Chinesischer Autohersteller Tencent: Der unsichtbare Riese

Tencent ist der weltgrößte Gaming-Konzern und beherrscht den Alltag der Chinesen. Weil das aber nicht genug ist, will er jetzt auch mit Autobau Geld verdienen.

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(Bild: Tencent)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Folge neun einer zehnteiligen Serie, mit der heise/Autos auf den chinesischen Automarkt blickt. Dort laufen sich – teils kräftig unterstützt von der sogenannten Kommunistischen Partei – gerade chinesische Elektroautoproduzenten warm, um demnächst mit viel Schwung und einem bunten Strauß modernster Autos den heimischen und die internationalen Märkte aufzurollen. Das dürfte nicht ohne Folgen für die deutschen Autoproduzenten bleiben, deren größter weltweiter Einzelmarkt seit einigen Jahren China ist.

Das wird einerseits absehbar das Bild auf deutschen und europäischen Straßen verändern, aber auch Auswirkungen für die deutschen Produzenten und ihren Absatz in China, dem weltweit größten Einzelmarkt, haben.

Tencent ist aus dem Alltag der Chinesen nicht mehr wegzudenken. Und wie die anderen Techriesen Baidu und Alibaba hat sich auch Tencent vorgenommen, ihren Teil vom Automobilkuchen abzubekommen. Dabei stürzen sie sich ebenfalls auf die Bereiche autonomes Fahren, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Mit Volkswagen, BMW und Mercedes sind gleich alle drei großen deutschen Hersteller auf die Leistungen des Konzerns angewiesen.

Viele Europäer mögen den Namen Tencent noch nicht gehört haben, obwohl der chinesische Techriese mittlerweile Weltmarktführer beim Gaming ist. Dem Konzern gehören unter anderem die Studios hinter Hits wie Clash of Clans, Fortnite und Gears of War. Seine Wurzeln hat Tencent jedoch in einer anderen Branche.

Tencent wurde im Jahr 1998 gegründet und lancierte gleich den QQ-Messenger. Ein Service für Instant Messaging. Später folgte WeChat, was zunächst nur eine chinesische Antwort auf WhatsApp war, sich jedoch rasant zu weitaus mehr entwickelte. Mittlerweile lässt sich der ganze Alltag über die Anwendung regeln. Vom Einkauf über die Buchung eines Arzttermins lässt sich alles organisieren.

Tencent ist an über 600 Firmen beteiligt und stellt mit unglaublichen Geldmitteln sicher, Marktanteile in der Automobilbranche zu bekommen.

(Bild: Tencent )

Darüber hinaus hat Tencent Video- und Musik-Streaming-Plattformen, ein cloudbasiertes Tool für Videokonferenzen und dient als Risikokapitalgeber. In Summe ist der Konzern an insgesamt 600 Firmen beteiligt. Zwar sind die Aktienkurse eher volatil, doch gilt Tencent als eines der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt.

Im Jahr 2020 verkündete Tencent dann, dass das Unternehmen bis zum Jahr 2025 insgesamt 70 Milliarden Dollar in den Aufbau der digitalen Infrastruktur investieren wolle. Dabei ging es in erster Linie um Cloud-Computing, Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge. Aber auch um grundlegende Dinge wie Server, Computer und das 5G-Netzwerk. Hier dürfte eine Rolle spielen, dass alle Hersteller von Elektroautos (auch ausländische) verpflichtet sind, die Fahrdaten ihrer Autos an die lokalen Regierungen weiterzugeben. Diese Daten müssen irgendwie übermittelt, gespeichert und verarbeitet werden.

Hier kommt WeChat wieder ins Spiel. Die App wird von einer Milliarde Menschen genutzt. Damit sind die Wachstumsmöglichkeiten für Tencent eher gering. Weswegen Tencent den Service auf das Auto übertragen hat. Dafür hat das Unternehmen das virtuelle Assistenzsystem "WeChat italking" oder "Xiaowei" entwickelt. Es verknüpft einerseits alle Leistungen, die Tencent so anbietet, und ist andererseits ein Sprachassistent.

Das Geld kommt aus der Gaming-Welt und einer großen Anzahl digitaler Dienstleistungen.

(Bild: Tencent)

Automobilhersteller können sich Xiaowei ins Auto holen und der User kann per Sprachbefehl die WeChat-Funktionen nutzen. Entwickler können die Plattform außerdem nutzen, um eigene Apps anzubieten, mit denen sie auch Geld verdienen können. Eine der Hauptzielgruppen sind erstaunlicherweise Menschen über 55 Jahre. Es ist die am schnellsten wachsende Zielgruppe in China.

Doch Tencent plant bereits über autonome Pkw und vollvernetzte Services hinaus. Der Konzern ist beispielsweise auch am bayerischen Unternehmen Lilium beteiligt. Das Unternehmen aus Weßling (rechtlicher Sitz in Amsterdam) arbeitet an einem elektrischen Fluggerät, das senkrecht starten und landen und dabei sechs Menschen transportieren können soll. In China gelten Flugtaxis als eine Zukunftsvision, um das enorme Verkehrschaos zu umgehen.

Auch im Lkw-Bereich ist Tencent aktiv. Über sein Tochterunternehmen G7 (Flottenmanagement) hat sich Tencent an Inceptio beteiligt. Das Unternehmen baut zusammen mit Dongfeng und Sinotruk selbstfahrende Lkw. Die Fahrzeuge werden mit der üblichen Kombination aus Sensoren, Kameras und Lidars ausgestattet und beherrscht autonomes Fahren der Stufe 3. Bis zum Jahr 2024 soll diese Technologie in 80.000 Fahrzeugen verbaut sein. Damit könnte das Firmengeflecht genug Daten sammeln, um der Künstliche Intelligenz hinter dem autonomen Fahren ein Upgrade auf Stufe 4 zu verpassen. Die Hardware dafür sei bereits verbaut.

(fpi)