EU-Urheberrecht: EuGH setzt enge Grenzen für Upload-Filter

Der umstrittene Artikel 17, wonach Facebook, YouTube & Co. von Nutzern hochgeladene Inhalte vorab prüfen müssen, ist laut EuGH mit den Grundrechten vereinbar.​

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Upload-Filter und Artikel 13: EU-Rechtspolitiker befürworten Copyright-Reform

(Bild: gotphotos / shutterstock.com)

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hält den umstrittenen Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie für vereinbar mit den Grundrechten und wies am Dienstag dagegen gerichtete Klage Polens zurück. Die Pflicht für Betreiber von Plattformen, von Nutzern bereitgestellte Inhalte vorab auf potenzielle Urheberrechtsverstöße zu überprüfen, sei mit ausreichenden Garantien zum Schutz der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit verknüpft (Az.: C-401/19).

Vor drei Jahren waren zehntausende Menschen in Berlin und anderen europäischen Städten gegen Artikel 17 auf die Straßen gegangen. Sie befürchteten, dass damit der Einsatz von Upload-Filtern auf sozialen Netzwerken wie Facebook oder YouTube befeuert würde. Polen wollte die Klausel vom EuGH streichen lassen, weil es Teile der EU-Grundrechtecharta verletzt sieht.

Die Luxemburger Richter erkannten mit ihrem Urteil nun an, dass Plattformbetreiber mit Artikel 17 faktisch verpflichtet würden, eine vorherige Kontrolle der von Nutzern hochgeladenen Inhalte durchzuführen. Voraussetzung dafür sei, dass sie von Rechteinhabern die dazu notwendigen Informationen über geschützte Werke erhalten haben.

Angesichts der Vielzahl der hochgeladenen Dateien seien die Diensteanbieter auch dazu gezwungen, "auf Instrumente zur automatischen Erkennung und Filterung zurückzugreifen", räumt der EuGH ein. Das bedeute auch, "ein wichtiges Mittel zur Verbreitung von Inhalten im Internet einzuschränken".

Dass die Rechte der Nutzer auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit damit eingeschränkt werden, hält der Gerichtshof für gerechtfertigt, da die EU-Gesetzgeber "eine klare und präzise Grenze" für die Filteraktivitäten gezogen hätten. Demnach dürften die Betreiber rechtmäßige Inhalte beim Hochladen weder filtern noch sperren.

Der EuGH formuliert zugleich klare Anforderungen an solche Upload-Filter: Ein System, das nicht hinreichend zwischen einem unzulässigen und einem erlaubten Inhalt unterscheidet, und das rechtmäßige Uploads blockiert, ist nach Feststellung des EuGH mit der Grundrechtecharta unvereinbar. Das angemessene Gleichgewicht zwischen dem Recht auf Informationsfreiheit und dem auf den Schutz immaterieller Güter müsse beachtet werden.

Ferner heben die Richter hervor, dass Artikel 17 Ausnahmen für künstlerische Formen wie etwa Parodien oder Pastiches vorsehe. Die Plattformanbieter müssten Nutzer zudem darüber aufklären, dass verbriefte Freiheiten etwa für Zitate oder Privatkopien weiter gälten. Artikel 17 sehe ferner vor, "dass seine Anwendung nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf". Es seien auch mehrere verfahrensrechtliche Garantien gegeben, falls Betreiber "dennoch irrtümlich oder ohne Grundlage zulässige Inhalte'" sperrten.

Insgesamt sieht der EuGH so ausreichend Sicherheitsleistungen gegeben, um eine ausgeglichene Balance zwischen den berührten Grundrechten zu gewährleisten. Es sei aber Sache der Mitgliedsstaaten, bei der Umsetzung von Art. 17 der Richtlinie in ihr innerstaatliches Recht darauf zu achten, dass dieses Gleichgewicht beibehalten werden. Die Richter folgten damit im Kern den Schlussanträgen des Generalanwalts Henrik Saugmandsgaard Øe vom Juli.

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Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) hatte den EuGH vorab noch als "letzte Hoffnung von Millionen" von Internetnutzern bezeichnet, die gegen fehleranfällige Zensurmaschinen protestiert hätten. Selbst eine vermeintlich "unerhebliche" Fehlerquote der Algorithmen von Upload-Filtern von etwa 0,1 Prozent führe wegen der großen Zahl von Internetveröffentlichungen zur tausendfachen ungerechtfertigten Zensur wertvoller Informationen und richte massiven Schaden an.

Mit Artikel 17 führten die EU-Gesetzgeber verschärfte Haftungsvorschriften ein. Erfasste Plattformbetreiber müssen demnach mit Rechteinhabern wie Musik- oder Filmproduzenten Lizenzvereinbarungen für die Verwertung von Songs, Videos und anderen urheberrechtlich geschützten Inhalten treffen. Falls dies nicht erfolgt, sind sie angehalten, sich "nach Kräften" darum zu bemühen, dass von den Rechteinhabern nicht autorisierte Inhalte auf ihren Webseiten nicht zugänglich sind. Diese Sorgfaltspflicht bedeutet laut der EU-Kommission aber nicht, "dass ein bestimmtes Mittel oder eine bestimmte Technologie vorgeschrieben ist".

Der Bundestag beschloss voriges Jahr nationale Regeln für Upload-Filter, die seit August greifen. Um die Kunstfreiheit und die soziale Kommunikation vor unberechtigten Blockaden zu schützen, wird die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke insbesondere zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche in engen Grenzen gestattet. Dies gilt für Schnipsel aus Video-, Audio- und Textmaterial für nichtkommerzielle Zwecke. Es handelt sich in solchen Fällen um "mutmaßlich erlaubte Nutzungen". Rechteinhaber können diese aber anfechten und etwa bei Premiuminhalten eine Sperre per "rotem Knopf" durchsetzen.

"Das Urteil ist ein schlechtes Signal für die Meinungsfreiheit im Netz", meint Oliver Süme, Vorstand des eco-Verbands der Internetwirtschaft. Der EuGH halte die Garantien gegen das unerwünschte Overblocking für ausreichend. "Jedoch zeigen bereits erlassene Gesetze der Mitgliedsstaaten, dass die automatische Erkennung und Filterung zur Regel werden." Dies sei eine "unzulässige Einschränkung" der Meinungs- und Informationsfreiheit. "Automatische Filter bergen immer die Gefahr des Overblockings."

Der ehemalige EU-Parlamentarier Felix Reda zeigte sich auf Twitter prinzipiell enttäuscht von dem Urteil. Er hob aber zugleich hervor, dass der EuGH Upload-Filter damit "in enge Schranken" verweise: "Auch wenn wir auf eine Streichung von Artikel 17 gehofft hatten, verpflichtet das Gericht die Mitgliedstaaten immerhin zu einer grundrechtskonformen Umsetzung." Der von Rechteinhabern monierte "deutsche Sonderweg" sei hier offenbar die einzige Option, die "eine Chance auf Bestand hat".

(vbr)