Batterien für Elektroautos: Hat Solid State noch eine Chance?

Batterien mit festem Elektrolyt bieten eine hohe Energiedichte. Doch sie sind teuer, und die Konkurrenz entwickelt sich rasant. Kann Solid State mithalten?

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Batterie Mercedes

Welche Zell-Technologie dominiert künftig in Elektroautos? Solid State verspricht eine höhere Energiedichte, doch zahlreiche Probleme sind nach wie vor nicht gelöst. Gut möglich deshalb, dass es gerade in günstigen E-Autos mit NMC- und LFP-Zellen weitergeht.

(Bild: Daimler)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Die heutigen Batteriezellen sind nicht das Ende der Entwicklung. Im Gegenteil. Elektroautos werden immer bessere elektrochemische Speicher bekommen. Solid State- oder auch Festkörper-Batterien sind ein vielversprechender Ansatz: Statt eines flüssigen kommt ein fester Elektrolyt zum Einsatz. Aber warum ist das wichtig, und was verzögert den Serieneinsatz?

Zellen, die für Traktionsbatterien in Elektroautos eingesetzt werden, müssen verschiedene Eigenschaften haben. Sie müssen eine akzeptable volumetrische und gravimetrische Energiedichte haben. Sonst ist die Reichweite nicht ausreichend. Sie müssen sicher sein. Sie sollen lange halten. Und, das ist in der Autoindustrie besonders wichtig, sie müssen kostengünstig bei Material und Produktion sein.

Ein fester Elektrolyt ist kein Selbstzweck, sagt dazu Prof. Dr. Markus Hölzle vom ZSW (Zentrum für Solarenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg): "Ein fester Elektrolyt ist die Voraussetzung, um eine metallische Lithium-Anode sicher in Batterien einsetzen zu können", erklärt Hölzle. Er ist Leiter des Geschäftsbereichs Elektrochemische Energietechnologien am ZSW. Davor war er verantwortlich für die globale Entwicklung von Batteriematerialien bei BASF.

Metallisches Lithium ist hochreaktiv und darum kritisch in der Handhabung. Wenn es aber die derzeit übliche Graphit-Anode ersetzen könnte, hätte das mehrere Vorteile. Die Energiedichte zum Beispiel würde rapide anwachsen. Über 1000 Wattstunden pro Liter (Wh/l) sollen möglich sein. Mit Graphit-Anoden erreicht man 600 bis 700 Wh/l. Die Ursache: Eine Anode aus metallischem Lithium ist viel dünner als eine vergleichbare Anode aus Graphit. Feste Elektrolyte sind nicht brennbar. Bei flüssigen Elektrolyten ist das dagegen nicht ausgeschlossen. Würde ein Brand auf eine metallische Lithium-Anode übergreifen, wäre das sehr gefährlich, und darum ist der feste Elektrolyt die Voraussetzung für eine reine Lithium-Anode.

Solid State Batterien werden vergleichsweise leicht und zugleich sehr teuer. Sie sind darum prädestiniert für Sportwagen im Hochpreissegment. Vielleicht fährt ein Porsche 911 im Jahr 2030 damit.

(Bild: Porsche)

Zurück zum Plus bei der Energiedichte: Im gleichen Bauraum eines Elektroautos könnte also ein größerer Energieinhalt untergebracht werden und das bei geringerem Gewicht. Ein Sportwagen wie ein Porsche 911 wäre prädestiniert für eine Festkörperbatterie. Schließlich ist es bei schneller Kurvenfahrt besser und schöner, wenn das Fahrzeug leichter ist. Es ist anzunehmen, dass Solid State-Zellen niemals preisgünstig werden. Sie sind darum eine Lösung fürs Hochpreissegment.

Das liegt unter anderem daran, dass Solid State-Zellen nicht auf herkömmlichen Anlagen produziert werden können. Bei gängigen Lithium-Ionen-Zellen macht es keinen elementaren Unterschied, ob zum Beispiel eine NMC-Kathode (eine Mischung aus Nickel, Mangan und Kobalt) oder eine LFP-Zelle (Lithium-Eisenphosphat) vom Band läuft. Sogar Natrium-Zellen, die nochmals preisgünstiger als LFP-Zellen sind, benötigen keine komplett neuen Produktionsanlagen. Die Festkörperzellen schon.

So ist unklar, wie genau mit metallischem Lithium in großen Mengen umgegangen werden kann. Eine Massenproduktion erfordert eine hohe Geschwindigkeit in den Abläufen, und die ist noch nicht vorhanden. Teuer sind auch die festen Elektrolyte selbst und der keramische Separator zwischen Anode und Kathode. Falls es irgendwann mit Solid State-Zellen klappt, bleiben sie auf absehbare Zeit ein High-End-Produkt.

An tatsächlichen Festkörperzellen forschen derzeit nur wenige Unternehmen wie zum Beispiel Quantumscape; eine US-amerikanische Firma, an der Volkswagen beteiligt ist. Hier ist der Elektrolyt wirklich fest, also eine Art Keramik, während anderswo mit teilfesten Elektrolyten gearbeitet wird, die am besten als Gel beschrieben werden können.

Ein fester Elektrolyt ermöglicht den Einsatz einer metallischen Lithium-Anode, die wiederum zu einer höheren Energiedichte führt. Allerdings entwickelt sich auch die konventionelle Zellchemie weiter. Eine Beimischung von Silizium zur heute üblichen Graphit-Anode führt ebenfalls zu einer steigenden Energiedichte und ist kostengünstiger.

(Bild: Volkswagen)

"Es gibt keine vorgegebene Definition einer Festkörperzelle", sagt Prof. Hölzle vom ZSW, es darf nur nicht der übliche und stark brennbare Elektrolyt sein. Alles zwischen Gel, weichen Pulvern oder starren Keramiken firmiert unter dem Namen Festkörperbatterie. Die Anode ist meist metallisches Lithium, und auf der Kathodenseite können die gängigen Materialien in leicht modifizierter Form eingesetzt werden.

Toyota zum Beispiel experimentiert mit einem teilfesten Elektrolyten, der einfacher im Umgang ist. Allerdings muss hier wiederum die Sicherheit gewährleistet sein. Toyota kündigt an, eine solche faktische Semi Solid State-Zelle zuerst als Pufferbatterie in Hybridautos einzusetzen. Das senkt die Kosten pro Fahrzeug, und die Dauerhaltbarkeit kann gut überprüft werden.

Generell schwierig ist die Herstellung von Festkörperbatterien. Metallisches Lithium kann bereits mit Feuchtigkeit aus der Luft reagieren und muss somit immer in Trockenräumen mit stark abgesenkter Luftfeuchtigkeit gehandhabt werden. Die Erzeugung von so trockener Luft benötigt viel elektrische Energie und ist darum teuer.

Ein großes Problem bei echten All Solid State-Zellen ist, dass die Zelle beim Laden und Entladen quasi atmet. Beim Laden wird Lithium von der Kathode zur Anode transportiert. Dabei schrumpft die Kathode im Volumen und die Anode dehnt sich aus. Beim Entladen passiert das Gegenteil. Bei solchen Prozessen können an den Grenzflächen zwischen fester Anode, fester Kathode und festem Elektrolyten Brüche, Risse und Fehlstellen entstehen. Diese machen sich in Form einer heftigen Alterung der Batterie bemerkbar. Als Gegenmaßnahme werden solche Feststoffbatterien heute stark von außen zusammengepresst.

Heute sind flüssige Elektrolyte der Standard, egal ob in NMC- (Foto) oder LFP-Zellen.

(Bild: Northvolt)

Angesichts der Schwierigkeiten ist es wenig verwunderlich, dass viele Fachleute den Serieneinsatz erst für 2030 prognostizieren. Zeitgleich bleiben die aktuellen Zellchemien nicht stehen; sie entwickeln sich gleichfalls kontinuierlich weiter, was den erfolgreichen Eintritt der Festkörperbatterie in den Massenmarkt zusätzlich erschweren wird.

Derzeit werden zum Beispiel Anoden entwickelt, die außer Graphit auch nennenswerte Anteile an Silizium enthalten. Im Porsche Taycan (Test) und dem Audi e-tron GT (Test) ist das bereits in kleinen Anteilen der Fall. Von jedem Prozentpunkt zusätzlicher Beimischung profitieren alle gängigen Zellchemien, also im Wesentlichen jene mit NMC- oder LFP-Kathode. Da Silizium deutlich mehr Lithium aufnehmen kann als Graphit, sind diese Zellen erheblich dünner und damit bereits auf halbem Wege zur reinen Lithium-Metall-Anode.

Offen ist auch, wie gut Natrium-Ionen-Zellen werden können. CATL aus China hatte 2021 einen Prototyp vorgestellt und die Serienfertigung für 2023 avisiert. Wegen der geringen Energiedichte spekulieren Fachkreise zwar vor allem über den Einsatz in stationären Batterien. Aber exakt diese Aussage war vor zehn Jahren auch über LFP-Zellen zu hören. Die Natrium-Ionen-Zelle könnte in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts der härteste Konkurrent der Lithium-Eisenphosphat-Zelle werden.

Ebenfalls mit flüssigem Elektrolyt funktionieren Natrium-Ionen-Zellen. Ob sie als Traktionsbatterien von Elektroautos eine große Bedeutung bekommen können, ist noch nicht klar. Falls das passiert, haben sie den Vorteil, dass Natrium billiger ist als Lithium.

(Bild: CATL)

"Die Materialforschung ist die Basis für den kontinuierlichen Fortschritt und die weiter fallenden Kosten der Lithium-Ionen-Batterien", betont Professor Hölzle vom ZSW und prognostiziert, dass die gängigen Lithium-Ionen-Zellen "weiter marschieren", also immer besser werden. Die Frage bleibt dann, welchen Vorsprung Festkörperzellen am Tag der ersten Großserienfertigung noch beweisen können, wenn konkurrierende Technologien gleichfalls vorankommen. Die Evolution ist vielleicht erfolgreicher als die Revolution. Im schlechtesten Fall geht es den Solid State-Batterien wie jenen mit Lithium und Luft oder Lithium und Schwefel: Von denen ist keine Rede mehr.

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