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Was war. Was wird.

Ohne Informatik kein Internet, ohne dieses lange graue Kabel kein Katzencontent. Wo soll das alles enden? Besonders das mit dem Internet ist eine gefährliche Sache, das kann einmal ins Auge gehen, warnt Hal Faber.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Es war ein schöner Tag, der letzte im August
Die Sonne brannte so, als hätte sie's gewusst

*** Tja, so kann es gehen. Kein Leser wollte bei dem nachgeworfenen Sommerrätsel im vorigen WWWW mitmachen und den Namen nennen, den der Bundesadler unter Gerhard Schröder trug. Zum Wahljahr 2002 wurde aus diesem unseren stolzen Adler nämlich eine zappelige Comicfigur für eine interaktive Regierungs-Erklärbär-Webseite, die in einem Schülerwettbewerb den Namen Findulin verpasst bekam. Auf der CeBIT, auf der Findulin Premiere hatte, mussten die Regierungsmenschen an den Ständen Findulin im Knopfloch tragen.

Längst ist Findulin Geschichte, wie der Niedersachse Schröder und seine SPD. Bekanntlich tritt der Eckwestfale Steinmeier an, der mit seiner SPD auf eine Art Ermattungsstrategie setzt, den Koalitionspartner CDU/CSU zusammenzuschwächeln, in dem man kräftig vormacht wie das geht mit dem Schwächeln. Passend dazu ist aus dem jungen Findulin ein fetter, altersgrauer Vogel mit Gedächtnislücken geworden, der längst nicht mehr auf jede Frage eine Antwort weiß. Doch halt! Niedersachen, das größte Bundesland in der schönen norddeutschen Tiefebene, hält noch den jungen Adler in Ehren, dessen Bildrechte nunmehr beim Verfassungsschutz liegen. Dieser schickt zur politischen Aufklärung als Ersatz für die Landeszentrale für politische Bildung so genannte Demokratielotsen in die Schulen. Der Extremistenschnüffler als Aufklärer über die Werte unser freiheitlich-demokratischen Grundordnung, darauf muss man erst einmal kommen! Neis-Sager an Niedersachsens Schulen, an denen Freiheitsredner gar nicht gern gesehen werden. Komplett mit einem Innenminister Schünemann, der seine Schnüffellotsen als demokratisches Gegengift gegen den Extremismus preist. Da lachen die Geier und gackern die Hühner. Oder umgekehrt.

*** In der vorigen Wochenschau begleitete uns das Deutschlandprogramm der FDP durch die Nacht, diesmal muss das Regierungsprogramm der SPD (PDF-Datei) herhalten, verstärkt um den Deutschland-Plan, bis 2020 Arbeitsplätze wie Brunnenkresse zu produzieren. In diesem Plan befindet sich bekanntlich die Idee einer "Software-Hochschule", die 180.000 deutsche IT-Betriebe mit Arbeitskräften versorgen soll. Angeblich reichen ja die 60.000 Informatik-Studienplätze in Deutschland nicht aus, genügend Nachwuchs zu produzieren, damit "Deutschland auf gleicher Höhe mit den USA" steht, wie Steinmeiers Redenschreiber das formulieren.

*** Auf den Plan haben die Informatiker verärgert reagiert und die Schuld an der Misere an die Medien weiter gereicht. Jaja, jede Meldung im Heiseticker tötet eine Absicht, eine kritische Nachfrage gar einen ganzen Studiengang. Und es kann noch schlimmer kommen: Ohne Informatik kein Internet (das wieder einmal Geburtstag feiert), ohne dieses lange graue Kabel kein Katzencontent. Wo soll das alles enden? Besonders das mit dem Internet ist eine gefährliche Sache, das kann einmal ins Auge gehen.

*** In Steinmeiers Plan werden die Firmen SAP, Software AG und IDS Scheer lobend erwähnt, weil sie den Standort Deutschland zum weltweit führenden Land für Unternehmenssoftware gemacht hätten. Entsprechend soll die Software-Hochschule Spezialisten für Unternehmens-Software ausbilden, nicht kreative Lösungen für informatische Probleme finden. Oh, wie ordnen wir da bloß einen FORTRAN-Programmierer ein, aus dem nach einer Firmengründerzeit glatt ein Politiker im Europa-Parlament geworden ist?

*** Erinnern wir uns an die Zeit, als ein Politiker mit der Forderung Kinder statt Inder eine etwas eigenwillige Werbung für die deutsche Informatik-Förderung betrieb, komplett mit Unterstützung einer indischen SQL-Datenbank. Seinerzeit bin ich dem Inder Umang Gupta nicht gerecht geworden, weil ich seine Ausbildung nach Bangalore verlegt hatte. Besagter Politiker kommt aus Köln und aus der CDU, obwohl er als "Arbeiterführer" tituliert wird, wegen seinem heldenhaften Kampf um Nokia. Nun hat Jürgen Rüttgers nach den Indern die nächste bedrohliche Gruppe ausgemacht. Es sind die Rumänen, nein, Entschuldigung die Finnen, achwas, natürlich die Chinesen. Sie muss man würgen, bis sie Duisburg schön finden. Wieder einer, der zuviel Schimanski gesehen hat.

*** Rüttgers könnte übrigens Steinmeier würgen, bis dieser Brakelsiek und Bundestagswahlsieg verwechselt. Denn die SPD kommt mit einer aparten Art einer Verstaatlichungs-Idee, importiert aus Australien. Eine deutsche Breitband AG soll als fast freiwilliger Zusammenschluss aller deutschen Provider die BRD vernetzen und wird von der Macht der Arbeiterhände geschützt: "Damit ein solcher Zusammenschluss nicht an Regulierungshürden scheitert oder die Verbraucherinteressen vernachlässigt, werden wir auch in Brüssel dafür sorgen, dass die Kommission diese wichtige infrastrukturelle Aufgabe unterstützt." Das von der Partei, die bei Vorratsdatenspeicherung und Zugangserschwernisgesetz wichtige infrastrukturelle Weichen gestellt hat und eine Ministerin in ihren Reihen hat, die dort Fortschritte sieht, wo alle andere Menschen Rückschritte sehen. Das nennt sich dann wohl Riesen-Forschritt im Sinne des dialektisch-materialreichen Müntismus.

*** Wer den Mut hat, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, wird zum hemmungslosen Schönreden der Sozialdemokraten tatsächlich nur eine Frage haben: Wofür macht die SPD sich eigentlich die Mühe, ein Wahlprogramm zu entwerfen, wenn sie dessen Inhalte nach den Wahlen eilfertig über den Haufen wirft und mit den Christlichen schäkert. "Wir nennen es Arbeit am Projekt 18", dürfte Parteisascha Lobo das wohl formulieren. Ein Zusammengehen mit der Linken ist für den Bundestag absolut ausgeschlossen, weil diese das putzige Wegschießen geklauter Tankwagen als Krieg bezeichnen und diesen auf der Stelle beenden wollen. Aber hallo, das geht so nicht bei einer echten Friedensmission. "Die Aufständischen blieben mit den Fahrzeugen in einem Fluss stecken", so die offizielle Darstellung. Ganz klar: Wir nennen es Brunnenbauen.

*** Ähnlich reif wie die deutsche Politik präsentierte sich dieser Woche ein junger Mann, der mit der Kopie einer Idee reich geworden ist und nun schwadroniert: "'Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen – und höre auf, Autoritäten zu zitieren.' Da hab ich gleich mal Immanuel Kant zitiert, korrigiert, erweitert und vollendet." Dieser Vollender liebt offenbar einen Kant, dem jede Ethik schnuppe ist (bis er für seinen Diener Lampe doch noch eine kleine Ethik bastelte). Ehssan Dariani, der einstmals mit einer Seite des Völkischen Beobachters und der entsprechenden Domain zum Geburtstag des Führers das "Gebot der Pflicht" proklamierte, mit der sein eigener Geburtstag gefeiert werden musste, spricht nun im Interview von Missverständnissen. Danke, keine weiteren Fragen der Interviewer. "Reden wir über Geld" heißt die Rubrik der Süddeutschen Zeitung, nicht "Schweigen wir über A****löcher".

Was wird.

Wo bleiben die Jubiläen? Beim Blick auf eine etwas andere Zeittafel kann man lernen, dass am 4. September 1989 in Leipzig ein Friedensgebet stattfand, aus dem sich eine kleine Demonstration für "offene Grenzen, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit" entwickelte, die vom "Westfernsehen" übertragen wurde, das zur Leipziger Herbstmesse in der Stadt weilte. Aus diesem Anfang entwickelte sich die Praxis der Montagsdemonstrationen. Aus der "Versammlungs-und Vereinigungsfreiheit" wurde der Ruf "Wir sind das Volk", gewissermaßen ein Vorläufer von All your base belong to us, das Google an diesem Wochenende zu einem Festival verschickte. Heute sind die Rufe wieder näher am Original, wenn es am Samstag heißt: Freiheit statt Angst.

Als das erste Einweiserportal auf Basis der elektronischen Fallakte seine Web-Pforten öffnete, war der Jubel groß, genauso groß wie die aktuelle Empörung über Ärzte, die angeblich ein "Kopfgeld" nehmen. Ausgerechnet Ulla Schmidt, die Schutzherrin der elektronischen Fallakte, spricht von Betrug und fordert zur Denunziation auf. Dabei entspricht es dem Gedanken der Fallakte, wenn "sektorenübergreifend" behandelt wird und Ärzte diese zusätzlichen Leistungen abrechnen. Denn so und nicht anders sieht die Realität aus: Krankheit ist eine Ware geworden und der Arzt ist ihr Verkäufer. Wenn Denunziation gefordert wird, wenn SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach einen Pranger haben will, den er als Aufsichtsrat der Rhön-Kliniken strikt ablehnt, so könnte man von einem Sieg der Spin-Doktoren sprechen. Am Mittwoch beginnt der Fachkongress IT-Trends in der Medizin, der sich schwerpunktmäßig mit dem Rollout der elektronischen Gesundheitskarte befasst. Er soll bekanntlich im Oktober in der Region Nordrhein starten, in der Ärzte ein "Kopfgeld" für die Anschaffung von Lesegeräten bekommen. Entschuldigung, natürlich ist Prämie der korrekte Ausdruck. (Hal Faber) / (anw)