Anwohner-Widerstand: Berliner Friedrichstraße für Autos wieder gesperrt

Die Berliner Friedrichstraße ist jetzt wieder gesperrt, doch der Streit über die alte neue "Fußgängerzone" geht weiter.

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Berlin, Friedrichstraße

Der für Autos gesperrte Teil der Friedrichstraße (2020).

(Bild: gemeinfrei)

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  • dpa
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Der jahrelange Streit über Sinn und Unsinn einer Sperrung der Berliner Friedrichstraße für den motorisierten Verkehr ist um ein Kapitel reicher – und weitere werden folgen. Seit heute ist ein 500 Meter langer Abschnitt nahe des Gendarmenmarkts wie von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) in der Vorwoche angekündigt zum zweiten Mal für den Kraftverkehr gesperrt. Diesmal soll es nach dem Willen der Grünen-Politikerin für immer sein. Gewerbetreibende und Anwohner wollen dagegen allerdings massiv vorgehen.

Das Bündnis "Rettet die Friedrichstraße!" kündigte heute zum einen an, dass Anrainer beim Bezirksamt Mitte Widerspruch gegen die Umwidmung der Straße zur Fußgängerzone einlegen. Außerdem sind demnach Klagen vor dem Verwaltungsgericht mit dem Ziel geplant, dass dieses eine aufschiebende Wirkung der Widersprüche anordnet. Sollte das Gericht dem folgen, müsste die Straße bis zum Abschluss der Widerspruchsverfahren offengehalten werden.

Als möglichen nächsten Schritt nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens behält sich das Bündnis eine Klage in der Hauptsache vor dem Verwaltungsgericht vor, wie Anwalt Marcel Templin ankündigte. Notfalls werde man dann durch alle Instanzen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht gehen. Zu klären sei unter anderem, warum ausgerechnet dieser Straßenabschnitt "ohne Plan und Konzept" gesperrt werde, zudem handele es sich um einen massiven Eingriff in die wirtschaftliche Betätigung von Gewerbetreibenden.

Jarasch hatte die dauerhafte Sperrung der Straße zwischen Leipziger Straße und Französischer Straße für den motorisierten Verkehr am vergangenen Mittwoch mitten im Wahlkampf angekündigt. Dieser Abschnitt war von August 2020 bis November 2022 schon einmal für Autos tabu, musste aber nach einer Gerichtsentscheidung, wonach es dafür nach Abschluss eines Verkehrsversuchs 2021 keine Rechtsgrundlage gab, zunächst wieder freigegeben werden.

Jarasch will die gesamte historische Mitte Berlins, wie sie in der Vorwoche sagte, "fußgängerfreundlich" gestalten. Eine autofreie Friedrichstraße sei ein Baustein, ein Konzept dazu werde in den kommenden Jahren erarbeitet. Die parallel verlaufende Charlottenstraße wurde schon vor einiger Zeit zur Fahrradstraße erklärt.

Vertreter des Bündnisses "Rettet die Friedrichstraße!", dem Gewerbetreibende und Initiativen angehören, kritisierten Jaraschs Vorgehen scharf. "Die Straße wird ohne Konzept gesperrt, die nächsten Jahre werden genauso vergehen wie die ersten zwei Jahre Sperrung", sagte Bündnissprecherin und Weinhändlerin Anja Schröder, die das juristische Aus für die erste Sperrung mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht erwirkt hatte. "Das wird den Handel hier zum Erliegen bringen." In den letzten Jahren hätten – auch wegen Corona – bereits 21 Geschäfte in der Straße aufgegeben.

Der Präsident des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Björn Fromm, äußerte sich "zutiefst erschüttert" über Jarasch. "Es kann nicht richtig sein, dass ohne jegliche Vorankündigung, ohne Rücksprachen völlig konzeptfrei Straßen gesperrt werden." Wie schon beim ersten Versuch werde "erst geschlossen, dann nachgedacht", meinte er. "Wer die historische Mitte derart zerstören möchte, der sollte sich vielleicht eine andere Aufgabe suchen und die Stadt in Ruhe lassen."

Sein Verband und das Bündnis wollten nicht die Autos retten, sondern die Friedrichstraße. Klar sei, dass ein Verkehrskonzept für die Mitte benötigt werde, so Fromm. Allerdings erwiesen sich alle Gespräche mit der Politik darüber in der Vergangenheit nun als "Fake-Gespräche". Der Berliner Dehoga-Präsident Christian Andresen prangerte erhebliche Verkehrsprobleme vor Ort unter anderem für Hotels an. "Das ist grüne Basta-Politik, die wir hier in der Stadt nicht brauchen können."

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hatte ihre Koalitionspartnerin Jarasch in der Vorwoche scharf kritisiert, der Vorstoß sei nicht mit dem Senat abgestimmt worden. "Ich würde mir sehr, sehr wünschen, dass die Verkehrssenatorin ihre Energie auf die wirklichen Probleme in der Stadt lenkt und nicht mit solchen Nebelkerzen wie an der Friedrichstraße Klientelpolitik macht", legte Giffey im Tagesspiegel (Montag) nun nach. "Diese Eile ist nicht nur unnötig, sie stößt auch viele Menschen in der Stadt und vor allem die Gewerbetreibenden vor den Kopf."

(fpi)