EU-Bürgerbeauftragte: Transparenz in der EU dringend reformbedürftig

Die EU-Institutionen drücken sich vor zu viel Transparenz. Die Bürgerbeauftragte O’Reilly fordert ein moderneres Recht auf Zugang zu EU-Dokumenten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen

(Bild: Marian Weyo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly forderte den Innenausschuss des EU-Parlaments in einer Aussprache am Donnerstag auf, die vor 15 Jahren begonnene Reform des öffentlichen Zugangs zu EU-Dokumenten endlich wieder aufzunehmen. Angesichts der Entwicklung der Kommunikationsmittel in den vergangenen zwei Dekaden müssten die Regeln für den Dokumentenzugang der Bürger diesen angepasst werden.

Seit 2001 regelt die Verordnung 1049 den Zugang zu Dokumenten des Parlaments, der Kommission und des Rates. Demnach können Bürger, dessen Informationsanfrage abgewiesen wurde, an die EU-Bürgerbeauftragte wenden. Rund ein Viertel der jährlich von ihrem Büro bearbeiteten Anfragen beträfen Zugangsbehinderungen und mangelnde Transparenz, erklärte O'Reilly. Dabei gehe es zumeist um Fälle, in denen EU-Institutionen Ausnahmeregelungen geltend machen oder die Herausgabe verzögern, sodass die Information für den Anfragenden an Relevanz verliert.

Oft zögen sich die EU-Institutionen dabei auf eine enge Definition des Begriffs "Dokument" zurück. Einen solchen Fall mit prominenter Beteiligung hat O’Reilly gerade auf dem Tisch: Die EU-Kommission will Einzelheiten der Kommunikation zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem CEO des Pharmakonzerns Pfizer Albert Bourla über Impstoffbeschaffung nicht herausgeben und begründet das damit, dass dazu keine Dokumente in den Akten abgelegt würden.

"Mein Büro untersucht einen Fall, in dem einem Journalisten mitgeteilt wurde, es gebe über diesen Austausch keine Aufzeichnungen, weil solche Nachrichten naturgemäß 'kurzlebig' seien", erklärte O’Reilly. Die Bürgerbeauftragte hatte bereits Ende 2020 klargestellt, dass die Transparenzregeln auch auf digitale Kommunikationsmittel wie Messenger oder SMS anzuwenden seien.

Die 20 Jahre alte Verordnung 1049 spreche zwar durchaus bereits von "Inhalten unabhängig vom Medium", sagte O’Reilly mit Blick auf von der Leyens Instant-Messenger-Gate. Dennoch seien die Regeln überholungsbedürftig, weil sich bei der Nutzung neuer Kommunikationskanäle eine Menge neuer Fragen stellten: Bietet der Umstand, dass manche Dokumente nicht mehr bei den EU-Institutionen selbst, sondern auf Cloud-Servern Dritter gehalten würden, ein neues Schlupfloch? Wie werden die als kurzlebig bezeichneten Kommunikationsverläufe dokumentiert und gespeichert? Und wie kann Zugang auch zu solchen "Dokumenten" zu vertretbaren Kosten realisiert werden?

Reformen der alten Verordnung sind bisher vor allem an einer Blockade der Mitgliedsstaaten gescheitert. Einen ersten Novellierungsentwurf legte die EU-Kommission bereits 2008 auf, einen zweiten 2011.

Die Novellen wollten den Zugang von Bürgerinnen im Sinne des Lissabonner Vertrags der EU erweitern und außerdem alle EU Institutionen zur Transparenz verpflichten. 2011 schlug das Europäische Parlament zahlreiche Änderungsanträge vor. Künftig sollte etwa von "Daten" statt Dokumenten gesprochen werden und das Kapitel mit "sensiblen Informationen" hielt das Parlament für entbehrlich.

Blockiert wurde die Öffnung zum Bürger durch die EU-Regierungen. Eine Sprecherin aus O’Reillys Büro teilte auf Anfrage von heise online mit, dass der Rat einfach keine eigenen Stellungnahmen verabschiedete. Die dänische Ratspräsidentschaft scheiterte 2012 mit Kompromissverhandlungen. Das Gesetzgebungsprojekt lief ins Leere. Man könne davon ausgehen, dass Parlament und Rat in Kernpunkten einfach zu weit auseinander gelegen hätten.

EU-Kommissarin Vera Jourova hat im vergangenen Jahr angekündigt, sie wolle den Weg frei machen für eine neue Novelle. Der Ball sei daher im Feld des Parlaments, sagte O’Reilly im nur schwach besetzten Innenausschuss. Bislang hat das Parlament allerdings abgelehnt, wieder bei Null anzufangen. O’Reilly beschwor die Abgeordneten dennoch, die bevorstehenden Präsidentschaften für die Wiederaufnahme zu nutzen.

Ob die Mehrheit des Rates dieses Mal den notwendigen Enthusiasmus aufbringen wird? Bei den Arbeiten an einer 2016 vereinbarten gemeinsamen Datenbank, mit der die hinter verschlossenen Türen statt findenden Trilog-Verhandlungen im EU-Gesetzgebungsverfahren für die Öffentlichkeit transparenter gemacht werden sollen, zeigt der Rat keine besondere Eile. Auf Anfrage von heise online erklärte eine Sprecherin, die technischen Vorarbeiten zwischen den drei Institutionen dauerten an und würden 2022 fortgeführt "mit dem Ziel, einen detaillierten Arbeitsplan vorzubereiten".

Das Büro O’Reilly hofft, dass die tschechische oder schwedische Ratspräsidentschaft das Thema endlich prominent auf die politische Agenda der Union setzt und sich "Champions" für Transparenz in allen drei Institutionen verbünden.

(bme)