Verbrenner raus, Elektroantrieb rein: E-Core Plug-and-Play fürs Kleinkraftrad

Umbauten auf Elektroantrieb kannte man bisher von seltenen Auto-Klassikern. Das Konzept "E-Core" hingegen zielt auf millionenfach verkaufte Kleinkrafträder.

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Apex-Bikes

(Bild: E-Core)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Wer sich Sorgen macht, ob er zukünftig mit seinem kleinen Verbrenner-Motorrad überhaupt noch in Städten fahren darf, wird die Idee von Ben Surain vermutlich erfreuen. Der Belgier hat mit dem E-Core einen elektrischen Antrieb als Plug-in konstruiert. Was bei uns noch undenkbar wäre, ist in den beiden bevölkerungsreichsten Ländern der Welt, China und Indien, bereits Realität: Viele chinesische Großstädte verbieten bereits Motorräder und Roller mit Verbrennungsmotoren in der City, in Indien dürfen ab April 2025 keine Motorräder bis 150 cm3 Hubraum mehr zugelassen werden.

Doch ein großer Teil der 16 Millionen Motorräder, die allein letztes Jahr in Indien verkauft wurden, fällt in diese Hubraumklasse. Sollen die betroffenen Besitzer ihre Klein- und Leichtkrafträder bzw. Roller verschrotten und eine teuren elektrisch angetriebenen Nachfolger kaufen? Auf diesem Problem basiert das Konzept E-Core.

Ben Surain ist ein Motorradbesessener. Schon als Jugendlicher begeisterte er sich für motorisierte Zweiräder und lernte bei einem Mechaniker, der früher einmal das Ducati-Superbike für Weltmeister Carl Fogarty vorbereitete. Surain studierte nach seiner Lehre Design, war unter anderem für Panasonic und sogar drei Jahre als Professor für Design tätig. Er erkannte früh, was mit einem elektrischen Antrieb in Zweirädern möglich war und gründete 2009 seine Marke "Surain Elektrocycles". Er tüftelte viel und verbrauchte nach eigener Aussage "Tonnen von Batterien, Controllern und Motoren". Aber mit jedem Prototyp lernte er aus Fehlern und verbesserte seine Elektro-Bikes beständig. Im Laufe der Zeit kamen Auszeichnungen für seine Designs hinzu.

E-Core Plug-and-play fürs Motorrad (7 Bilder)

Künftig könnte der E-Core viele kleine Motorräder und Roller antreiben. Das Bild ist eine Fotomontage mit der 50-ccm-Version der Honda Dax und Surains Elektroantrieb.

Surain begann immer ganz altmodisch, mit Stift und Papier, seine neuen Ideen zu skizzieren. Dabei arbeitete er stets allein, so brauchte er keine Kompromisse einzugehen. Er konstruierte interessante Einzelanfertigungen, doch ihm war bewusst, dass die sehr teuer und daher nur für einen sehr eingeschränkten Kundenkreis infrage kamen. Es sei denn, man baute kleine Elektromotoren in großer Stückzahl. Genau da erkannte Surain "seine" Marktlücke.

Im Hinblick auf den "Green Deal" der EU und den steigenden Bedarf an Elektrokrafträdern in Asien begann er eine kompakte Batterie-Motor-Einheit zu konstruieren. Der E-Core soll kleine Zweiräder antreiben, wie die legendäre Honda Dax, Monkey und Cub, die weltweit zu Millionen für die Urban Mobility eingesetzt werden. Sie werden von luftgekühlten Einzylindermotoren mit – je nach Markt – 50, 70, 100 und 125 cm3 angetrieben. Die Honda Super Cub ist sogar das weltweit meistproduzierte Kraftfahrzeug überhaupt. Die Abkürzung "Cub" in ihrer Bezeichnung steht für "Cheap Urban Bike", ein offenbar erfolgreiches Konzept: Seit 1958 sind weit über 100 Millionen Exemplare verkauft worden.

Vor allem diese global fast unvorstellbar weitverbreiteten Modelle hatte Surain im Hinterkopf, als er mit der Entwicklung begann. Sein E-Core entspricht dem Plug-and-Play-Prinzip: den Motor und die überflüssig gewordenen Komponenten wie etwa Tank und Auspuff entfernen, E-Core einhängen, "Gas"griff und Display verkabeln, Kette auflegen und los geht es. Der E-Core soll 2 bis 3 kW Nennleistung haben. Bald will Surain zudem eine E-Core Version mit Straßenzulassung bauen, die bis zu 8 kW leisten soll.

E-Core Plug-and-play fürs Motorrad (5 Bilder)

Die übereinandergelegten Zeichnungen demonstrieren, dass Surain es geschafft hat, den E-Core sehr kompakt zu bauen.

Über die Batteriegröße liegen noch keine genauen Angaben vor, sie soll dem Einsatzgebiet angepasst werden. Die Batterie wird seitlich in den E-Core eingeschoben, was einen schnellen Batteriewechsel ermöglicht, wenn der Besitzer nicht das Aufladen abwarten will. Dieses Modell ist auch ideal für Lieferdienste oder Miet-Mopeds. Allzu groß und entsprechend schwer darf der Akku da natürlich nicht werden. Darauf, dass so etwas funktioniert, hoffen viele Kleinkraftrad-Hersteller, unter anderem Piaggio, Honda, Yamaha und KTM. Sie haben sich, um die Chancen zu erhöhen, auf einen gemeinsamen Standard für die Tausch-Akkus geeinigt.

Surain bekam inzwischen eine Anfrage von APEX-Bikes aus Gräfelfing bei München, die auf Pitbikes spezialisiert sind. Sie wollen ihren Kunden die Möglichkeit geben, im Winter in der Halle zu trainieren, doch dafür brauchen sie einen emissionsfreien Antrieb. Für APEX entwickelt Surain eine stärkere E-Core-Version mit einer Spitzenleistung von 15 kW. Der Prototyp läuft bereits vielversprechend, aber Surain legt Wert darauf, dass der Preis im Rahmen bleibt.

Für eine größere Serienfertigung und den Vertrieb braucht Surain Geld und hat zusammen mit dem Elektromotorrad-Enthusiasten Guy Salens die Plattform "On #pushthebutton" gegründet, um nach Sponsoren zu suchen. Sein Ziel ist es, den E-Core in großen Stückzahlen zu produzieren, damit Besitzer von Verbrennerkrafträdern künftig lokal emissionsfrei weiterfahren können.

(fpi)