Umweltschützer kritisieren LNG-Terminal-Pläne: Wird hier zu schnell Gas gegeben?

Eine Pipeline zwischen Deutschlands erstem LNG-Terminal in Wilhelmshaven und dem Gasnetz droht zum Streitfall zu werden. Was die Deutsche Umwelthilfe dazu sagt.

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Blick auf das künftige LNG-Terminal in Wilhelmshaven

Hier soll das erste LNG-Terminal Deutschlands in Wilhelmshaven entstehen. Links ist ein Bauschiff zu sehen, das Pfähle hierfür rammt.

(Bild: Malte Kirchner)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Deutsche Umwelthilfe übt massive Kritik an Größe und Vorgehensweise beim Bau einer 26 Kilometer langen Pipeline, die das neue LNG-Terminal in Wilhelmshaven mit dem nationalen Erdgasnetz Deutschlands bei Etzel (Gemeinde Friedeburg) verbinden soll. Der Streitfall könnte zum Zünglein an der Waage für Deutschlands ambitionierte Flüssigerdgas-Pläne werden. Denn ohne Pipeline ist keine Einspeisung möglich.

In der zwölfseitigen Einwendung an das planungsrechtlich zuständige Landesbergbauamt ist die Rede von der Schaffung von Überkapazitäten. Die Notwendigkeit wird in Frage gestellt. Die Umweltschützer befürchten zudem massive Auswirkungen auf Natur, Klima und Umwelt. Sie beanstanden deshalb, dass keine Umweltverträglichkeitsprüfung stattfindet. Eine ihrer Forderungen hat das zuständige Landesbergbauamt schon einmal verworfen: Der vorzeitige Beginn der Bauarbeiten wurde bereits genehmigt. Zurzeit werde die Möglichkeit eines Widerspruchs geprüft, sagt ein Sprecher der Umwelthilfe.

Das Papier, das die Umwelthilfe heise online zur Verfügung gestellt hat, ist eine von 14 Einwendungen gegen die Pipeline. Zudem gibt es noch eine Gesamtstellungnahme mehrerer Verbände. Das Vorhaben fällt unter das neue LNG-Beschleunigungsgesetz des Bundes. Das nötige Planfeststellungsverfahren findet deshalb mit verkürzten Fristen und ohne Umweltprüfung statt. In Wilhelmshaven wird seit Anfang Mai das erste LNG-Terminal Deutschlands errichtet. Die Wilhelmshaven-Anschluss-Leitung (WAL) soll angesichts drohender Ausfälle bei russischen Gaslieferungen schon zum Jahreswechsel 2022/2023 in Betrieb gehen. Mittels schwimmender Einheiten soll das tiefkalte Flüssigerdgas zunächst provisorisch regasifiziert und in die Pipeline eingespeist werden. Später ist der Bau einer stationären Anlage geplant. Diese soll spätestens im Jahr 2044 nur noch klimaneutralen Wasserstoff einspeisen.

Die Deutsche Umwelthilfe hegt erhebliche Zweifel an den Beteuerungen und Aussagen. Sie vermisst zum Beispiel eine Begründung für die Größe der Leitung mit einem Durchmesser von einem Meter. Der Antragsteller und künftige Betreiber, die Firma Open Grid Europe, plant im ersten Schritt eine Kapazität von 10 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. In den darauffolgenden Jahren soll die Kapazität auf bis zu 28 Milliarden Kubikmeter ausgebaut werden. Laut Umwelthilfe seien das "dramatische Überkapazitäten". Sie nimmt dabei Bezug auf frühere Netzentwicklungspläne und vermutet, dass damit bereits die Voraussetzungen für weitere geplante LNG-Anlagen in Wilhelmshaven geschaffen werden sollen.

Das LNG-Beschleunigungsgesetz sieht in der Nordseestadt bis zu drei schwimmende Anlagen (FSRU) sowie ein landseitiges Terminal vor. Anders als bei den schwimmenden Anlagen sei ein stationäres Terminal eine langlebige Infrastruktur, weshalb die Umwelthilfe fürchtet, dass hiermit schon Tatsachen geschaffen werden, um einer Umweltprüfung für die stationäre Anlage aus dem Weg zu gehen.

In Zweifel gezogen wird auch der grundsätzliche Eilbedarf für 12 LNG-Terminals und sieben Anschlusspipelines in ganz Deutschland. Angesichts eines rückläufigen Erdgasverbrauchs könne die deutsche Energieversorgung auch anders sichergestellt werden. Der Bau von LNG-Importterminals dauere lange und sei mittelfristig nicht sinnvoll, argumentiert die Umwelthilfe unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom April 2022.

Die Umwelthilfe nennt die Aufspaltung der Planungsverfahren für LNG-Terminal und Pipeline willkürlich. Da das eine das andere bedinge, müsse das Vorhaben ganzheitlich betrachtet werden. Eine Umweltfolgenprüfung sei im Übrigen nach EU-Richtlinien immer geboten. Im konkreten Fall befürchtet die Umwelthilfe unter anderem Auswirkungen auf Schweinswale und 94 Brutvögelarten im nahen Naturschutzgebiet sowie auf Moorböden und Naturflächen im Bereich der Pipeline.

(mki)