Tencent treibt Zahlung per Handfläche voran

Der WeChat-Betreiber Tencent möchte Handflächenscanner für Zahlungen nutzen. Das wirft praktische wie ethische Fragen auf.

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Palm Scanner

Handflächenscanner.

(Bild: Shutterstock / Natasa Adzic)

Lesezeit: 20 Min.
Von
  • Zeyi Yang
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Eine Flasche Limo für nur einen Cent? Klingt wie ein guter Deal. Der Haken: Sie können nur bezahlen, indem Sie Ihre Handfläche scannen lassen und diese biometrischen Daten mit einem chinesischen Tech-Giganten teilen.

Das Angebot hat das Unternehmen Tencent, bekannt als Betreiber von WeChat, kürzlich einer Handvoll chinesischer Verbraucher gemacht, wie in einem Video zu sehen ist, das Ende September auf Douyin, der chinesischen Variante von TikTok, veröffentlicht wurde. In dem Video ist zu hören, wie eine Person, die ein WeChat-Mitarbeiter zu sein scheint, die Leute anweist, ihre Hand vor ein Erkennungsgerät zu halten und Handflächenscans zuzulassen, um im Gegenzug den speziellen Limonaden-Deal zu erhalten. "Das ist eine neue Funktion von WeChat Pay. Jeder ist willkommen, unseren Service zu testen und uns zu unterstützen", sagt die Stimme im Off.

Der Nutzer, der das Video hochgeladen hat, fragt, wie neu die Funktion ist – und die Stimme antwortet, dass sie erst vor kurzem in der chinesischen Stadt Guangzhou verfügbar ist. Wie sich aus Social-Media-Beiträgen herausstellt, testet Tencent, das auch das Bezahlsystem WeChat Pay betreibt, schon seit Monaten Bezahlgeräte mit Handflächenscannern in China. Befürworter der Technik sagen, sie sei genauer und sicherer als andere Formen der Biometrie – auch bei Leaks. Doch während die Erkennung von Fingerabdrücken und Gesichtern bereits in großem Umfang zur Identitätsüberprüfung eingesetzt wird, haben sich Verfahren zur Unterscheidung von Handflächenabdrücken – einschließlich der sichtbaren Linien und Venen unter der Haut – bislang nur in speziellen Bereichen durchgesetzt.

Doch obwohl ein Mangel an Trainingsdaten die Entwicklung der Technik verlangsamt hat, sei sie jetzt fast bereit für eine kommerzielle Massenanwendung, sagen Forscher. "Ich kann Ihnen ganz ehrlich sagen, dass wir seit über 20 Jahren an der Erkennung von Handflächenabdrücken arbeiten. Jetzt ist es soweit", sagt etwa David Zhang, ein Experte für den Bereich und Professor an der School of Data Science der Chinese University of Hong Kong in Shenzhen. Er sei derzeit dabei, kommerzielle Anwendungen zu gestalten.

Und genau hier kommt Tencent ins Spiel. Die neue Erkennnungstechnik ist zweifelsohne attraktiv, da das Unternehmen mit Alipay um die Vorherrschaft bei Bezahldiensten konkurriert. Hinzu kommt: Da China nach wie vor eine Zero-COVID-Politik verfolgt, die bedeutet, dass die Menschen nach wie vor Maske tragen und Körperkontakt vermeiden, wirken berührungslose Handflächenscans attraktiv. Mit aktuellen Verfahren hält man die Hand wenige Zentimeter vor die Kamera, eine Berührung wie bei Fingerabdruckscans ist nicht notwendig. Bei Tencent ist dementsprechend die große Datensammelei ausgebrochen: Indem der Konzern den Nutzern kleine Geldprämien im Austausch für ihre Teilnahme und ihre Daten anbietet, ist das Unternehmen einen Schritt näher dran, die Handflächenerkennung im Alltag zu verbreiten – und zwar in wirklich großem Maßstab.

Während Amazon das erste große Technologieunternehmen war, das offiziell solche Scanner in seinen stationären Geschäften in den USA eingesetzt hat (seit 2020 sind es immerhin fast 180 Standorte), könnte die Technologie dank der breiten Akzeptanz von WeChat Pay in allen Arten von Geschäften bald in ganz China allgegenwärtig werden. WeChat Pay wird in China bereits von über 800 Millionen Einzelpersonen und 50 Millionen Verkäufern genutzt.

Doch trotz der Vorteile der Technik wäre eine so flächendeckende Installation auch mit Risiken für die Privatsphäre der Verbraucher verbunden, ganz zu schweigen von praktischen Komplikationen. Analysten und Datenschützer hinterfragen, ob die Erkennung von Handflächen im Zahlungsverkehr tatsächlich eingesetzt werden sollte – und was passieren könnte, wenn das geschieht.

"Einzelhändler werden immer wieder gehackt. Wenn ein Einzelhändler gehackt wird, muss man schlimmstenfalls seine Kreditkartennummer ändern. Seinen Handabdruck kann man nicht ändern, wenn dieser kompromittiert wird", sagt Albert Fox Cahn, Geschäftsführer des Datenschutz-NGO Surveillance Technology Oversight Project (STOP). Die Technik erspare den Menschen zwar Zeit an der Kasse, könne ihre biometrische Privatsphäre aber für den Rest ihres Lebens schädigen.

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Ende 2021 berichteten chinesische Medien erstmals davon, dass Tencent ein Zahlungssystem erforscht, das auf dem Scannen der Handflächenabdrücke der Nutzer beruht. Damals antwortete das Unternehmen, dass es sich nur um ein "internes Forschungsprojekt" handele und nicht geplant sei, die Technologie im realen Leben anzuwenden. Das hat sich ein Jahr später geändert, denn Tencent testet seit Monaten Geräte zur Erkennung von Handflächenabdrücken in Shenzhen, der Stadt, in der das Unternehmen seinen Hauptsitz hat. Außerdem gibt es Versuche in Guangzhou, einer weiteren Millionenstadt in 100 Kilometern Entfernung.

Wie in Videos in den sozialen Medien zu sehen ist, die bereits im Juli hochgeladen wurden, werden in Cafés, Bäckereien und Supermärkten bereits Handflächen-Scanner für Tencents WeChat-Pay-System eingesetzt. In den meisten Fällen bietet WeChat den Kunden, die die neue Funktion ausprobieren und ihre Handflächenabdruckdaten übermitteln, einen kleinen Rabatt an, der oft weniger als 10 Yuan (rund 1,35 Euro) beträgt. Diese Taktik ähnelt der von Amazon, das im vergangenen Jahr eine 10-US-Dollar-Gutschrift für Nutzer anbot, die sich für sein Handflächenabdruck-Kassensystem, Amazon One genannt, anmeldeten.

Bei den WeChat-Zahlungsgeräten in diesen Videos handelt es sich um weiße Kästen in iPad-Größe mit einem Bildschirm. Darauf werden Anweisungen angezeigt – plus eine Kamera, die die Handflächendaten erfasst. Die Systeme befinden sich wahrscheinlich noch in der Testphase, da sie oft zusammen mit Hinweisen wie "Teststandort" oder "Interne Tests – bitte nicht an Außenstehende weitergeben" versehen sind. Auf einem Foto, das online gepostet wurde, liest man eine schriftliche Warnung, dass das Fotografieren der Geräte verboten ist.