NetzDG: Beschwerden bei Facebook haben sich mehr als verdoppelt​

Im ersten Halbjahr gingen bei Facebook 170.233 Beschwerden nach dem NetzDG ein. Auch bei Twitter wird weiter rege gemeldet. TikTok kratzt am Rekordniveau.

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(Bild: Twin Design/Shutterstock.com)

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Demnach verzeichnet vor allem Facebook einen steilen Anstieg der Beschwerden von Nutzern oder Institutionen. Zwischen Anfang Januar und Ende Juni 2022 wurden laut dem aktuellen Transparenzbericht der Meta-Tochter insgesamt 170.233 Beschwerden eingereicht, die 144.792 Inhalte betrafen. Das sind mehr als doppelt so viele wie im ersten Halbjahr 2021, als der US-Konzern 77.671 Meldungen für 67.028 Inhalte verarbeiten musste.

Im ersten, unter anderem von Social-Media-Diskussionen über den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine geprägten Halbjahr 2022 gingen 132.613 Eingaben auf das Konto von Nutzern, 37.620 kamen von Beschwerdestellen wie den Hotlines des eco-Verbands der Internetwirtschaft oder der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM).

Die meisten Hinweise bezogen sich mit 68.111 auf potenzielle Beleidigungen. Mit gut 50.000 landete der Verdacht der Volksverhetzung auf Platz 2, gefolgt von übler Nachrede und Verleumdung mit 47.783 beziehungsweise 38.842 Eingaben. Bei Facebook ist hier zu beachten, dass in einer NetzDG-Beschwerde mehrere Gründe für die Rechtswidrigkeit angeführt werden können. So übersteigt die Gesamtzahl der zu den Straftaten erfolgten Eingaben die der übermittelten Beschwerden.

Nach der Prüfung durch Teams von mittlerweile 186 Fachkräften, zu denen Ende Juni zwei unternehmensinterne Juristen gehörten, löschte oder sperrte Facebook im ersten Halbjahr 22.826 Inhalte auf Basis von 24.184 anerkannten Beschwerden. Auch dieses Zahlen haben sich gegenüber dem Vergleichszeitraum ein Jahr zuvor in etwa verdoppelt. Demnach haben die Prüfer gut 14 Prozent der Meldungen und knapp 16 Prozent der gemeldeten Inhalte für relevant im Sinne des NetzDG befunden.

Darüber hinaus entfernte das Unternehmen Inhalte aufgrund von Verstößen gegen seine Gemeinschaftsstandards größtenteils automatisiert mithilfe von Upload-Filtern. Weltweit waren dies nach eigenen Angaben allein zwischen Januar und März 21,7 Millionen Beiträge mit sogenannter Hassrede. Im vierten Quartal 2021 seien es nur 12,4 Millionen gewesen. Als Grund dafür nennt der Konzern "die Verbesserung und Erweiterung" der eigenen Filtertechnik, "um proaktiv Hassrede und unzulässige Inhalte zu erkennen".

Laut der Ende Juni 2021 in Kraft getretenen NetzDG-Novelle soll es Nutzern einfacher fallen, mutmaßlich rechtswidrige Inhalte zu melden. Dazu gekommen ist ein "Gegenvorstellungsverfahren". Es soll bei unterschiedlichen Auffassungen über Löschungen zwischen Nutzern und Anbietern greifen. Bei Facebook gingen im ersten Halbjahr, in dem diese Vorgabe erstmals griff, insgesamt 11.093 "Gegenvorstellungen" vor allem von Nutzern ein, die Inhalte gemeldet hatten. In 1459 Fällen änderte der Betreiber daraufhin seine ursprüngliche Entscheidung ab, rund 1000 davon aber zugunsten der Beiträge verfassenden Mitglieder, also nicht im Sinne der Hinweisgeber.

TikTok hat zwischen Januar und Juni insgesamt 226.479 Beschwerden über Straftaten nach dem NetzDG erhalten. 171.134 reichten Nutzer ein, in 55.345 Fällen wurden Beschwerdestellen aktiv. Zum Vergleich: Im zweiten Halbjahr 2021 erreichten den Dienst, hinter dem der chinesische Konzern ByteDance steht, 174.224 Eingaben. Mit den aktuellen Zahlen kratzt TikTok am bisherigen Rekordaufkommen von 246.434 Beschwerden aus dem zweiten Halbjahr 2020.

Über 40.000 Meldungen bezogen sich im ersten Halbjahr 2022 auf Beleidigungen. An zweiter Stelle stehen mit 25.536 Hinweisen Beschwerden über Volksverhetzung, knapp gefolgt mit 24.373 über das "Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen". 23.123 bezogen sich auf die "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen", 20.438 auf das Verbreiten, den Erwerb oder den Besitz "kinderpornographischer Inhalte".

In insgesamt 24.534 Fällen ergriff TikTok nach einer Prüfung "Maßnahmen", sperrte oder entfernte also die als strafbar eingeschätzten Inhalte. Das entspricht knapp elf Prozent der Eingaben. Die Zahl der Gegenvorstellungen betrug insgesamt 21.771, bei 4417 davon korrigierte der Betreiber sein vorheriges "Urteil" (20,3 Prozent).

Bei YouTube dauert das Auf und Ab der Zahlen mit prinzipiell rückläufiger Tendenz zwischen den ersten und zweiten Halbjahren an. Bei dem Videoportal von Google liefen in den ersten sechs Monaten 2022 insgesamt 282.858 NetzDG-Meldungen auf. 180.781 von Nutzern, 102.077 von Online-Hotlines. Zwischen Juli und Dezember 2021 waren es zusammengenommen 263.653 Beschwerden, im ersten Halbjahr 2021 noch 311.839.

Mit über 71.000 Hinweisen machten YouTube zwischen Januar und Juni erneut vor allem "Hassrede oder politischer Extremismus" zu schaffen. An zweiter Stelle folgen mit 64.415 Fällen pornografische Inhalte. "Persönlichkeitsverletzungen oder Beleidigung" liegen diesmal mit 40.548 Hinweisen auf dem dritten Platz. Entfernt hat der Anbieter insgesamt 50.717 Beiträge, während im Halbjahr davor 43.847 weichen mussten. 98,31 Prozent der gemeldeten Inhalte blieben im ersten Halbjahr 2022 online, da der Betreiber diese nicht gemäß einem der NetzDG-Straftatbestände einstufte. Google klagt gegen das Gegenvorstellungsverfahren. YouTube muss die entsprechende Auflage daher derzeit nicht befolgen.

Bei Twitter nahmen die Beschwerden insgesamt von 682.487 im zweiten Halbjahr 2021 auf diesmal 829.370 zu. Die Eingaben einzelner Nutzer stiegen dabei um 16,6 Prozent auf 723.024, während die von Beschwerdestellen um 70,1 Prozent auf 106.346 nach oben schnellte. Jeder könne sich aber im Meldeverfahren als Hotline ausgeben, heißt es bei dem US-Betreiber. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021 sind die Zahlen in Summe leicht rückläufig.

In 118.938 Fällen ergriff Twitter zwischen Januar und Juni Maßnahmen wie Blockaden oder Löschungen. Bei sieben Eingaben konsultierte der Anbieter zunächst eine externe Stelle. Häufigster Beschwerdegrund war erneut Volksverhetzung, diesmal mit 223.276 Hinweisen. Auf Rang zwei landeten wieder Beleidigungen.

(vbr)