Wirken inhalierte Impfstoffe besser als Impfung per Spritze?

Als Alternativen zur Impf-Spritze wurden lange Nasensprays gehandelt. Impfstoffe gegen Atemwegserkrankungen zu inhalieren könnte jedoch viel wirksamer sein.

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Michael D'Agostino demonstriert die Aerosol-basierte Verabreichung.

(Bild: McMaster University)

Lesezeit: 4 Min.

Einen Impfstoff gegen COVID-19, Influenza oder Tuberkulose unter die Haut zu spritzen, ist – wenn man es genau betrachtet – eigentlich nicht sehr logisch. Die Erreger dringen über die Nase oder den Mund mit der Atemluft in die oberen Atemwege und später in die Lunge ein. Der unter die Haut gespritzte Impfstoff wirkt also erst einmal gar nicht dort, wo die Infektion, die abgewehrt werden soll, stattfindet. Dennoch funktioniert diese Art systemisch zu impfen seit 1796, als Edward Jenner den ersten Menschen gegen Pocken impfte. Aber bei Atemwegserkrankungen könnte eine andere Impfmethode besser funktionieren.

Die Krux ist, dass die Impfstoffe, die unter die Haut gespritzt werden, zwar eine allgemeine Immunreaktion hervorrufen, aber die Immunzellen, die in den Atemwegsschleimhäuten auf Erreger warten, nur schlecht erreichen. Aber genau diese Zellen sind für die Abwehr der Viren und Bakterien, die wir einatmen, zuständig. Die Strategie, die zahlreiche Forschende weltweit verfolgen, ist, das Immuntraining dort ablaufen zu lassen, wo später auch die Infektion stattfinden wird. Sie entwickeln intranasale Impfstoffe, die als Nasenspray auf die Nasenschleimhäute aufgesprüht werden. Mit Fluenz Tetra von Astra Zeneca ist ein erster intranasaler abgeschwächter Lebend-Impfstoff in der Praxis angekommen – aber er wirkt lediglich bei Kindern gut und wird nur bis zum 18. Lebensjahr eingesetzt.

Dieser Rückschlag in der Breitenwirkung für Menschen allen Alters – an intranasalen Grippeimpfstoffen, die sich breit einsetzen lassen und gerade in Gegenden mit schwacher medizinischer Infrastruktur sehr hilfreich wären, wird seit Jahrzehnten geforscht – hat den Blick der Impfstoffforschung auf eine andere Strategie gelenkt: Aerosol-Impfstoffe, die inhaliert werden wie ein Allergie- oder Asthma-Spray. Sowohl für Masern als auch Tuberkulose und COVID-19 werden erste Inhalations-Impfstoffe bereits in frühen klinischen Studien an Menschen getestet. Für die Tuberkulose-Impfstoffe hat sich in direkten Vergleichen gezeigt: Die inhalierten Impfstoffe machen die Atemwegsschleimhäute fit für den Angriff durch Mycobacterium tuberculosis – die Spritzen nicht.

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Forschende der McMaster University in Kanada haben sich genauer angesehen, was geschieht, wenn ein Impfstoff inhaliert wird und was den Unterschied zu einem intranasalen Impfstoff ausmacht. Sie verwendeten einen Tuberkulose-Impfstoff und maßen die Verteilung der Tröpfchen, die Immunreaktion und die Wirksamkeit bei Mäusen. Der Hintergrund: Von der kanadischen Universität stammt auch der einzige COVID-19-Impfstoff in einer klinischen Studie, der inhaliert werden kann. Er befindet sich derzeit noch in Phase 1, der ersten Teststufe am Menschen, und ist als Auffrischungsimpfung nach zwei oder drei Impfungen mit injizierten mRNA-Impfstoffen ausgelegt.

Das McMaster Team hat beobachtet, dass Impf-Nasensprays vor allem in der Nase und im Rachenraum ankommen. In diesen oberen Zonen der Atemwege verlaufen Infektionen allerdings nur selten schwer. Erst wenn die Viren tiefer in die Lunge eindringen, werden die Menschen schwer krank – aber die tieferen Atemwege können die intranasalen Impfstoffe nicht erreichen und damit auch nicht schützen.

Aerosol-Sprays hingegen treiben die Tröpfchen mit dem Impfstoff tief in die Lunge hinein. Und dort finden dann auch deutlich stärkere Immunantworten auf den Impfstoff statt, als in den oberen Atemwegen, haben die Forschenden beobachtet.

Um zu entscheiden, ob inhalierbare Impfstoffe den intranasalen nur bei dem Tuberkulose-Impfstoff oder grundsätzlich überlegen sind und sich die zukünftige Forschung darauf konzentrieren sollte, wollen sie die Reaktionen der verschiedenen Schleimhäute in Nase und Lunge auf Impfstoffe untersuchen. Sie suchen Antworten auf die Fragen, wie gut diese Schleimhäute die Impfstoffe überhaupt aufnehmen können, wie stark die durch die Impfung ausgelöste T-Zell-Immunität ist und welchen Schutz diese langfristig bietet.

(jsc)