Corona-Impfstoff CoVac1: Möglicher Booster und Schutz für Immungeschwächte

Tübinger Forscher testen den Impfstoff CoVac1, der insbesondere T-Zellen ansprechen soll. Im Interview erklärt Oberärztin Juliane Walz, wie gut er wirkt.​

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Covid-19, Covid-19-Impfung, Coronavirus

(Bild: Studio Romantic)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Das Immunsystem von Patienten, die Medikamente gegen Krebs und Organabstoßung nehmen müssen, baut selbst nach mehrfacher Immunisierung mit den bisherigen Corona-Impfstoffen kaum oder gar keinen Antikörperschutz auf. Auch Menschen mit B-Zell-Mangel haben dieses Problem. Bei ihnen soll das am Universitätsklinikum Tübingen entwickelte CoVac-1-Vakzin deshalb eine starke und langlebige T-Zell-Antwort auslösen. Die Forscherinnen und Forscher werten gerade die Phase-2-Ergebnisse aus und planen die letzte Prüfphase. Die Impfstoffentwicklung leitet Prof. Juliane Walz, Medizinische Direktorin am Universitätsklinikum Tübingen.

Frau Walz, warum reagiert das Immunsystem mancher Menschen nicht auf die bisherigen COVID-19-Impfstoffe?

Die bisher zugelassenen Impfstoffe wurden entwickelt, um hauptsächlich eine Antikörper-Antwort zu induzieren. Das ist bei Immungesunden auch das Richtige und sehr erfolgreich. Allerdings kann eine relativ große Gruppe von Patienten mit Vorerkrankungen oder angeborenen Krankheiten keine oder nicht ausreichend Antikörper bilden.

Das sind insbesondere Patienten mit Tumorerkrankungen, mit Leukämie und Lymphom-Erkrankungen, die durch die Erkrankung selber oder durch Tumortherapien einen Mangel an B-Zellen haben. Diese Immunzellen produzieren die Antikörper. Ohne B-Zellen kann man trotz mehrfacher Impfungen oft keine ausreichende Antikörper-Antwort aufbauen.

Wie viele Menschen betrifft das?

Wir rechnen weltweit mit circa drei bis fünf Millionen Menschen pro Jahr, die entweder an einer solchen Erkrankung leiden oder neu an ihr erkranken.

(Bild: Universitätsklinikum Tübingen/Britt Moulien)

Kann man ihr Immunsystem auf eine andere Weise aktivieren?

Ja, denn die andere Komponente des Immunsystems, die auch gegen Viruserkrankungen aktiv ist, sind die T-Zellen. Unser Ziel war, mit unserem Impfstoff eine breite und starke T-Zell-Antwort in den Patienten zu aktivieren, die keinen Antikörperschutz haben.

Was bedeutet eine breite T-Zell-Antwort?

Das bedeutet, dass sie nicht nur gegen das Spike-Protein gerichtet ist, sondern gegen verschiedene Virusproteine. Wir und andere Kollegen haben in Vorarbeiten gezeigt, dass diese Breite mit der Erkrankungsschwere korreliert. Je mehr die T-Zellen erkennen, umso milder verläuft die Erkrankung. Wir haben Proteine aus unterschiedlichen Virusbereichen im Impfstoff enthalten: Nukleokapsid-Protein aus dem Virusinneren, Membran- und Envelope-Protein aus der Virushülle.

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Was wissen Sie bisher über die Wirkung von CoVac-1?

Wir haben den Impfstoff in einer Phase-1-Studie in gesunden Probanden ohne Vorerkrankungen evaluiert. Hier konnten wir zeigen, dass CoVac-1 bei allen Probanden nach nur einer Impfung eine sehr starke T-Zell-Antwort induziert. Diese ist deutlich stärker als die Antwort bei Menschen, die eine natürliche Infektion durchgemacht haben, und auch stärker als die Antwort bei Probanden, die mit anderen Impfstoffen immunisiert wurden. Darüber hinaus ist die T-Zell-Antwort auf den Impfstoff von der Virusvariante unabhängig.

Die bisherigen Impfstoffe verhindern eher schwere Verläufe als Infektionen an sich. Wie ist das bei CoVac-1?

Wir planen gerade die Phase-3-Zulassungsstudie, in der wir die Wirksamkeit zeigen wollen, also, dass CoVac-1 schwere Verläufe in immungeschwächten Patienten verhindern kann. Das Phase-1-Ziel war, die Sicherheit und Verträglichkeit zu prüfen. Derzeit werten wir die Phase-2-Studie aus, in der wir den Impfstoff bei Patienten mit angeborenen oder erworbenen B-Zell-Defekten eingesetzt haben.

Wie viel dürfen Sie über die Phase-2-Ergebnisse verraten?

Die Daten sind zum Peer-Review-Verfahren eingereicht, aber noch nicht publiziert. Wir konnten auch in diesem hoch immungeschwächten Kollektiv bei 86 Prozent der Patienten nach einer Einzelimpfung stärkere T-Zell-Antworten induzieren als bei immungeschwächten Patienten, die klassische Impfstoffe wie mRNA- oder Vektor-Impfstoffe erhalten haben. Und wir sehen auch hier, dass die T-Zell-Antwort unabhängig von der Omikron-Variante sind. Die Ergebnisse sind also sehr vielversprechend.

Könnte die Wirkung einer Impfung reichen?

Wir untersuchen in einer zusätzlichen Phase-1-Studie aktuell auch eine zweite Impfung von CoVac-1 nach 42 Tagen mit genau dieser Frage: Können wir durch eine zweite Impfung die T-Zell-Antworten in den immungeschwächten Patienten noch mehr boosten und die T-Zell-Antworten länger haltbar machen?

Wie langlebig ist die T-Zell-Antwort auf CoVac-1?

Wir wissen aus Untersuchungen von Genesenen, dass die T-Zell-Antwort deutlich länger hält als die Antikörper-Antwort. Und wir wissen aus eigenen Arbeiten mit unseren Tumorimpfstoffen mit Beobachtungszeiten von inzwischen bis zu drei Jahren, dass die induzierten T-Zell-Antworten sehr lang halten. Aus Berichten über Sars-CoV-1 wissen wir zudem, dass die T-Zell-Antworten auch nach 17 Jahren noch nachgewiesen werden können. Wir haben also die Hoffnung, dass unsere T-Zellen auch lange im Immungedächtnis bleiben.

Spielt das Fehlen der Antikörper für Immungeschwächte trotzdem eine Rolle?

Diese Frage müssen wir in der Phase-3-Studie klären. Ganz wichtig ist: Wir wissen schon jetzt aus unseren Untersuchungen, dass es durchaus auch Immungesunde gibt, die nach einer milden oder sogar asymptomatischen Erkrankung keine Antikörper bilden. Die waren also rein durch ihre T-Zellen geschützt.

Wir haben die T-Zell-Antwort in solchen Kohorten überprüft und mit den Antworten verglichen, die wir in Immungeschwächten mit CoVac-1 aktivieren konnten. Letztere sind stärker. Wir gehen also davon aus, wenn diese T-Zell-Antworten der Genesenen vor einem schweren Verlauf schützen konnten, dann sollten die T-Zell-Antworten, die wir induzieren, ebenfalls ohne Antikörper schützen. Das ist natürlich erst ein indirekter Beweis, der absolute muss in einer randomisierten Phase-3-Studie erfolgen.

Für wann sind die Phase-3-Studie und ein Zulassungsantrag geplant?

Das kann ich noch nicht beantworten. Bisher lief die Entwicklung im akademischen Setting an den Universitäten Tübingen, Berlin und Frankfurt. Wir brauchen jetzt einen Industriepartner für die Phase-3-Studie. Hier laufen Gespräche. Läuft alles ideal, würde ich davon ausgehen, dass wir im Winter mit der Phase-3 beginnen können. Je nachdem, wie schnell und erfolgreich Probanden rekrutiert werden, könnten wir im Frühjahr erste Ergebnisse haben.

Würde sich Ihr Impfstoff auch als Booster für Geimpfte anbieten, die andere Vakzine erhalten haben, um ihre T-Zell-Antwort zu verstärken?

Das ist tatsächlich eine Option, die wir weiterverfolgen. Gerade bei älteren Patienten wissen wir, dass die Antikörper-Antwort noch kürzer hält. Bei ihnen wäre es eine Option, zusätzlich zu den etablierten Impfstoffen eine breitere und stärkere T-Zell-Antwort zu induzieren.

Haben Sie Nebenwirkungen bei Ihrem Impfstoff beobachtet?

Wichtig ist: Die Nebenwirkungen von CoVac-1 leiten sich aus der Wirkungsweise des Impfstoffes her. Er wird nicht wie andere Impfstoffe in den Muskel verabreicht, sondern subkutan in die Bauchhaut und bildet dort durch die Verbindung mit der ebenfalls in dem Vakzin enthaltenen Montanid-Öllösung ein Depot. Darin läuft die Immunantwort lokalisiert ab. Dadurch haben wir keine systemischen Nebenwirkungen, das heißt Fieber, Schüttelfrost, usw. fallen weg.

Wir sehen durch die Depotbildung Nebenwirkungen wie die Bildung eines Knotens mit Rötung und Schwellung an der Einstichstelle, die wir erwarten und in gewisser Weise auch wollen. Sehen wir die nicht, spricht das dafür, dass es nicht funktioniert. Wir gehen davon aus, dass dieser Depot-Effekt zu der starken T-Zell-Antwort führt, weil der Impfstoff nicht schon nach kurzer Zeit abgebaut wird, sondern kontinuierlich zur Immunstimulation führt.

(vsz)