Autoindustrie: Verbrenner-Verbot geht "an der Realität vorbei"

Die Entscheidung des EU-Parlaments für ein Verbot von Verbrennungsmotoren in Pkw und Transportern ab 2035 trifft auf recht unterschiedliche Reaktionen.

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Auch Mild-Hybrid-Antriebe wie dieser verbrennen Kraftstoffe.

(Bild: Ford)

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Die Autoindustrie sieht die vom Europäischen Parlament am Mittwoch beschlossenen Vorgaben für die CO₂-Emissionen von Pkw und Transportern als "Entscheidung gegen Innovation und Technologie". Sie gehe an der Realität der Menschen vorbei, schrieb der Verband der Automobilindustrie (VDA) auf Twitter. Umweltschutzorganisationen begrüßen größtenteils das Ergebnis der Abstimmung.

Die vom EU-Parlament auf den Weg gebrachte Verordnung, die noch mit den EU-Mitgliedsstaaten verhandelt werden muss, sieht vor, die durchschnittlichen CO₂-Emissionen der Fahrzeugflotten in der EU bis 2035 um 100 Prozent zu reduzieren. Das entspricht nach heutigem technischen Stand einem Verbot von Verbrenner-Autos.

Der VDA weist bei der Gelegenheit darauf hin, dass deutsche Hersteller bis Ende 2023 etwa 150 Elektromodelle im Angebot haben würden. Allerdings müsse die Ladeinfrastruktur mithalten, die zurzeit "völlig unzureichend" sei.

Der europäische Dachverband der Automobilhersteller ACEA kritisiert, dass die Ziele der Emissionsreduzierung nun "in Stein gemeißelt" würden. Die Automobilindustrie werde ihren Beitrag leisten, allerdings hänge die Transformation der Branche auch von vielen unwägbaren externen Faktoren wie der Ladeinfrastruktur ab. Deshalb wäre es besser, die Vorgaben auf halbem Weg zu überprüfen.

Ein "klares Signal Richtung Antriebswechsel" sieht Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik des BUND. Der Verbrennungsmotor sei ein Auslaufmodell, das müsse nun allen Beteiligten klar sein. Der Nabu kommentiert, "das EU-Verbrenner-Aus 2035 ist ein großer Schritt und Arbeitsauftrag zugleich". Die Bundesregierung müsse nun dringend dafür sorgen, dass das Ziel erreicht werde. Die Deutsche Umwelthilfe fordert ein Verbrenner-Aus nicht erst für 2035, sondern fünf Jahre früher.

Allein mit Elektromobilität würden sich die ambitionierten Klimaschutzziele im Verkehr nicht erreichen lassen, teilte der Automobilclub ADAC mit – er plädiert für den zusätzlichen Einsatz von E-Fuels.

Der Automobil-Club Verkehr (ACV) versteht das Votum des EU-Parlaments als "eine Fehlentscheidung auf dem Weg in eine klimaneutrale Mobilität". Dessen Sprecher Gerrit Reichel sieht eine "engstirnige Festlegung auf batterie-elektrische Mobilität". Faktisch würde ein Verbrenner-Verbot nämlich andere Technologien unnötig ausschließen; dabei meint Reichel ebenfalls E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe.

Das Stichwort "E-Fuels" sei auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP enthalten, hatte das Bundesverkehrsministerium gegenüber heise online vermerkt. Die verfügbaren Technologien zu nutzen dürfe nie mit einem Verbot neuer Technologien einhergehen, da noch nicht klar sei, welche Chancen sie künftig bieten könnten.

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Ähnlich und noch weiter hatten vor der Abstimmung im EU-Parlament rund 300 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen argumentiert. Aus ihrer Sicht sei die CO₂-Bilanz von batterieelektrisch betriebenen Autos wesentlich schlechter als oft angegeben. Verfechter von E-Fuels meinen, die synthetischen Kraftstoffe könnten der Verbrenner-Technik und zugehöriger Tankstellen-Infrastruktur eine Übergangszeit bescheren, bevor andere Energieformen flächendeckend einsatzfähig sind. Gegner der E-Fuels kritisieren den mangelnden Wirkungsgrad von Verbrennungs- gegenüber Elektromotoren.

Der Europaabgeordnete Jens Gieseke kritisierte die Entscheidung des Parlaments. Da Grüne, Liberale und Sozialdemokraten voll auf die Elektromobilität setzten, fürchtet er um die Wettbewerbsfähigkeit Europas und zahlreiche Arbeitsplätze. Gieseke hatte vergeblich mit Änderungsanträgen versucht, die Vorgabe einer Senkung der Emissionen um 100 Prozent auf 90 Prozent abzumildern.

Die EU-Mitgliedstaaten wollen ihre Position zu einem Neuzulassungsverbot für Benzin- und Dieselautos Ende dieses Monats festlegen. Danach müssten beide EU-Institutionen einen Kompromiss finden, damit die Vorgabe in Kraft treten kann.

(anw)