW, von dem hier alle reden?"
"Das WWWW? Das heiĂźt doch WWWWWW!"
(Singt) "Wer wie was, wieso weshalb warum. Wer..."
(Unterbricht)"Nein, das heiĂźt WWWW und ist im Internet."
"Ernie, du meinst das WWW. Das ist ein groĂźer Haufen."
"Nein das WWWW, da gab es einen Wettbewerb und gewonnen hat das Gnu mit diesem Bild und wir waren ĂĽberhaupt nicht dabei, bei all den eingesendeten Fotos voller Maskottchen. Und ich wollte doch zu unserem Geburtstag heute, schluchz, ins WWWW."
"Komm Ernie, was kann das WWWW dafür, wenn es über Menschen und Maschinen geht, die nur 0 und 1 können, Flip und Flop."
"Flip und Flop? Wieso nicht Flip, Flap, Flop? Oder "Wop bop a loo bop a lop bam -- wham?" (Musik, Off)
*** Was mit dem Hasen Cäsar begann, hatte in Deutschland in der Erziehung nach Auschwitz einen schweren Stand. Im Land von Müller-Lüdenscheid muss noch die Ente Form wahren. Ja, Ernie, Computer sind einfache Dinger, die Menschen hingegen gewitzt und abgefeimt, zu jedem Schurkenstück bereit. Diese Erkenntnis trifft auch auf den vom Gnu gewonnenen Lookalike-Wettbewerb nach diesem Vorbild zu. Als Preis sollen die Ansichten eines Gnus nun die "Art of Deception" von Kevin Mitnick bekommen -- doch scheint die hohe Kunst der Täuschung selbst das Produkt einer Täuschung zu sein, wenn man das erste, angeblich verhinderte Kapitel von Mitnicks Abenteuern unter den Menschen liest. Die amerikanische Vorab-Version, die auf meinem Schreibtisch auf den Versand wartet, enthält wiederum ein ganz anderes Einstiegskapitel. Pro captu lectoris habent sua fata libelli -- wie der Leser sie auffasst, so haben die Bücherchen ihr Schicksal. Das gilt offensichtlich auch für "Bad Boy Ballmer", einer Biografie des amtierenden Microsoft-Vorsitzenden -- geschrieben von einem Journalisten, der in dieser Woche die Aktionärsversammlung von Microsoft zu sprengen versuchte. Frederic Alan Maxwell behauptete, dass Microsoft den amerikanischen Secret Service beauftragt habe, ihn auszuspionieren und verlangte von Ballmer die Herausgabe des Materials. Zumindest ist der ebenfalls ausgelobte "Gute Mensch von Sezuan" gegen alles Böse gefeit, den suchenden Göttern sei Dank.
*** Zu diesen zweifelnden Göttern sind diese Woche zwei Superstars der Nachkriegsära gezogen, Lonnie Donegan und Jens Daniel. Unter diesem Namen schrieb Zeitgenosse Rudolf Augstein im Vodafone-roten Spiegel seine besten Artikel gegen die Politik von Kanzler Adenauer. Wie Lonnie Donegan machte er seine eigene Musik. Augsteins Tod produzierte Peinlichkeiten im Überfluss, am liebsten in Verbindung mit der schwachsinnigen Formulierung vom Sturmgeschütz der Demokratie, die zuallererst eine Kritik am Spiegel war: In Sturmgeschützen hat man einen verengten Blickwinkel. Immerhin: Im allgemeinen Geblubber zeigte Mathias Döpfner noch, was rechte Springer-Qualität in der Welt ist, als er Augstein charakterisierte, und zwar als einen der "drei großen linksliberalen Journalisten, die die Nachkriegsrepublik geformt und deformiert haben". Im "traurigen Nest Hannover" habe er sein Blatt starten müssen, schrieb Augstein einst, was unsere Lokalpresse noch heute freut. Da hilft nur noch Lonnie Donegan mit seinem unsterblichen "Does Your Chewing Gum Lose Its Flavor On The Bedpost Overnight".
*** Disclaimer: Der Autor ist sich bewusst, dass Lonnie Donegan einer der größten Machos der Popmusik war. Zum Ausgleich hier klicken.
*** 70 Millionen US-Dollar hat das Spektakel gekostet, mit dem Microsoft an mehreren Orten den Tablet PC in das Rennen schickte. Glaubt man den Berichten, so liegt das seltsame Dokument einer Anpassung der Computertechnik an die sozialen Räume des Schreibens seinem Mentor Bill Gates näher am Herzen als die eigenen Kinder. Wie oft erleben wir Journalisten es, schief angeschaut zu werden, wenn wir inmitten einer Veranstaltung mit den Tasten klappern. Nun soll uns das Tablett sozialkompatibel machen -- und die Arbeit mit Texten drastisch ausbremsen. Den besten Kommentar zum Tablet PC lieferte die Wirtschaftswoche, die stolz als einziges deutsches Magazin eine spezielle Tablet-PC-Ausgabe produziert. Der erste Ausgabe für die digitale Kladde beschäftigt sich mit China. Schon im Titel führte das Blatt chinesische Schriftzeichen, die wunderbar als digitale Tinte eingegeben werden. Irgendwohin müssen ja die 17,5 Millionen Tablet PC verkauft werden, die Microsoft bis 2004 auf dem Markt sieht. Der beste Nicht-Kommentar der Woche kommt vom Notes-Erfinder Ray Ozzie. Seine Site zum Tablet PC sollte den Launch begleiten und ist wegen technischer Probleme mit der digitalen Tinte nicht erreichbar.
Was wird.
Vor 125 Jahren wurde am 12. November 1877 zwischen Rummelsburg und Friedrichsberg bei Berlin die erste deutsche Telefonstrecke in Betrieb genommen. Der preußische Ministerpräsident und deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck (salü, Rudolf) eröffnete das Sprech-Telegrafenamt und zeigte sich begeistert. Und weil die Historie so lehrreich ist, sei der 9. November 1907 gleich mit erzählt: Vor 95 Jahren druckte der Daily Mirror zu London das erste Foto, das auf diesem Wege übermittelt wurde, ganz ohne Modem und WWW. Besagter Mirror führte später einen Prozess gegen einen Zeichner, der solch ein Bild zum Vorbild nahm. Leider ist nicht bekannt, ob das eine Privatkopie war oder im Auftrag der Konkurrenz passierte. Am 14.11. geht die Novelle des Urheberrechtsgesetzes in die erste Lesung des Bundestages. Vorher soll eine Unterschriftensammlung an Ministerin Zypries übergeben werden. Wie bei den Software-Patenten ist noch nichts entschieden. Das Traurige an der Geschichte ist die Zäglichkeit, mit der Stiftungen und andere wohlmeinende Organisationen gegen die digitale Landnahme vorgehen. Dass am 9. November allerdings nicht nur der ersten telefonischen Bildübermittlung gedacht wird, sondern auch anderer, sehr wechselhafter Zeitereignisse, sollte gerade in Deutschland auch nach der scheinbar erfolgreichen digitalen Landnahme der Rechteverwerter niemand vergessen.
Kaum ist die digitale Tinte von Mircosoft getrocknet, öffnet die siebte Doors of Perception ihre Pforten und beschäftigte sich mit dem Flüssigen, das die Kommunikation begleitet. Unter den vorgestellten Ideen scheint weit und breit kein antiquarischer Tablet PC dabei zu sein.
Fern am Horizont naht die Comdex, so weit, so lange hin, als dass man genau wie die zünftigen Hacker mit dem Zug losbummeln könnte, Schepper-Bum wie Terroristen vermeidend. So altertümelnd wie die Neuheiten dieser Show, wo CDs zur Freude aller Kopierer im Retro-Look vorgestellt werden. Aber halt, es gibt noch bessere Vermeidungsstrategien! Nehmen wir nur die Oracle World in der nächsten Woche, wo Michael Dell, Carly Fiorina und Intels Paul Otellini Reden abliefern. Auch MIG-Pilot Larry Ellison ist dabei, freilich nur in einer Video-Konferenz zugeschaltet. Der Mann segelt lieber im Louis Vuitton Coup für das Oracle BMW Racing Syndicate, als dass er sich um Kleinigkeiten wie die benamsten Redner oder die Guru Chats kümmert.
Damit ein Dank zum Schluss an meine aufmerksamen Leser, dass ich jetzt weiß, wie das mit den weiblichen Gurus geht: Guru ist männlich, Wanita Guru das unverzichtbare Gegenteil. Der Rest ist Fehler 403. (Hal Faber) / (jk)