Königin der Lüfte: Boeing übergibt letzte 747 an Atlas Air​

Der Jumbo-Jet ist jetzt offiziell ein Oldie der Luftfahrt. Boeing übergibt die letzte produzierte Maschine der Frachtversion 747-8 an seinen Kunden.​

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Historische Aufnahme: Eine weiße Boeing 747 mit einem roten Streifen; davor stehen 26 schlanke Frauen in unteschiedlichen Air-Hostess-Uniformen.

Die erste 747-100.

(Bild: Boeing)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Andreas Sebayang
Inhaltsverzeichnis

Mit der Auslieferung der letzten Boeing 747 endet eine Ära. Am Dienstagabend unserer Zeit nimmt die Frachtfluggesellschaft Atlas Air das letzte Modell der Baureihe 747-8F in Boeings Werk in Everett (bei Seattle) in Empfang. Das Flugzeug mit der Seriennummer 67150 ist die letzte "Queen of the Skies", die fast 54 Jahre nach dem Erstflug bei Boeing vom Band läuft. In der Luft wird der "Jumbo" aber noch eine Weile zu sehen sein.

Die Boeing 747 spielt für die Luftfahrt eine besondere Rolle. Vier Triebwerke, viel Kapazität und eine hohe Reichweite zeichneten das Flugzeug schon in den 1970er-Jahren aus und machten es zum Liebling der Fluggesellschaften, aber auch der Fluggäste. Und nicht nur der: Die 747 war nicht nur ein Passagierflugzeug mit – für damalige Verhältnisse – beeindruckenden Leistungsdaten. Auch als Frachter war und ist die Maschine beliebt und erfolgreich.

Boeing streamt die Übergabe online live. Die Zeremonie beginnt um 22 Uhr MEZ.

Und das ist kein Zufall: Zur Zeit der Konstruktion der 747 gingen viele in der Luftfahrtbranche davon aus, dass das Überschallflugzeug die Zukunft des Passagierverkehrs sein würde. Beim Design des Jumbos hatten die Konstrukteure daher schon ein zweites Leben als Frachter im Sinn. Weil die 747 eine große Ladeluke an der Nase haben sollte, liegt das Cockpit über dem Passagierdeck. Der dadurch entstandene typische "Buckel" wurde wegen der besseren Aerodynamik vergrößert und beherbergte zunächst die Bar der ersten Klasse.

Mit dem in den 1960er-Jahren anbrechenden Jet-Zeitalter und wachsendem Tourismus bediente die 747 das Bedürfnis nach Fernreisen ohne Zwischenstopps. Boeing holte den Ingenieur Joe Sutter aus dem Team der 737, um die Entwicklung eines neuen Großraumflugzeugs zu leiten. Unter seiner Ägide entstand die erste Version des Jumbo, die Boeing 747-100. Sutter wird heute auch der "Vater der 747" genannt.

Die Maschine wurde zum Aushängeschild der Fluggesellschaften. Jede wollte sie haben, sagt Boeing-Historiker Michael Lombardi. Das galt selbst für Airlines, die sie eigentlich nicht einsetzen konnten. So habe People Express etwa Linienflüge zwischen Boston und Denver angeboten, die laut Lombardi eigentlich keinen Sinn ergaben.

Beliebt bei Passagieren: Ausreichendes Platzangebot in der Economy Class.

(Bild: Boeing)

Boeing hat während der vergangenen Jahrzehnten insgesamt 1574 Jumbo-Jets gebaut. Dabei wurde die 747 immer wieder optimiert und jede dieser Versionen hat Sutter noch erleben können. Er verstarb 2016 im Alter von 95 Jahren, wenige Jahre nachdem die beiden letzten 747-Typen auf den Markt kamen: Die 747-8i und die 747-8F. Nach seinem Tod würdigte Boeing Sutters Leistungen auf seiner Webseite.

Zwischen Sutters erster 747 und dem heutigen Modell gab es viele Zwischenschritte, Umbauten und Sonderbauten, die kaum ein anderes Flugzeug vorweisen kann. Aus Passagiersicht am offensichtlichsten sind die Modelle -200, -300 (mit verlängertem Buckel), -400 und schließlich die -8 mit einem kleinen "i" für interkontinental. Parallel entwickelte sich die 747 auch erfolgreich als Frachter, erkennbar an einem F am Ende der Typenbezeichnung. Genau solch ein Frachter ist die letzte ausgelieferte Maschine, einer 747-8F, die nun an Atlas Air geht. Diese Firma ist mit über 50 Maschinen der aktuell größte 747-Betreiber.

Im Frachtgeschäft bedient man sich auch gerne gebrauchter Flugzeuge aus dem Passagierbetrieb und baut diese um. Neben der 747-400F gab es deswegen beispielsweise eine -400BCF für "Boeing Converted Freighter". Dieser fehlt die vordere Ladeluke. Eine Zeit lang gab es auch noch Combi-Frachter (747-400M), die sowohl Fracht als auch Passagiere mitnahmen. Während die fabrikneuen reinen Fracht-Jumbos bis zuletzt nur einen kurzen Buckel hatten, bieten die BCF-Maschinen weiterhin viel Platz im Oberdeck. Daher sieht die moderne 747-8F für das ungeschulte Auge auch wie eine alte 747-100 aus.

Die Konstruktion der Ladeluke bedingte die Verlegung des Cockpits über die Kabine.

(Bild: Boeing)

Kaum ein anderes Passagierflugzeug wurde für so unterschiedliche Spezialeinsätze gebaut und umgebaut wie die 747 – sei es als Transporter für das Space Shuttle, fliegendes Observatorium oder Abschussrampe für die Raketen von Virgin Orbit. Das britische Unternehmen macht sich dabei eine weitere Eigenart der 747 zunutze: Eine Aufhängung für ein fünftes Triebwerk unter dem linken Flügel des Jumbos, die zum Beispiel für den Transport von Ersatztriebwerken genutzt wurde.

Häufiger sind VIP-Maschinen, wie sie die Oberhäupter Japans oder der USA etwa nutzen. Letztere ist bekannt als Air Force One, bekommt diese Bezeichnung aber nur, wenn der US-Präsident tatsächlich an Bord ist. Sonst kennt man sie als VC-25, die stark modifizierte Militärversion der 747. Deren Piloten werden übrigens bei Atlas Air ausgebildet.

Auch Boeing selbst braucht die 747 für besondere Aufgaben. Für das von Problemen geplagte 787-Dreamliner-Programm benötigte der Flugzeugbauer einen neuen Transporter und konstruierte aus alten Jumbo-Jets den "Dreamlifter" (betrieben von, erraten, Atlas Air). Das Flugzeug kann gewissermaßen als der Anfang vom Ende der 747 gesehen werden, denn mit dem Dreamliner wollte Boeing wieder ein Flugzeug anbieten, das den Direktverkehr auf der Langstrecke wirtschaftlich macht.

Für einen Abgesang auf Großraumflugzeuge mit vier Triebwerken ist es noch zu früh. Zwar werden Vierstrahler wie A340 oder A380 seltener und insbesondere in den USA sieht man Jumbos nicht mehr oft, doch wird die 747 noch eine Weile fliegen – zumal die B747-8i noch vergleichsweise jung ist. Trotz weniger Betreiber sieht man das Flugzeug gerade in Deutschland oft, weil die Lufthansa immerhin 19 Maschinen in der Flotte hat.

Seltener Gast in Berlin-Tegel: Eine 747-400 der Lufthansa.

(Bild: Andreas Sebayang.)

Doch im Vergleich zu den insgesamt 1574 Flugzeugen, die gebaut wurden, sind die vier Dutzend ausgelieferte 747-8i alles andere als ein Erfolg. Sie sollte dem Airbus A380 Paroli bieten, der es am Ende aber auf 251 Maschinen brachte. Zur Familie gehört zudem die 747-8F, von der Boeing immerhin 107 Exemplare ausgeliefert hat. Diese 107 Maschinen innerhalb eines Jahrzehnts sind durchaus beachtlich, denn von Nur-Frachtern der letzten Frachter-Generation 747-Flugzeuge (-400F/ERF/M) wurden 227 Maschinen über rund zwei Jahrzehnte ausgeliefert. Dazu kommen viele zu Frachtern umgebaute Passagiermaschinen.

Allein die Beliebtheit der 747 als Umbaufrachter zeigt, dass selbst die 400er-Flugzeuge vermutlich noch Jahrzehnte fliegen. Boeing-Historiker Lombardi geht sogar davon aus, dass 2069 noch einzelne 747 fliegen. Unrealistisch ist das nicht. Bis vor sechs Jahren flog etwa noch die Maschine Nummer 25 für Triebwerkhersteller General Electric als Testflugzeug und war damit 47 Jahre unterwegs. Die Boeing E4B, eine militarisierte Version der 747-200, fliegt immerhin schon seit 43 Jahren als National Airborne Operations Center der US Air Force durch die Gegend.

Für Boeing selbst hat das Flugzeug nach derzeitigem Stand keine Zukunft. Im Unterschied zu Airbus nutzt Boeing seine Riesenflieger bisher nicht für Flugdemonstrationen neuer Komponenten und hat auch keine Pläne dafür, wie das Unternehmen angab. Auszuschließen ist das freilich nicht, denn zu zukünftigen Plänen äußern sich Branchenmitglieder selten, um sich vor der Konkurrenz zu schützen.

(vbr)