Teslas Schlingerkurs in China: Harter Konkurrenzkampf drückt die Preise

Tesla hat in China zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten die Preise senken müssen. Auch das zeigt, wie stark der Druck auf dem chinesischen Markt zunimmt.

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Tesla Model Y

Tesla macht auf dem chinesischen Automarkt noch immer hervorragende Geschäfte. Doch der Druck nimmt zu.

(Bild: Tesla)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Christian Domke Seidel
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Folge einer Serie, mit der heise/Autos auf den chinesischen Automarkt blickt. Dort laufen sich – teils kräftig unterstützt von der sogenannten Kommunistischen Partei – gerade chinesische Elektroautoproduzenten warm, um demnächst mit viel Schwung und einem bunten Strauß modernster Autos den heimischen und die internationalen Märkte aufzurollen. Das dürfte nicht ohne Folgen für die deutschen Autoproduzenten bleiben, deren größter weltweiter Einzelmarkt seit einigen Jahren China ist.

Das wird einerseits absehbar das Bild auf deutschen und europäischen Straßen verändern, aber auch Auswirkungen für die deutschen Produzenten und ihren Absatz in China, dem weltweit größten Einzelmarkt, haben.

Tesla hat in China die Preise gesenkt. Mal wieder. Rund 200 Kunden hat das derart verärgert, dass sie zu ihrem Händler in Shanghai gingen, um eine Liste mit Forderungen zu übergeben. Begleitet von der örtlichen Polizei. Hintergrund ist, dass Tesla in den vergangenen zwölf Monaten viel mit seiner Preispolitik experimentiert hat. Die jüngste Preissenkung Anfang Januar 2023 war die zweite innerhalb von drei Monaten. Käufer, die sich noch Ende 2022 ein vermeintliches Schnäppchen gesichert hatten, sind jetzt enttäuscht und verlangen ihr Geld zurück. Es ist der vorläufige Höhepunkt eines Konkurrenzkampfes, der sich massiv zuspitzt.

China ist zum Erfolgsgaranten für Tesla geworden. Der amerikanische Hersteller erzielte mit einem weltweiten Absatz von 1,31 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2022 (das entspricht einem Zuwachs von 40 Prozent) einen neuen Firmenrekord. Im November 2022 lieferten die Amerikaner alleine in Fernost 100.291 Fahrzeuge aus. Um diese Zahlen erreichen zu können, hatte Tesla seine Fabrik in Shanghai massiv ausgebaut und modernisiert. Dort kann die Marke jetzt jährlich 750.000 Fahrzeuge herstellen.

Das Werk in Shanghai wurde zuletzt massiv ausgebaut. Das jährliche Produktionsvolumen soll bei 750.000 Fahrzeugen liegen.

(Bild: Tesla)

Die Fabrik mausert sich sogar zum globalen Standard der Marke. Im November 2022 entsandte Tesla Automatisierungs- und Steuerungsexperten aus Shanghai nach Fremont (Kalifornien/USA), um das dortige Werk effizienter zu machen. Immer mehr Teslas aus Shanghai werden exportiert. Zuletzt gab es laut Reuters sogar Gerüchte, dass die chinesischen Fahrzeuge auch in die USA und Kanada geliefert werden sollen. Trotz eines Zolltarifs von 27,5 Prozent auf Pkw und 25 Prozent auf light-duty Trucks.

Der bisherige Erfolg von Tesla liegt auch an den üppigen Subventionen für Elektrofahrzeuge der Regierung. Im Jahr 2020 betrug die Kaufprämie in China umgerechnet 2130 Euro (bei einer Reichweite von 300 bis 400 Kilometern), bzw. 2960 Euro (ab 400 Kilometer Reichweite). Dazu kam eine protektionistische Politik, Elektroautoquoten und unterstützende Maßnahmen von Lokalregierungen – beispielsweise geringere Steuern, Gratis-Parkplätze oder eine vereinfachte Zulassung. Im Jahr 2020 erhielt kein anderer Hersteller in China so viele Zuschüsse wie Tesla. Laut einer Analyse des China-Forschungsinstituts Sinolytics erhielt die Marke von Elon Musk umgerechnet rund 290 Millionen Euro von der chinesischen Regierung.

Für das Jahr 2022 gab es zwei Änderungen. Zum einen sank die Kaufprämie auf 1660 Euro (bzw. 2300 Euro). Zum anderen gab es das Geld nur noch für Autos, die weniger als 40.000 Euro kosteten. Tesla reagierte auf die Gesetzesänderung im Januar 2022 mit einer Preiserhöhung. Die Marke verteuerte das Model 3 (um 1375 Euro) und das Model Y (um 2900 Euro). Ziel dürfte gewesen sein, sich als Premium-Marke zu etablieren und von der chinesischen Konkurrenz abzusetzen. Diese Taktik ging – bei allen Rekorden und Erfolgsmeldungen – nach hinten los.

Von Preisen wie sie auf dem chinesischen Markt üblich sind, können deutsche Tesla-Kunden nur träumen: Das Basismodell des Model Y ist dort umgerechnet für knapp 36.000 Euro zu haben.

(Bild: Tesla)

Im zweiten Quartal 2022 wurde die chinesische Marke BYD (Build your dreams) zum weltweit größten Hersteller von Elektroautos. Obwohl sie lediglich in China nennenswerte Absätze hat. Hier hat die Marke im EV-Segment einen Marktanteil von 29,3 Prozent. Tesla rangiert bei sieben Prozent. Nur zum Vergleich: Die beiden deutsch-chinesischen Joint-Ventures SAIC-VW (1,8 Prozent) und FAW-VW (1,6 Prozent) liegen auf Platz 14 und 15 der Zulassungsstatistik.

Im Oktober 2022 begann Tesla dann umzudenken und senkte die Preise für das Model 3 und Model Y um fünf bis zehn Prozent. Damit qualifizierten sich die Fahrzeuge wieder für die Elektroautoförderung der Regierung. Die Verkaufszahlen erholten sich im November wieder. Schon zu diesem Zeitpunkt gab es aber Gerüchte, dass Tesla die Preise erneut senken wolle. Im Dezember 2022 brauch daraufhin der Absatz um 44 Prozent ein. Die Kunden wollten lieber auf den nächsten Nachlass warten. Im Januar 2023 fielen die Preise dann tatsächlich erneut. Ein Model Y ist in China mittlerweile für umgerechnet 35.700 Euro zu haben. Das Model 3 startet bei 31.600 Euro. Die Kunden, die im Januar 2023 eine Liste mit Forderungen an Tesla übergaben, hatten nach eigener Aussage vor dem Kauf gefragt, ob weitere Preissenkungen anstehen würden. Was Tesla verneint habe.

Die vermeintlichen Export-Pläne und die doppelte Preisreduzierung sehen Analysten aus China als Zeichen für schwindende Aufträge und wachsende Lagerbestände. Elon Musk selbst hatte im Oktober 2022 von "einer Art Rezession" in China und Europa gesprochen. Es war eine verklausulierte Vorwarnung für den vierten Quartalsbericht. Der machte deutlich, dass die Marke das selbstgesetzte Ziel einer 50-prozentigen Absatzsteigerung verpasst hatte.

Für Tesla kommt erschwerend hinzu, dass sich der Markt in China gerade auf hohem Niveau abflaut. Im vergangenen Jahr wuchs das Segment der batteriegetriebenen Fahrzeuge um 114 Prozent, rechnet die China Passenger Car Association (CPCA) vor. Für das Jahr 2023 wird ein Wachstum von "nur" 30 Prozent erwartet. Von aktuell 6,4 Millionen Elektroautos pro Jahr auf 8,4 Millionen im Jahr 2023. Experten erwarten außerdem, dass es vor allem chinesische Hersteller sein werden, die davon profitieren. Also BYD, Nio, Li Auto und Xpeng.

"Die Vorliebe der chinesischen Verbraucher für ausländische Automarken ist Geschichte. Etwa die Hälfte der Verbraucher in China ist der Meinung, dass sie für ein Elektroauto einer ausländischen Marke aufgrund der hohen Qualität und Leistung nicht mehr bezahlen müssen. Sie setzen auf aufstrebende chinesische Start-ups, die intelligente Elektroautos herstellen", analysiert Guan Mingyu im Interview mit der South China Morning Post (SCMP). Er ist Partner bei der globalen Unternehmensberatung McKinsey.

Elon Musk hat im vergangenen Jahr an der Börse reichlich Geld verbrannt.

(Bild: Kathy Hutchins/Shutterstock.com)

Vielleicht schlägt sich Elon Musk auch deswegen politisch auf die Seite der Kommunistischen Partei. So ging im Oktober 2022 eine Aussage des Vorstandsvorsitzenden viral, nach der Taiwan eine Sonderverwaltungszone unter chinesischer Herrschaft werden solle. Den Vorschlag unterbreitete er in einem Gespräch mit der Financial Times. Er wolle damit einen schweren Einbruch der Weltwirtschaft verhindern – schließlich könnte es sonst zum Einmarsch Chinas in dem unabhängigen Land kommen. Damit liegt Elon Musk zwar voll auf Linie mit der Kommunistischen Partei, ignoriert aber den Willen der wohl meisten Menschen in Taiwan.

Die Verlangsamung des Wachstums liegt unter anderem an den Jahren der strengen Zero-Covid-Strategie der Zentralregierung. Im Jahr 2022 lag das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik (3,2 Prozent) zum ersten Mal seit 40 Jahren nicht über dem der Weltwirtschaft. Im Jahr 2023 dürfte es kaum anders werden. Entsprechend vorsichtig zeigen sich viele Chinesen beim Autokauf. Günstigere Modelle sind mittlerweile deutlich beliebter. "Die Hersteller von Premium-Elektrofahrzeugen haben Schwierigkeiten, ihre Wachstumsdynamik in diesem Jahr aufrechtzuerhalten, da chinesische Autofahrer keine teuren Fahrzeuge kaufen wollen", macht Eric Han, Senior Manager beim Beratungsunternehmen Suolei, gegenüber der SCMP deutlich. Viele Modelle von BYD sind für unter 28.000 Euro zu haben. Die Marke beliefert mit ihren eigenen Batterien auch Tesla.

Mercedes hat im November 2022 auf die Situation reagiert und die Preise für die EQE-Varianten und den EQS deutlich gesenkt. Die EQE-Modelle sind seitdem rund 7000 Euro günstiger und jetzt ab rund 65.000 Euro zu haben. Beim EQS fiel die Preissenkung noch drastischer aus. Hier sparen Kunden seitdem bis zu 32.000 Euro. Ihn gibt es jetzt in China ab rund 112.000 Euro. Bei Mercedes gab es keine Proteste. Was auch daran lag, dass die Schwaben die Rabatte sogar rückwirkend gewährten.

Der Abschwung der chinesischen Wirtschaft bereitet auch den Lokalregierungen Sorgen. In Festland-China ist jeder sechste der 800 Millionen Arbeitsplätze von der Automobilindustrie abhängig. Gegen den Willen der Regierung in Peking hat Guangdong bereits eigene Kaufprämien für Elektroautos eingeführt. Mit 126 Millionen Einwohnern ist es die bevölkerungsreichste Provinz in der Volksrepublik. Wer dort im Mai und Juni 2023 ein New Energy Vehicle (NEV) kauft, bekommt umgerechnet 1370 Euro. Weil die Regierung die gesamte Industrie unterstützen will, bekommen sogar Käufer von klassischen Verbrennern einen Zuschuss (die Hälfte der NEV-Förderung). Experten gehen davon aus, dass mit Shanghai, Jiangsu und Zhejiang bald andere Lokalregierungen nachziehen werden.

(mfz)