Drei Fragen und Antworten: Was überzeugt ITler vom Arbeitgeber?

Gut ausgebildete IT-Fachkräfte werden in Deutschland händeringend gesucht. Ein Gespräch darüber, wie man die eigene Firma für ITler möglichst attraktiv macht.

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(Bild: iX)

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Gute IT-Fachkräfte sind rar. Die Frage, wie man im umkämpften Arbeitsmarkt möglichst attraktive Stellen ausschreibt und die eigenen Angestellten möglichst lange hält, treibt viele Unternehmen um. Im Gespräch mit iX berichtet Peyman Pouryekta, selbst ausgebildeter Softwareentwickler, von seinen Erfahrungen aus der Beratung in der IT- und Startup-Szene.

Drei Fragen und Antworten mit Peyman Pouryekta

(Bild: 

Sascha Michaelis

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Peyman Pouryekta hat über 17 Jahre Erfahrung in der IT und ist selbst ausgebildeter Softwareentwickler. Er berät speziell Tech-Startups und hilft ihnen unter anderem, IT-Kräfte zu finden und sie langfristig zu halten.

Hand auf's Herz: Wie schwer wiegen andere Faktoren überhaupt im Kampf um die besten IT-Fachleute gegen ein höheres Gehalt, das ein Konkurrenz-Unternehmen zu zahlen bereit ist?

Wenn das Gehalt im Marktdurchschnitt liegt, dann können zusätzliche Benefits schon ausschlaggebend sein. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden sich dann gegen mehr Geld, aber zum Beispiel für flexible Arbeitszeiten. Schließlich werden Jobs in der IT sowieso schon deutlich besser bezahlt als in anderen Branchen. Man darf aber nicht ignorieren, dass es auch in der IT immer mehr Fälle von Burnout gibt und das auch ein Grund dafür ist, warum viele Wert auf andere Aspekte, wie eine bessere Work-Life-Balance, legen.

Und ja, wenn es um das Gehalt geht: stimmt, es ist ein wichtiger Aspekt. Ich wäre jedoch sehr vorsichtig mit Kandidaten, denen nur das Gehalt wichtig ist.

In letzter Zeit gibt es auch eine Tendenz, die ich implizit beobachte, die vom zeitbasierten Arbeiten zum value-basierten Arbeiten geht, vor allem auf Führungsebene. Also welchen Wert bringe ich dem Unternehmen, beziehungsweise der Welt? An diesem Erfolg möchten viele beteiligt sein. Deswegen lohnt es sich, mal über neue Modelle nachzudenken, die vielleicht besser zum Unternehmen und Team passen.

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Wie schaffen es Unternehmen denn – neben dem Geld –, gute ITler anzulocken und als Arbeitgeber attraktiv zu sein?

Es gibt mehrere Stellschrauben, um die man sich kümmern sollte, um als Unternehmen attraktiv zu sein. Heutzutage wünschen sich ja viele, sich mit ihrer Arbeit identifizieren und verwirklichen zu können. Deswegen sollten sich Unternehmen fragen: Ist das, was wir anbieten, innovativ und am Puls der Zeit? Womit man speziell ITler gut anlocken kann, sind eine Top-Ausstattung und technische Herausforderungen im Unternehmen.

Was ich aber immer versuche zu pushen, ist eine besonders starke Zusammenarbeit im Team. Das wird vor allem in der IT häufig vernachlässigt, ist aber total wichtig für ein gutes Arbeitsklima, sprich: Begegnet man sich im Team auf Augenhöhe, mit einer gesunden Streitkultur, wo alle auch gehört werden? Wird im Team nach festen Prozessen und Methoden gearbeitet? Ist es ein diverses Team, von dem ich unterschiedliche Dinge lernen kann?

Speziell bei Führungsrollen und Schlüsselpositionen hingegen sind oft folgende Themen spannend:

  • Kann man eigenverantwortlich und autark arbeiten, ein Team oder Produkt aufbauen oder wird man als „moderner Maurer“ eingesetzt, um eine Software zu bauen?
  • Gibt es einen Employee Stock Option Plan (ESOP), Shares oder andere Vorzüge und Bonuszahlungen, die man bekommen kann?
  • Hat die Führung eine klare Strategie und einen Plan für die nächsten Jahre?

Was nie funktioniert sind halbgare Versprechungen, sprich mit flexiblen Arbeitszeiten zu werben und dann aber um 9:30 Uhr den Mitarbeitenden ein verpflichtendes Daily Stand-up einzustellen. Was ich auch beobachtet habe: Unternehmen, die wöchentliche "Thirsty-Thursday-Events" anbieten, bei denen alle zwei Bier und zwei Stücke Pizza bekommen, aber unter dem marktüblichen Gehaltsdurchschnitt liegen. Die paar Bier und das bisschen Pizza kann man sich auch locker selber kaufen, wenn man ein vernünftiges Gehalt bekommen würde. Das ist zynisch und wirkt für Top-Talente abschreckend.

Die Prioritäten dieser genannten Punkte sind natürlich von Person zu Person sehr individuell. Jemandem, der gerade mit seiner Karriere angefangen hat, wird wichtiger sein, viel zu lernen und besonders starke Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten, als eine große Budgetverantwortung zu bekommen.

Ist es in Zeiten des Fachkräftemangels denn überhaupt wirtschaftlich noch sinnvoll, eine eigene IT-Abteilung zu unterhalten, statt möglichst große Teile davon auszulagern? Einen wirtschaftlichen Wettstreit um die besten Kräfte können sich ja vielleicht gerade kleine Unternehmen gar nicht leisten?

Das hört man jetzt vielleicht nicht gerne, aber: Es kommt darauf an. Wenn dein Produkt oder Dienstleistung eine IT-Lösung ist, dann kannst du den Kern deines Geschäftes nicht auslagern. Das ist deine Intellectual Property (IP). Auslagern funktioniert nur, wenn die IT nicht zum Kerngeschäft gehört und beispielsweise projektbezogen ist und somit kein gravierendes Business-Risiko darstellt. Die Bedeutung und die Kontrolle darüber ist sonst einfach zu wertvoll.

Was aber durchaus sinnvoll sein kann, ist zu sagen: „Okay, alles, was nicht zum Kerngeschäft gehört, versuchen wir auszulagern.“ Das passiert häufig mit Cloud- und Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS). Anstatt hier das Rad neu zu erfinden und selbst zu verwalten, kauft man sich das ein. Hier ist die Auswahl des Partners natürlich wichtig und du musst schauen, dass du dich nicht zu sehr in eine Abhängigkeit begibst.

Herr Pouryekta, vielen Dank für das Interview! Mehr Informationen zur angespannten Situation auf dem IT-Arbeitsmarkt liefern unter anderem die Zahlen einer Civey-Studie. Mit dem IT-Recruiting beschäftigt sich auch iX-Autor Martin Loschwitz in seinem Kommentar. Er fordert: "Weniger Blabla, mehr Kohle!"

In der Serie "Drei Fragen und Antworten" will die iX die heutigen Herausforderungen der IT auf den Punkt bringen – egal ob es sich um den Blick des Anwenders vorm PC, die Sicht des Managers oder den Alltag eines Administrators handelt. Haben Sie Anregungen aus Ihrer tagtäglichen Praxis oder der Ihrer Nutzer? Wessen Tipps zu welchem Thema würden Sie gerne kurz und knackig lesen? Dann schreiben Sie uns gerne oder hinterlassen Sie einen Kommentar im Forum.

(jvo)