Informationsfreiheit: Zivilgesellschaft macht Dampf bei Bundestransparenzgesetz

Auch bisher geheime Verträge, Treffen mit Lobbyisten und interne Gutachten sollen Behörden künftig proaktiv veröffentlichen, wenn es nach Aktivisten geht.

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(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

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Ein zivilgesellschaftliches Bündnis will die Ampel-Koalition bei der geplanten Stärkung der Informationsfreiheit zum Jagen tragen. Es hat am Dienstag einen Entwurf für ein Bundestransparenzgesetz vorgelegt, mit dem Ämter und Staatsbetriebe geheime Verträge, Treffen zwischen Lobbyisten sowie Regierungsmitgliedern und interne Gutachten von sich aus kostenlos online veröffentlichen müssten. Dies soll dafür sorgen, dass Bürger, Journalisten und Aktivisten frühzeitig Einblick in das Handeln von Politik und Verwaltung erhalten sowie darauf reagieren können.

Ausgearbeitet haben den Entwurf Experten der Organisationen Mehr Demokratie, FragDenStaat, Transparency International Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Lobbycontrol, Abgeordnetenwatch.de und das Netzwerk Recherche. Interessierte haben einen Monat lang bis zum 8. Juli die Möglichkeit, das Papier online zu kommentieren. Die Macher der Initiative wollen im Anschluss darlegen, welche Vorschläge sie übernehmen. Im Herbst soll der "fertige Gesetzentwurf" dann die Basis für eine "groß angelegte gemeinsame Kampagne" bilden.

Ein Transparenzgesetz, wie es hierzulande Hamburg als erstes verankerte, ermöglicht prinzipiell allen Bürgern den Zugang zu Unterlagen der Verwaltung. Ausnahme sind etwa besonders geschützte Informationen, bei denen beispielsweise der personengebundene Datenschutz greift. Im Unterschied zu den bereits auf Ebene des Bundes und vieler Länder bestehenden Informationsfreiheitsgesetzen (IFGs) verpflichten solche weitergehenden Vorgaben die Behörden nicht nur zur Freigabe von Dokumenten und zur Akteneinsicht auf Antrag, sondern auch zur bürgerfreundlichen automatischen Veröffentlichung im Internet.

Das Ampel-Regierungsbündnis hat im Koalitionsvertrag vereinbart, in dieser Legislaturperiode ein Transparenzgesetz auf Bundesebene auf den Weg zu bringen. Dem Vernehmen nach sollen die Arbeiten dazu 2023 beginnen. Die Allianz will diesen Prozess begleiten und vorantreiben: Alle Bürger haben nun vorab die Möglichkeit, ihre Meinungen und Wünsche zu dem Vorhaben zu äußern.

Der Veröffentlichungspflicht sollen laut dem Entwurf neben Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften etwa Richtlinien, Erlasse, Anordnungen, Rundschreiben und Bekanntmachungen sowie Entwürfe unterliegen. Erfasst würden auch Gesellschaftsverträge, Gutachten, Geo- und Mobilitätsdaten, Karten sowie der "Quelltext von Computerprogrammen, die von öffentlichen Stellen oder im Auftrag öffentlicher Stellen als Individualsoftware ganz oder teilweise erstellt worden sind".

Zur Erfüllung der Auflagen wird ein elektronisches Informationssystem eingerichtet, heißt es weiter. Dieses Transparenzportal des Bundes soll Schnittstellen enthalten, "die eine automatisierte Bereitstellung der Informationen und einen automatisierten Zugriff Dritter ermöglichen".

Anträge auf die Herausgabe noch nicht proaktiv veröffentlichter Dokumente könnten Behörden des Bundes laut Paragraf 15 etwa ablehnen, "soweit das Bekanntgeben der Informationen erhebliche nachteilige Auswirkungen hätte auf die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit". Auch die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, strafrechtlicher, ordnungswidrigkeiten- oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen, der Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren sowie der Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile müssten gewahrt bleiben. In allen Fällen ist aber eine Abwägungsklausel vorgesehen. Akteneinsicht gewährt werden müsste dann, wenn "das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt".

Personenbezogene Daten unterlägen Paragraf 17 zufolge dem Anspruch auf Einsicht, "soweit und solange die betroffene Person in den Informationszugang eingewilligt hat oder das öffentliche Informationsinteresse an der Offenbarung" überwiegt. Gleiches soll für Geschäftsgeheimnisse gelten. Immaterialgüterrechte müssten ebenfalls gewahrt werden. Ganze Bereiche wie etwa Geheimdienste würden nicht mehr pauschal vom Recht auf Informationsfreiheit ausgenommen, wie es bislang beim IFG des Bundes noch der Fall ist. Zuvor machten auch die Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland bereits Druck in diese Richtung.

"Normalerweise schreibt die Ministerialbürokratie die Gesetzentwürfe. Aber die ist es ja gerade, die transparenter werden soll", erläutert Manfred Redelfs vom Netzwerk Recherche den Schritt. "Deshalb ist es gut, wenn die Zivilgesellschaft die Ausarbeitung eines Entwurfs nicht allein denen überlässt, die sich in der Vergangenheit an das Prinzip des Amtsgeheimnisses gewöhnt haben." Marie Jünemann von Mehr Demokratie betonte: Ein echtes Transparenzgesetz könne nur zusammen mit den Bürgern entwickelt werden. Es handle sich um ein "gesellschaftliches Querschnittsthema".

(olb)