heise Investigativ: Viele Ampeln sind per Funk einfach manipulierbar

Busse und Bahnen steuern Ampeln über Funk an und surfen vielerorts auf einer grünen Welle durch den Stadtverkehr. Die verwendete Technik ist aber sehr unsicher.

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(Bild: Wingedbull | Destina | stock.adobe.com | Composing: c‘t)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ronald Eikenberg
  • David Wischnjak
Inhaltsverzeichnis

Vielen Autofahrern kommt das bekannt vor: Man steht ewig vor einer roten Ampel. Doch kaum taucht ein Linienbus auf, schaltet die Ampel auf Grün, noch bevor der Bus zum Stehen kommt. Dahinter steckt ein System zur Steuerung der Ampelphasen – und so mancher hätte diese Technik wohl gern in seinem Pkw. c’t hat in einer gemeinsamen Recherche mit den Politikmagazinen Panorama 3 (NDR) und Kontrovers (BR) untersucht, wie das funktioniert und wie sicher es ist, schließlich sind Ampeln ein kritisches Angriffsziel für Hacker.

c't kompakt
  • ÖPNV-Fahrzeuge wie Busse steuern Ampeln per Funk an, damit diese schneller auf Grün springen.
  • Dabei kommt in vielen Städten eine analoge Funktechnik aus den 80ern zum Einsatz.
  • Die Technik ist nicht vor Angriffen geschützt, auch Hacker können die Ampeln ansteuern.
  • Dennoch ist ein Wechsel auf sicheres Verfahren oftmals nicht konkret geplant oder noch Jahre hin.

Die magische Technik verbirgt sich hinter der sperrigen Bezeichnung Lichtsignalanlagen-Beeinflussung. Lichtsignalanlage (LSA) ist Behördendeutsch für Ampel. Viele Nahverkehrsbetriebe statten ihre Fahrzeuge mit Systemen zur LSA-Beeinflussung aus. Ein Bus meldet sich darüber bei der Ampel an, bevor er sie erreicht, um gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern bevorzugt zu werden und schneller voranzukommen.

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Die Ampel verändert ihre Schaltzeiten, indem sie die aktuelle Grünphase in Fahrtrichtung des Busses verlängert oder die nächste vorzieht. Im besten Fall ist die Ampel rechtzeitig grün und der Bus kann einfach durchfahren. Damit sollen Verspätungen der Busse reduziert werden, ohne dass dauerhaft für den Individualverkehr ungünstige Schaltprogramme eingeführt werden müssen. Folglich sind auch nicht alle Ampeln mit der Technik ausgestattet, sondern primär solche auf den Routen des öffentlichen Nahverkehrs.

Die LSA-Beeinflussung läuft meist über Funk und es gibt sie schon seit den 80er-Jahren. Den Möglichkeiten der damaligen Zeit geschuldet, setzt das Verfahren auf analoge Funktechnik. Das war naheliegend, denn so konnten die Verkehrsbetriebe die vorhandenen Funkgeräte in den Fahrzeugen einfach für den neuen Zweck mitnutzen.

Viele Ampeln sind über einen Funkempfänger steuerbar. Die eingesetzte Technik ist allerdings alt und unsicher.

Die Funkgeräte erzeugen auf einer reservierten Betriebsfunkfrequenz mittels Frequenzmodulation einen schmalbandigen Sprachkanal, ganz ähnlich wie beim UKW-Radio oder bei Walkie-Talkies. Um diesen bereits vorhandenen Sprachkanal nun für digitale Daten nutzen zu können, werden abwechselnd zwei Töne übertragen, welche der LSA-Empfänger der Ampel in digitale Daten, also Nullen und Einsen umwandelt (Frequenzumtastung). Das klingt so ähnlich, als hätte man versehentlich ein Faxgerät angerufen.

Auch wenn die Bordcomputer vieler Fahrzeuge inzwischen auch mit digitalen Funkschnittstellen wie LTE oder TETRA ausgestattet sind, die Ampeln sind es meist noch nicht und werden deshalb weiterhin über Analogfunk angesteuert, so wie es Anfang der 80er in den Normen spezifiziert wurden. Selbst im europäischen Ausland kommt diese alte Technik teilweise noch zum Einsatz.