Gentech-Pappeln sollen mehr Kohlenstoff aufnehmen

Ein Start-up hat Pappeln gentechnisch so verändert, dass sie schneller wachsen und mehr Kohlenstoff binden. Dazu griff es tief in deren Stoffwechsel ein.

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Links: der gentechnisch veränderte Pappel-Setzling, rechts: die herkömmliche Pflanze.

(Bild: Living Carbon)

Lesezeit: 3 Min.

Bei der Photosynthese baut normalerweise ein Enzym namens RuBisCO – das häufigste Enzym der Welt – CO₂ aus der Luft in eine organische Säure mit drei Kohlenstoffatomen ein (3-Phosphoglycerat). Aus dieser Säure baut die Pflanze dann über weitere Zwischenschritte Glucose und Cellulose auf.

Allerdings kann RuBisCO statt eines CO₂-Moleküls auch ein Sauerstoff-Molekül in den Prozess einschleusen. Das Ergebnis ist dann eine Säure mit nur zwei Kohlenstoffatomen (2-Phosphoglycolat). Diese kann nicht auf herkömmlichem Wege zu Glucose weiterverarbeitet werden. Stattdessen muss sie unter hohem Energieverbrauch abgebaut beziehungsweise umgewandelt werden. Dieser Pfad nennt sich "Photorespiration" und ist laut Wikipedia "einer der verschwenderischsten Prozesse auf der Erde". Er führt unter anderem dazu, dass Pflanzen nur rund drei Viertel des verfügbaren Kohlenstoffs binden.

Effizienter arbeiten unter den meisten Bedingungen sogenannte C4-Pflanzen wie Mais, Zuckerrohr, viele weitere Gräser sowie einige Algen. Sie bauen das Kohlendioxid in ein Molekül mit vier C-Atomen ein.

Es gibt bereits zahlreiche Versuche, die höhere Effizienz von C4-Pflanzen auf C3-Pflanzen zu übertragen. Bereits 2019 hatte beispielsweise ein Team der Louisiana State University anhand von Tabakpflanzen verschiedene Alternativen zur Photorespiration untersucht. Dazu blockierte es zunächst per RNA-Interferenz den Mechanismus, der das störenden 2-Phosphoglycolat aus dem Ort seiner Entstehung, den Chloroplasten, abtransportiert. Dann baute es Gene aus anderen Organismen ein, die Enzyme zur Umwandlung von 2-Phosphoglycolat in Glucose und Zellulose erzeugen. Als wirksamsten erwiesen sich dabei Enzyme aus Grünalgen.

Dieses Prinzip übertrug das US-Start-up Living Carbon nun auf Bäume. Laut einem Pre-Print-Paper gewannen die gentechnisch veränderten Pappel-Setzlinge über einen Zeitraum von 21 Wochen rund 53 Prozent schneller an Biomasse als eine Kontrollgruppe. "Nach unserer Kenntnis ist dies das erste Mal, dass die Effizienz der Photosynthese bei einer Baumart um eine solche Größenordnung verbessert wurde", heißt es in dem Paper.

Zudem erhöhte das Start-up auch die Aufnahmefähigkeit der Bäume für Metalle wie Nickel und Kupfer. Dadurch sollen die Pflanzen auch auf belasteten Böden von ehemaligen Industriegeländen, Tagebauten oder Minen gedeihen und diese dabei sanieren. Zudem soll ihr Holz dadurch haltbarer werden – unter anderem wegen einer größeren Resistenz gegenüber Pilzen. Als Bauholz eingesetzt, könnte es dadurch sowohl Kohlenstoff als auch Metalle lange binden.

"Unser Ziel ist es, eine Gigatonne Kohlenstoff auf Böden abzuscheiden, auf denen gegenwärtig keine Bäume wachsen", schreibt das Start-up. Dadurch könne man zerstörte Ökosysteme wiederaufbauen. Die eigenen Bäume in bestehende Wälder zu pflanzen, sei nicht das Ziel. Zudem könne man das Verfahren laut Living Carbon auch auf Torfmoose anwenden, damit sich Hochmoore schneller regenerieren.

In der freien Natur hat Living Carbon bereits 672 Bäume gepflanzt, um den Effekt zu überprüfen – 468 davon mit veränderter Photorespiration. Dass sie sich durch ihre genetischen Vorteile ungebremst vermehren und natürliche Artgenossen verdrängen, will das Start-up dadurch verhindern, dass es ausschließlich weibliche Pflanzen aussetzt, die keine Pollen produzieren.

(grh)