Warum die IT-Security für Frauen kein attraktiver Arbeitsort ist

Männer trauen Frauen oft nicht zu, IT-Experten zu sein und behindern sie mit Vorurteilen und Ignoranz. Avast-CISO Jaya Baloo erklärt, was sich ändern muss.

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Inhaltsverzeichnis

Um dem Fachkräftemangel in der IT-Security zu begegnen, braucht es mehr weibliche Experten. Das war eines der Kernthemen auf der it-sa 2022 in Nürnberg. Dazu passte eine Panel-Diskussion, bei der sich weibliche Führungskräfte zum Thema Frauen in der Cybersicherheit austauschten. Eine der Teilnehmerinnen war Jaya Baloo, CISO (Chief Information Security Officer) von Avast. Baloo hielt in diesem Jahr die Special Keynote der Messe zum Thema Quantenkryptografie. Im Interview mit iX sprach sie über Chancen für Frauen, Wettbewerb und ihre eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung durch männliche Kollegen.

Im Interview: Jaya Baloo

(Bild: 

NürnbergMesse/Thomas Geiger

)

Jaya Baloo arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der IT-Sicherheit, ihr Schwerpunkt liegt auf sicheren Netzwerkarchitekturen. Daneben ist Baloo Mitglied des Beirats des niederländischen Nationalen Zentrums für Cybersicherheit, Aufsichtsrätin beim Cybersecurity-Fund TIIN Kapital und stellvertretende Vorsitzende des Strategic Advisory Board des EU Quantum Flagship.

iX: Wie können Unternehmen Frauen langfristig in MINT-Berufen halten? Nicht nur im Bereich Cybersicherheit, sondern im technischen Bereich insgesamt?

Jaya Baloo (JB): Ich denke, das ist für alle gleich. Man muss Menschen Dinge zu tun geben, die sie gut können. Die sie mit Leidenschaft tun. Nicht jeder Teil eines Jobs muss super viel Spaß machen, aber die meiste Zeit über sollte etwas da sein, das einen dazu bringt, am nächsten Tag mit einer positiven Einstellung zurückzukommen. Und um das zu erreichen, sollten Menschen ihre Arbeit interessant finden. Ob sie nun etwas Neues lernen oder tun oder etwas machen, das sie unglaublich gut können, auch wenn es nicht neu ist. Wir verbringen 90 Prozent unseres Tages mit Arbeit. Wenn also keine Anziehungskraft vorhanden ist, wird kein Job für Männer oder für Frauen auf Dauer attraktiv sein.

iX: Manche Tage sind langweilig oder schleppend. Wie kann man sich in solchen Fällen motivieren?

JB: Ich lasse mich durch unmögliche Herausforderungen motivieren. Das ist auch die Art und Weise, wie ich Ziele handhabe, die wir im Team erreichen wollen. Wenn ich mit meinem eigenen Team zusammenarbeite, muss ich sicherstellen, dass wir das richtige Maß an Herausforderungen finden. Die Aufgaben dürfen dabei nicht so überwältigend sein, dass man sich erschöpft fühlt, bevor man überhaupt angefangen hat. Man muss das richtige Maß finden, um die gewünschten Ziele zu erreichen, während die Probleme gleichzeitig motivierend sind. Das ist die Herausforderung.

iX: Glauben Sie, dass es einen Unterschied in der Arbeitsweise von Frauen und Männern gibt?

JB: Ich beobachte in meinen Teams, dass Frauen ihre Aufgaben oft möglichst perfekt vorbereiten, bevor sie überhaupt mit der Ausführung beginnen. Dabei glauben Frauen oft, dass sie nicht gut genug sind, wenn sie ein Thema nicht vollständig durchdrungen haben. Wenn Frauen etwas geschafft haben, neigen sie dazu, es für sich zu behalten. Sie erwarten eher, dass andere die Ergebnisse von alleine anerkennen. Ein ganz anderes Verhalten sehe ich bei vielen männlichen Kollegen. Die Männer reden viel eher über das, was sie gemacht haben. Für sie ist es einfacher, etwas Neues auszuprobieren und dabei Fehler zu machen.

Bei Projekten gibt es ein Vorher, ein Währenddessen und ein Nachher. Männern fällt es leichter anzufangen. Während des Prozesses herrscht viel Hektik, und von Frauen hört man nicht, wie es läuft. Sie denken, sie müssten alles selbst in Ordnung bringen. Ich glaube, Frauen haben Angst, um Hilfe zu bitten. Männern fällt es viel leichter zu sagen: Okay, das funktioniert nicht, weil dieser Typ ein Idiot ist oder diese Frau mir nicht hilft. Ein Mann tritt während eines Projekts eher in den Dialog und bittet um Hilfe. Nachher höre ich häufiger von Männern, dass das Projekt hervorragend gelaufen ist.

iX: Wenn ich mir als Teamleiter dieser unterschiedlichen Arbeitsstile bewusst bin, wie kann ich den Leuten den Einstieg erleichtern und ihnen helfen, sich nicht zu viele Sorgen zu machen?

JB: Es geht darum, Raum zum Scheitern zu lassen. Wir mögen kein Scheitern, weil es peinlich ist. Es ist teuer und entmutigend. Daher empfehle ich starken Führungskräften, in ihren Teams ein schnelles Scheitern zuzulassen. Wenn etwas nicht funktioniert hat, analysiert man es und versucht es erneut. Möglicherweise scheitert man wieder. Aber schnell scheiternde Prozesse bedeuten, dass man die Fähigkeit zur Iteration hat. Mit jedem Anpassen wird man besser.

In Unternehmen gibt es oft keinen Raum für Fehlschläge. Man hat große Multi-Millionen-Dollar-Projekte, die sich über Jahre hinziehen. Und dann stellt man plötzlich fest: Wir haben etwas gebaut, aber es löst nicht das ursprüngliche Problem. Oft führt das zu einem Dilemma mit riesigen Kosten. Wenn man bereits x Millionen für ein technisches Produkt ausgegeben hat, füttert man die Bestie weiter, anstatt zu sagen, dass es nicht funktioniert. Besonders bei Menschen in der Tech-Branche hilft aber eine Philosophie des schnellen Scheiterns. Man erfindet etwas, aber scheut sich nicht, es kaputt zu machen, zu scheitern und es dann neu zu erfinden.