Covid-Therapie: Altes Antidepressivum Prozac bald Medikament gegen SARS-CoV-2?

Forschende haben herausgefunden, wie Fluoxetin Covid-Kranken hilft. Es wird gerade in einer internationalen Phase-3-Studie als Covid-Medikament geprüft.

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(Bild: Bukhta Yurii/Shutterstock.com)

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Dass Fluoxetin – auch bekannt als Prozac – SARS-CoV-2-Viren im Labor hemmen kann, haben Forschende der Julius-Maximilians-Universität Würzburg bereits vor zwei Jahren gezeigt. Es wurde damals – wie viele andere bereits zugelassene Medikamente – routinemäßig gegen das Virus getestet. Klar war, dass Fluoxetin eine Enzymgruppe, die sauren Sphingomyelinasen, hemmt. Diese Enzyme beeinflussen das Gleichgewicht zwischen verschiedenen aktivierenden und hemmenden Immunzellen. Das erklärte jedoch nicht die antivirale Wirkung des Antidepressivums.

Über ein Molekül, das Fluoxetin sehr ähnlich ist, die sauren Sphingomyelinasen jedoch nicht hemmt, haben die Forschenden nun einen gänzlich neuen Hemmmechanismus für die Corona-Viren entdeckt, wie sie jetzt in dem Fachmagazin "Cells" publiziert haben: Es entfaltet seine Wirkung in kleinen, von Membranen umschlossenen Bläschen, mit denen sich die Viren in die Zelle einschleusen.

Wenn das SARS-CoV-2-Virus mit seinem Spike-Protein an die Zelloberfläche seines Wirtes angedockt hat, spalten Proteine dieser Wirtzelle das Spike-Protein und das Virus wird in die Zelle aufgenommen. Die Membran der Zelle stülbt sich dabei nach innen und das Virus wird zunächst in einem Bläschen – einem sogenannten Endosom – einschleust. Aus diesem Endosom schleust das Virus einen einzelnen RNA-Strang in das Zellplasma aus und beginnt sich zu vervielfältigen.

In diesem Bläschen, in dem das Virus zunächst eingeschlossen ist, unterdrückt das Fluoxetin die sauren Ceramidasen, eine Enzymgruppe, die Ceramide zersetzt. Da diese nun nicht mehr von den Enzymen aufgespalten werden, steigt die Konzentration der Ceramide in dem Bläschen.

"Das Enzym Ceramidase ist eine neue, völlig unerwartete Zielstruktur für die antivirale Therapie", sagt Professor Jochen Bodem vom Institut für Virologie und Immunbiologie der JMU in der Pressemitteilung des Instituts. Weshalb die Ceramide allerdings die Corona-Viren in den Bläschen einschließen und ihre Vermehrung verhindern, wissen die Forschenden noch nicht. Eine Idee: Diese Ceramide sind Fette, die auch die Barriere unserer Haut aufbauen. In den Bläschen könnten sie eine Barriere für die Viren bilden, die dadurch offenbar ihre RNA nicht mehr ausschleusen können. Mit der Zeit wandelt sich das Endosom von einem "Transportbläschen" in ein "Verdauungsbläschen". Es heißt dann Lysosom und die Enzyme in dem Bläschen zerlegen das Virus.

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Während die Würzburger an dem Mechanismus geforscht haben, der das Fluoxetin zu einem Covid-Medikament macht, laufen bereits umfangreiche internationale klinische Studien, die Fluoxetin für den breiten Einsatz gegen SARS-CoV-2 erproben. Im Februar dieses Jahres ist die ANTICOV-Studie in 13 afrikanischen Ländern angelaufen. Durch sie sollen Behandlungsmöglichkeiten gefunden werden, die auch in ressourcenschwachen Gegenden schwere Krankheitsverläufe verhindern können und idealerweise die Übertragung des Virus eindämmen.

Das ANTICOV-Konsortium koordiniert die gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungsorganisation Drugs for Neglected Diseases initiative (DNDi) und wird vom Bundesforschungsministerium (BMBF) mitfinanziert. Das Konsortium testet Fluoxetin in Kombination mit dem Corticosteroid Budensonid, das in die Lunge inhaliert, stark entzündungshemmend wirkt. Da beide Medikamente sowohl bewährt und sicher als auch in großen Mengen verfügbar sind, erhoffen sich die Studienkoordinatoren von der Kombination eine einfach anzuwendende, kostengünstige Therapie, die eine Alternative zu den neuen teuren und knappen Virostatika gegen Covid-19 sein könnten.

Anfang Juli 2022 hat sich das ANTICOV-Konsortium mit der in Brasilien durchgeführten TOGETHER-Studie zusammen geschlossen. Im Rahmen der TOGETHER-Studien wurden bereits elf Behandlungsoptionen an mehr als 6.000 Menschen mit milden bis moderaten Symptomen geprüft. Es hat sich gezeigt, dass auch der mit Fluoxetin verwandte Wirkstoff Fluvoxamin Todesfälle und Krankenhauseinweisungen um bis zu 30 Prozent reduzieren kann. Nun soll sich Fluoxetin bewähren. In der laufenden Studie bekommen die Studienteilnehmenden sieben Tage lang zwei Fluoxetin-Tabletten mit je 20 Milligramm Wirkstoff und inhalieren alle zwölf Stunden Budesonid.

(jsc)